Am 5. Januar 2023 nahm Pater Markus Körber am Requiem für Papst Benedikt XVI. in Rom teil. Ein prägendes Erlebnis, das viele Erinnerungen in ihm weckte. Er schreibt:
Am 31.12.2022 ist Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI. im Alter von 95 Jahren in Rom verstorben. Papst Franziskus hat auf dem Petersplatz am Morgen des 05.01.2023 das Requiem für seinen verstorbenen Amtsvorgänger gefeiert. Etwa 50.000 Gläubige haben daran teilgenommen. Ich durfte mich unter den vielen konzelebrierenden Priestern einreihen. Es war ein prägendes Erlebnis, das viele Erinnerungen in mir weckte.
Nachdem ich am Silvestertag am späten Vormittag vom Tod Benedikt XVI. erfahren hatte, stiegen in mir Gefühle der Trauer, Dankbarkeit und der Freude auf. „Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst!“, so Papst Franziskus bei der Trauerfeier am Ende seiner kurzen Predigt.
Der „Karsamstagspapst“
Als Benedikt XVI. am 16. April letzten Jahres – es war ein Karsamstag – 95 Jahre alt wurde, bot eine überregionale katholische Wochenzeitung an, ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Ich beteiligte mich daran. Damals kam mir ein Text aus dem Buch von Joseph Ratzinger „Aus meinem Leben – Erinnerungen (1927–1977)“ in den Sinn. Er blickt darin auf seine erste Lebenshälfte zurück und schreibt: „Geboren bin ich am Karsamstag, dem 16. April 1927, zu Marktl am Inn. Dass der Geburtstag der letzte Tag der Karwoche und der Vorabend von Ostern war, wurde in der Familiengeschichte immer vermerkt, denn damit hing es zusammen, dass ich gleich am Morgen meines Geburtstages mit dem eben geweihten Wasser in der zu jener Zeit am Vormittag gefeierten ‚Osternacht’ getauft worden bin: Der erste Täufling des neuen Wassers zu sein, wurde als eine bedeutsame Fügung angesehen“.
Geburt, Taufe und 95. Geburtstag – jeweils ein Karsamstag. Sein Sterbetag am Silvestermorgen 2022 fiel ebenfalls auf einen Samstag. Aufgrund der oft einseitigen und entstellenden Mediendarstellung des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. vor allem in deutschsprachigen Ländern klangen in mir die Worte Jesu wider: „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat“ (Mk 6,4).
Weiter fährt Joseph Ratzinger im oben erwähnten Buch fort: „Dass mein Leben so von Anfang an auf diese Weise ins Ostergeheimnis eingetaucht war, hat mich immer mit Dankbarkeit erfüllt, denn das konnte nur ein Zeichen des Segens sein. Freilich – es war nicht Ostersonntag gewesen, sondern eben Karsamstag“. Als ein solches Zeichen des Segens vernahm ich die Nachricht, dass kurz nach der Bekanntmachung des Todes von Benedikts XVI. ein Regenbogen über der Gnadenkapelle in Altötting und seiner bayerischen Geburtsregion erstrahlte, der Himmel und Erde miteinander verband.
Ich hatte das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Göttliche Vorsehung
Das Requiem für den verstorbenen Papa emeritus wurde für den 5. Januar angesetzt, dem Tauftag von P. Philipp Jeningen, der am 16. Juli 2022 in Ellwangen seliggesprochen wurde. Da ich am 6. Januar („Fest der Erscheinung des Herrn“) einen wichtigen Gottesdienst in einer Pfarrei angenommen hatte, schien es mir zunächst unmöglich, bei der Totenmesse in Rom dabei zu sein. Dann bekam ich einen überraschenden Anruf. Eine Frau aus der Nähe von Ellwangen machte mich darauf aufmerksam, dass „Jugend2000“ eine Kurzfahrt von Augsburg nach Rom und zurück anbot. „Das ist ein Zeichen der göttlichen Vorsehung“, dachte ich mir. Nach kurzer Überlegung meldete ich mich zur Busfahrt an. Am Mittwochabend (04.01.2023) ging es los. Zu zweit fuhren wir mit dem Auto von Ellwangen nach Augsburg. Einige Auerbacher Schulschwestern aus meiner Heimat waren auch im vollbesetzten Bus. Nach etwa zwölf Stunden Nachtfahrt kamen wir in Rom an. Es war nebelig und ziemlich kalt. Aus der bayerischen und deutschen Heimat des verstorbenen Papstes waren viele Menschen angereist. Zwölf Sargträger brachten kurz vor Beginn des Requiems den Sarg Benedikts auf den Petersplatz. Dann wurde von den Gläubigen der Rosenkranz in lateinischer Sprache gebetet. Die Zeremonie der Totenmesse war schlicht und zugleich würdevoll. Nach dem Requiem erfolgte der Ritus der Aussegnung und Verabschiedung. Kurz vor elf Uhr hoben Träger den Sarg von Benedikt XVI. auf und trugen ihn in die Basilika, zur endgültigen Bestattung in den Vatikanischen Grotten. Bayern- und Deutschland-Fahnen wurden geschwenkt, „Danke Papst Benedikt“ stand auf einem Transparent. Auch für mich ein wichtiger Moment des Abschieds.
