geboren am 12.04.1884 in St. Kassian/Gadertal/I
Zeitliche Gelübde: 15.08.1902
Ewige Gelübde: 15.08.1902
Priesterweihe: 29.06.1907
verstorben am 25.03.1976
beigesetzt in St. Kassian


Pater Pasquale Crazzolara starb am 25. März 1976 in St. Kassian/Gadertal kurz vor seinem 92. Geburtstag. St. Kassian war auch sein Geburtsort, wo er am 12. April 1884 das Licht der Welt erblickte. Er ruht im Ortsfriedhof seiner Heimat.

Im Jahr 1900 trat er bei den Comboni-Missionaren von Milland/Brixen ein. Im gleichen Jahr begann er dort das Noviziat und legte am 15. August 1902 die ewigen Gelübde ab. Damals gab es die zeitlichen Gelübde in der Kongregation noch nicht. Dann folgte das Theologiestudium am Priesterseminar von Brixen. Am 29. Juni 1907 wurde er im Dom von Brixen zum Priester geweiht. In der Diözese Brixen bestand der Brauch, das Studium der Theologie erst ein Jahr nach der Priesterweihe mit der Abschlussprüfung zu beenden.

Am 1. Juli 1908 wurde er in den Sudan versetzt und begann in Khartum in der Missionsschule zu unterrichten. Am 30. März 1910 reiste er mit Bruder Klemens Schröer und anderen Mitbrüdern nach Uganda, wo Bischof Geyer in Omach die erste Mission unter den Alur gegründet hatte. Unter den Alur und dann in Gulu unter den Acholi begann Pater Crazzolara seine Missionsarbeit. Er studierte ihre Sprache, verfasste einen Katechismus und Schultexte, um die Taufkandidaten vorbereiten zu können. Von 1914 bis 1916 arbeitete er in Lull/Sudan unter den Nuer. Während des ersten Weltkrieges wurde auch er mit anderen deutschsprachigen Mitbrüdern nach Ägypten in das Internierungslager Sidi Bishr bei Alexandria gebracht, das er erst 1919 verlassen durfte. 1920 konnte er in den Sudan zurückkehren und die Tonga-Mission unter den Schilluk eröffnen.1925 wurde er mit der Gründung der ersten Mission unter den Nuer, Yoinyang am Gazzellenfluss, beauftragt. Er errichtete die ersten Missionsgebäude, studierte die Sprache des Stammes, stellte Schulbücher und einen Katechismus zusammen. 1926 machte er seinen ersten Heimaturlaub. Dann kehrte er wieder nach Yoinyang zurück, veröffentlichte 1933 in Wien eine Nuergrammatik, nachdem er in Wien und London Kurse in Phonetik und Anthropologie besucht hatte.

In den folgenden 55 Jahren arbeitete Pater Pasquale auf vielen Stationen im Sudan und Uganda, besonders unter den Nuer, Acholi und Logbara. Er veröffentlichte viele Artikel in Zeitschriften und Zeitungen. Die Grammatik und das Wörterbuch der Acholi wurden in London gedruckt und vom Verlag der Universität Oxford veröffentlicht.

1938 eröffnete er die Mission von Malakal, aus der inzwischen eine Diözese geworden ist. 1939 kehrte er endgültig nach Uganda zurück. Er widmete sich der Seelsorge und studierte Gebräuche, afrikanische Sprachen, das Clanwesen und veröffentlichte die Ergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften und in den drei Bänden „The Lwoo“, das sicherlich sein Meisterwerk und das Ergebnis seines lebenslangen Studiums ist. Zu erwähnen sind auch seine Grammatik und das Wörterbuch Logbara-Madi. Sein letztes Werk ist eine Pokot Grammatik und ein Pokot Wörterbuch. Die Pokot-Sprache ist nach seinen Worten eine der schwierigsten, mit denen er sich bis jetzt beschäftigt hatte.

