Pater Jude Eugene Burgers, der Provinzial von Südafrika, war zu seinem ersten Besuch in Deutschland. Er fühlte sich gleich zu Hause und war beindruckt von der Sauberkeit, Ordnung und Pünktlichkeit. In Ellwangen konnte er Bruder Hermann Engelhardt und Pater Konrad Nefzger treffen, die lange Jahre in seiner Heimat im missionarischen Einsatz waren. Er besuchte auch den Friedhof und gedachte der verstorbenen Mitbrüder, die in Südafrika gearbeitet hatten. In Nürnberg, wo Pater Karl Peinhopf ihn durch die Stadt führte und ihm von der deutschen Geschichte berichtete, probierte er Lebkuchen.
Wenn er auf seinen Glaubensweg schaut, ist dieser stark von Deutschland geprägt: Er wuchs in einer Schönstatt- Familie auf, die Bewegung hatte ein Haus in Kapstadt. Vorbilder waren für ihn Pater Rippberger, Sr. M. Müller, die in den 1930er Jahren nach Südafrika ausgewandert war, und die Pallotinerinnen. Missio und Misereor haben viele Projekte in Südafrika unterstützt.
Unter dem Apartheid-Regime hatte Pater Jude als „Farbiger“ Nachteile, aber er hat nicht gelitten. 1976 zog die Familie aus Kapstadt weg, denn Schwarze waren dort nicht erlaubt. Bulldozer hatten ihre Hütten eingerissen. Alte, Kranke, Babies – das öffnete ihm die Augen, und er fragte sich: wie konnte eine Gruppe das der anderen antun? Auch die Kirche war gefangen in der Situation, die Seminare waren getrennt in schwarz und weiß. Selbst nach Ende der Apartheid gibt es kaum Vermischung
Pater Judes Wunsch war schon immer, Missionar zu werden, doch man wollte ihn davon abhalten, damit er im Land bleibt. So wurde er erst Diözesanpriester, arbeitete aber in ländlichen Gemeinden an der Westküste, und berichtet, dass er trotzdem Missionsarbeit machte, da es wohl Katholiken, aber keine Kirche gab. Zehn Jahre lang war er in der Diözese Kapstadt, dann ging er zum Noviziat nach Portugal. Es lag auf dem Land, wo die Bewerber vom Land arbeiten und sich wohlfühlen konnten. Das Programm zielte auf junge Leute. Er aber kam aus der Stadt und war wesentlich älter. Am Wochenende besuchte er die Gemeinden, da er schon Priester war, und feierte dort auch die Messe. Am Montag fühlte er sich in das Programm zurückgepresst. Doch Bruder Bernardino erkannte das Problem und half ihm. Pater Jude erinnerte sich daran, dass schon zuvor eine Schwester ihm geraten hatte: „Lauf nicht weg, halte durch, es wird gut.“ Ein Trost war für ihn auch, dass Bekannte ihn besuchen kamen. Sie kannten seinen Vater, der bei einer Gesellschaft tätig war, die mit Portugal zusammenarbeitete.
Pater Judes erster Einsatz führe ihn dann nach Malawi. Er sagt: „Ich danke Gott, dass ich meine Vorstellung leben konnte, wie ein Missionar sein sollte.“ In Sambia arbeitete er während des AIDS-Höhepunktes jeden Tag mit Betroffenen. Manche sah er nur einmal, dann starben sie. Der Name für AIDS war „Geh nach Hause und verabschiede dich von deiner Mutter.“ Anschließend war er zehn Jahre in der Ausbildung tätig. Bildung ist für ihn Interaktion, bei der die Menschen Hilfestellung erhalten, aber selbst auch eine Geschichte zu erzählen haben und von einer Gotteserfahrung berichten. Das bereichert alle Beteiligten. Die Aufgabe, Menschen in ein neues Amt einzuführen, vergleicht er mit der Arbeit mit einer Hebamme.
Zum Comboni-Jahr war er in Irland und machte dort im Anschluss noch ein Jahr Bildungsarbeit und weitere anderthalb Jahre Ausbildung für Krankenhausseelsorger.
Dann kehrte er nach Südafrika zurück und arbeite in einem Pastoralzentrum in der Erwachsenenbildung. Von Freitagabend bis Sonntagmittag ging er in Gemeinden, hielt Beerdigungen, spendete die Kommunion und feierte Gottesdienst. Ihm ist es wichtig, in Kontakt mit den Menschen zu sein, ihre Sprache sprechen, und er sagt: „Ich bin zu den Menschen berufen.“
Seine Arbeit änderte sich grundlegend, als er zum Provinzial gewählt wurde. Er wird mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert. Gleich zum Start hatte er die schwere Aufgabe, einen Kandidaten wegzuschicken, der sich gegen das Comboni-Charisma benahm. Zu seinem Verantwortungsbereich gehört auch, Gemeinden zu versorgen. Dafür stehen ihm zu wenige Missionare zur Verfügung, die teilweise sehr jung, manche auch schon über achtzig sind. Ein schwerer Schlag war für ihn ein Angriff auf das Haus der Comboni-Missionare in Orange Farm am 19. Oktober 2017. Drei Missionare schlossen sich ein und bleiben verschont. Ein junger Angestellter aber wurde so zusammengeschlagen, dass er drei Tage später starb.
Die Ortskirche in Südafrika wächst gerade erst, sie kümmert sich um Iren, Portugiesen, Polen und Libanesen. Der Katholizismus ist zwar 200 Jahre alt, Pastoralarbeit geschieht aber erst seit etwa 100 Jahren. Pater Jude blickt auf die Krise in der Kirche. Am Kap ist es am schlimmsten, Gewalt, Drogen und Prostitution bestimmen den Alltag. Zwei Bischöfe sind in jüngster Zeit wegen dem Druck und Spannungen mit den Priestern zurückgetreten, die Autorität wird herausgefordert. Pater Jude ist froh, dass Joe Sandri, Bischof von Witbank und Comboni-Missionar, für die Priester sorgt, sich um die Missionare kümmert und seine Stimme in der Bischofskonferenz hören lässt. Nach seiner Amtszeit als Provinzial möchte er gerne wieder missionarisch arbeiten. Er sagt: „Ich schaue mit tiefer Dankbarkeit auf mein Leben zurück, und ich würde nichts ändern.“
Andrea Fuchs