Viele Erinnerungen
Ich hatte das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Kurz vor meiner Ausreise in den Südsudan konnte ich Papst Benedikt im Oktober 2006 nach einer Generalaudienz auf dem Petersplatz persönlich begegnen und um seinen Segen für meine schwierige Mission in Afrika bitten. Dafür war und bin ich ihm sehr dankbar. Das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, wurde dadurch bestärkt, dass ein Teil des Hochgebets von Kardinal Francis Arinze aus Nigeria vorgetragen wurde. Ein anderer afrikanischer Kardinal, Mons. Robert Sarah aus Guinea, hatte mich genau 17 Jahre vorher, am 5. Januar 2006 in Rom zum Diakon geweiht. Damals fuhr ein Bus aus meiner Heimatgemeinde Pottenstein zur Feier. So ging ich nach dem Requiem von Papst Benedikt von „Petrus zu Paulus“, d.h. vom Vatikan nach „Tre Fontane“, wo der heilige Paulus enthauptet wurde und wo ich in der dortigen Abtei mit innerer Freude und Erfüllung dem Jahrestag meiner Diakonenweihe gedenken durfte. Die Anliegen vieler Menschen konnte ich im Gebet und in aller Stille der Güte und Menschfreundlichkeit Gottes anvertrauen. Vor allem gingen meine Gedanken an meinen vor zwei Jahren verstorbenen Vater. Er hatte mich 1980 über die Freiwillige Feuerwehr unserer Heimatgemeinde zum Papstbesuch von Johannes Paul II. nach München mitgenommen. Ich war gerade acht Jahre alt. An die Eucharistiefeier auf der Theresienwiese zusammen mit dem damaligen Erzbischof von München und Freising, Kardinal Joseph Ratzinger, kann ich mich bis heute erinnern.
Nach einem Kurzbesuch bei meinen Mitbrüdern in Rom, wo ich während meines Theologiestudiums von 2002 bis 2006 untergebracht war, ging es zurück zum Bus am Vatikan. Nach etwa zwölf Stunden Nachtfahrt kamen wir am nächsten Morgen gut in Augsburg an. Rechtzeitig wieder in Ellwangen zum Frühstück zurück, fuhr ich dann nach Lauchheim „St. Petrus und Paulus“ zum Gottesdienst. Nachdem ich etwas mitgenommen den Gläubigen von meiner Kurzfahrt nach Rom berichtet hatte, wurde spontan geklatscht.
Wir sind nicht allein
„Wer glaubt, ist nie allein“, so heißt das Lied, das 2006 anlässlich des Pastoralbesuches von Benedikt XVI. in Regensburg komponiert wurde. Die ganze Papstreise in seine bayrische Heimat stand unter diesem Motto. Bei der Messe am 12. September auf dem Islinger Feld mit insgesamt etwa 250.000 Pilger – sechs Wochen nach meiner Priesterweihe – durfte ich konzelebrieren. „Wer glaubt, ist nie allein! Du, Herr, wirst mit uns sein“. Diese Anfangsworte des Liedes haben mich auf meiner Kurzfahrt nach Rom 2023 begleitet. „Des Menschen Herz plant seinen Weg, doch der HERR lenkt seinen Schritt“ (Spr 16,9), so die Heilige Schrift. Es ist gut zu wissen und zu erfahren, dass das Erreichen meiner Pläne und Ziele nicht allein von mir abhängt. Wir sind nicht allein. Da sind Menschen und da ist Gott. Wir finden immer wieder Hilfe, werden getröstet und aufgerichtet. Der Volksmund würde sagen: Der Mensch denkt und Gott lenkt.
Pater Markus Körber mccj