Für seine linguistischen und anthropologischen Verdienste erhielt er 1963 von der Royal African Society in London eine Auszeichnung, und am Geburtstag der Königin Elizabeth die Auszeichnung M.B.E (Member of the Britisch Empire). Der italienische Staatspräsident Giovanni Leone ernannte ihn 1965 zum Commendatore der Republik Italien. Prominente Persönlichkeiten von Uganda sind durch seine Schule gegangen.

Die Kongregation verliert in ihm nicht nur einen großen Gelehrten und Afrikamissionar, sondern auch einen eifrigen und vorbildlichen Ordensmann.

Zeugnis von Mons. Giovanni Battista Cesana, Bischof von Gulu

„Ich lebte mit Pater Crazzolara einige Jahre in derselben Hausgemeinschaft in Gulu. Er liebte die Kirche und war voll Seeleneifer. Sein Missionseifer zeigte sich vor allem beim Unterricht der Katechumenen und der Schulkinder. Öfters beklagte er sich bei mir, dass manche Mitbrüder für dieses Apostolat kein Interesse zeigten. Er betonte: „Es genügt nicht, dass der Katechist die Katechumenen auf die Taufe vorbereitet: auch die Worte des Missionars sind unbedingt notwendig, der Katechist wird dann die Erklärungen des Missionars wiederholen“. Er machte mich darauf aufmerksam – ich war bereits Bischof – dass der Katechismus-Unterricht einfach und klar, mit dem Lehramt der Kirche im Einklang stehen und vom Bischof approbiert sein müsse. Zudem müsse der Unterricht regelmäßig, fortschreitend und nicht nur gelegentlich gehalten werden. Gleichzeitig äußerte er sich sehr befriedigend über einige Missionare aus, die mit Eifer den Katechismus erklärten. Nach dem Sprachstudium konnte er sich nicht mehr direkt der Seelsorge widmen, sondern nur mehr gelegentlich. Er zeigte aber großes Interesse an der Missionsarbeit der Mitbrüder, gab gute, praktische Ratschläge, machte Mut und half soweit er konnte.

Das Verhalten von Pater Crazzolara als Ordensmann und Priester war immer vorbildlich. Er liebte das Gemeinschaftsleben und hielt sich genau an den Stundenplan. Ich habe in ihm keine Merkwürdigkeiten oder Besonderheiten in seinem Handeln als Ordensmann und Missionar beobachtet. Deswegen auch die große Wertschätzung, die ihm nicht nur die Mitbrüder, sondern auch Auswärtige und Behörden, die ihn kannten, entgegenbrachten. Nicht nur die Missionare, sondern die ganze christliche Gemeinde ist ihm zu großem Dank verpflichtet wegen seiner geleisteten Arbeit für die afrikanische Bevölkerung, die er aufrichtig liebte.

Er wusste um deren Schwierigkeiten, kannte ihre Grenzen, nahm an ihren Problemen teil und wusste so manchen guten Ratschlag zu geben. Der Bevölkerung hat er sein langes Priesterleben und seine physischen Kräfte gewidmet mit dem einzigen Ziel, ihre kulturellen Werte zu deren eigenem Wohl und zum Wohl der Mission zu verewigen und zur Geltung kommen zu lassen. Ich darf sagen, dass alle Mitbrüder von Uganda gewünscht hatten, dass er seine letzten Tage unter uns und in der Mission hätte verbringen können. Alle Mitbrüder mochten und schätzten ihn, man schaute mit einer gewissen Verehrung zu ihm auf.“

Erinnerungen von Pater Carlo Tupone

„Ich lernte Pater Pasquale Crazzolara gleich nach meiner Ankunft in Khartum/Sudan kennen. Ich sollte im Comboni College unterrichten. Es war das Jahr 1935. Ich sehe ihn noch heute in seinem Zimmer beim Sprachstudium, begleitet von leiser, klassischer Hintergrundmusik. Als Phonetik- und Sprachenforscher brauchte er Musik, um präziser arbeiten zu können. Er hatte immer ein gutes Wort für die jungen Missionare übrig und ermutigte sie, die Sprachen und Kulturen der einzelnen Völker, zu denen sie gesandt würden, gut zu lernen.

Unter den Lango

Ich traf ihn wieder 1949 in Lira bei den Lango. Mir wurde die Aufsicht über alle Schulen im Vikariat übertragen. Pater Pasquale war noch kräftig, trotz seiner starken Gehirn-anämie. Er litt, ohne davon viel Aufhebens zu machen, und arbeitete trotzdem weiter. Er gab Religionsunterricht in den Volksschulen der Mission, um den fehlenden Einsatz der Lehrer zu ersetzen, die von der Regierung schlecht bezahlt wurden.

Er hatte auch die kleine Kapelle Aler in der Nähe von Ngeta übernommen, wo er sein Katechumenat eingerichtet hatte. Ich glaube, er fuhr täglich auf seinem Guzzi-Dreirad dorthin. Christen und Nichtchristen des Ortes betrachteten ihn als den Mann Gottes, der ihnen das Wort Gottes verkündete. Er unterhielt sich gerne mit den Ältesten des Volkes. Er interessierte sich für ihre Bräuche und Überlieferungen. Vielleicht hat er gerade damals sein Hauptwerk «The Lwo Traditions» vollendet. Er beherrschte die Langosprache gut, die der Acholisprache ähnlich ist. Er hatte eine Acholi-Grammatik mit Wörterbuch herausgegeben, die von allen als wahre wissenschaftliche Arbeit betrachtet wurde, und allen späteren Veröffentlichungen als Grundlage diente.

Die Leute schätzten sein Interesse für ihre Sprache und Gebräuche, aber seine Hauptarbeit war immer der „Religionsunterricht“. Er unterrichte mit wirklicher Leidenschaft. Ihm ging es dabei nicht so sehr darum, dass die Leute die Wahrheiten aufsagen können, sondern dass die biblische Botschaft in ihre Herzen eindringt. Die Leute müssen von den Glaubenswahrheiten tief überzeugt sein, um ihren Glauben zu leben. Sie müssen einsehen, dass Christsein mehr ist als der neue Name bei der Taufe, um den Europäern ähnlicher zu werden.

Eine interessante Einzelheit. Die Mission hatte einen großen Hund. Wann immer Pater Crazzolara sein Motorrad anließ, um nach Aler zum Religionsunterricht zu fahren, lief ihm der Hund voraus, bellte und machte ihm den Weg frei und genauso bei seiner Rückkehr. Es schien, als habe er vom Herrn den Auftrag erhalten, den Missionar vor einem möglichen Unfall zu beschützen, da er nicht mehr gut sehen konnte und sich auf der Mission immer viele Kinder und Leute aufhielten.

Im West Nile

Nachdem er nach West Nile versetzt worden war, begann er sofort die Logbara-Sprache zu studieren. Logbara ist eine der schwierigsten Sprachen, die ich kenne, da sie aus einsilbigen Wörtern besteht und phonetisch aufgebaut ist. Eine Silbe kann mehrere ganz verschiedene Bedeutungen haben, je nachdem, wie sie betont wird. Deswegen gelang es nur wenigen Mitbrüdern, sie gut zu beherrschen, und viele bedienten sich deswegen der sogenannten kirchlichen Logbara-Sprache. Ein alter, nicht musikalisch begabter Missionar fragte einmal die Christen um ihre Meinung über seine Sprachkenntnisse. Sie antworteten ihm: „Father, wir verstehen, was sie sagen wollen.“ Wenn jetzt die Logbara von West Nile nicht nur den Sinn erraten, sondern auch die wahre Bedeutung der Botschaft verstehen, dann verdanken sie das zum Großteil Pater Crazzolara, der es den jungen Missionaren ermöglicht hat, ihre Sprache gut zu studieren und zu sprechen.

Damals begann er, sich auch um die Okebo anzunehmen, einen kleinen Stamm im West Nile, der Gefahr gelaufen ist, vom Stamm der Alur, der zahlenmäßig stärker und fortgeschrittener ist, aufgesaugt zu werden. Pater Pasquale wollte dessen Sprache, Kultur und Überlieferungen, die auszusterben drohten, retten. Er begann Material zu sammeln, konnte aber wegen Unverständnis die Arbeit nicht zu Ende führen. Er sprach mit mir oft mit Bedauern darüber. Für ihn war jede Sprache eine neue Welt, die es zu entdecken und zu erforschen galt, um mit den Leuten, die diese Sprache sprachen, in Kontakt zu kommen. Es genüge nicht, eine Sprache irgendwie zu sprechen. Man müsse sie gut sprechen, um von den Leuten voll und ganz verstanden und angenommen zu werden.

Unter den Karimojong

Seine letzte Station ist Karamoja gewesen, ein wüstenähnliches Gebiet in Norduganda. Es handelt sich wohl um die ärmste Gegend des Landes, wo sich die Menschen in den fünfziger und sechziger Jahren noch mit Tierfellen bekleideten oder zum Teil sogar splitternackt herumliefen.

Die Karimojong sind Hirten und sind vielleicht deswegen imstande gewesen, sich eine Sprache zuzulegen, die der griechischen ähnlich ist, mit ganz scharfsinnigen grammatikalischen Formen. Manche Mitbrüder betrachten sie sogar als eine vollkommene Sprache. Nach meiner Ansicht war die Entstehung einer solchen Sprache nur möglich, weil die Karimojong nichts zu tun hatten, den ganzen lieben Tag im Schatten der Bäume saßen, um ihr Vieh zu hüten.

Einige Missionare haben den Versuch unternommen, die Grammatik der Karimojong zu studieren. Einer von ihnen war der verstorbene Pater F. Farina, der diese Sprache perfekt beherrschte. Jedoch allen fehlte jene wissenschaftliche Ausbildung, die nur Pater Crazzolara besaß. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, die zugrundeliegende Struktur einer Sprache zu entdecken und deren Merkmale zu beschreiben.

Mit großem Eifer und Enthusiasmus machte er sich in Karamoja an die Arbeit, um auch die Ngakarimojong-Grammatik zu erfassen, aber leider war es ihm nicht mehr gegönnt, sie auch zu vollenden. Fast zwei Jahre lang hat er täglich bis zu acht Stunden mit Eifer und Liebe daran gearbeitet, bis ihn eine Gehirnarthrose zwang, seine Lieblingsbeschäftigung aufzugeben. Er hatte diese Arbeit zu spät angefangen, als er schon fast neunzig Jahre alt war. Pater Bruno Novelli wird sie weiterführen und abschließen. Diese Grammatik wird ein Ehrendenkmal für Pater Crazzolara werden und ein Ansporn für andere, seinen Spuren zu folgen.

Das letzte Mal traf ich Pater Crazzolara in Kalongo. Wir sprachen oft über seine Arbeiten, besonders über seine Pokot-Grammatik, die noch auf die Veröffentlicht wartet. Pater Ambrosoli versuchte mit seiner liebevollen Pflege, sein Leben in dieser armen Welt zu verlängern, aber seine Seele lebte bereits im Himmel.

Der gute Gott hat Pater Crazzolara mit außerordentlichen Talenten ausgestattet. Er hat sie entwickelt und fruchtbar gemacht, nicht um in dieser Welt berühmt zu werden, obwohl er viel Lob und Anerkennung erfahren hat, sondern um ein tüchtiger Missionar zu werden, das Wort Gottes in überzeugender Weise zu verkünden und anderen Missionaren zu helfen, das Gleiche zu tun.

Sein Sprachenstudium verfolgte das eine Ziel: Gott unter den Afrikanern, zu denen er gesandt worden war, bekannt zu machen. Nicht alle haben das verstanden oder es zu spät begriffen, aber alle haben aus seinem Schaffen Nutzen gezogen. Möge Pater Pasquale unseren Missionaren, besonders den jungen, als Beispiel und Ansporn dienen!“

R.I.P.

Pater Carlo Tupone fscj