geboren am 02.07.1931 in Niklasdorf/CZ
Zeitliche Gelübde: 02.07.1954
Ewige Gelübde: 25.12.1957
Priesterweihe: 29.06.1958
verstorben am 29.09.1995
beigesetzt in Lima/PE
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Pater Alois Starker (in Peru allgemein als Pater Lucho bekannt) wurde in Niklasdorf (Sudetenland/Tschechien) am 2. Juli 1931 geboren. Die Familie Starker gehörte zur deutschen Minderheit, die nach dem zweiten Weltkrieg 1946 ihre angestammte Heimat verlassen musste. Seine Eltern waren tiefgläubige Bauersleute. Alois war das zweite von acht Kindern. Er wählte den Missionsberuf, und vier Schwestern gingen ins Kloster, zwei von ihnen wirkten als Missionarinnen in Südafrika.
Mit vierzehn Jahren wurde Alois ins Seminar der Missionare Söhne des Heiligsten Herzens Jesu (heute Comboni-Missionare) von Ellwangen aufgenommen. 1952 beendete er das Gymnasium und begann in Bamberg das Noviziat. Er war nicht unbedingt der „vorbildliche“ Novize, denn so manches nahm er eher auf die leichte Schulter und machte sich über Vieles in witziger Form lustig. Diese Haltung hat er während seines ganzen Lebens beibehalten. Manche von seinen Mitschülern glaubten nicht, dass er an seinem Beruf festhalten würde. Seine christliche Familie, die ihre Kinder Gott und der Kirche geweiht hatte, hat ihm jedoch stets Halt gegeben. Am 2. Juli 1954 legte er die ersten zeitlichen Gelübde ab. Zum Studium der Philosophie und Theologie wurde er nach Milland geschickt. Am 25. Dezember 1957 weihte er sich dort durch die ewigen Gelübde endgültig Gott und dem Missionsdienst. Am 29. Juni 1958 wurde er im Dom zu Brixen durch Fürstbischof Dr. Josef Gargitter zum Priester geweiht.
Ausreise nach Peru
Am 3. Dezember 1958 reiste Pater Lucho in Begleitung von drei Mitbrüdern mit dem Schiff „Uso di Mare“ nach Peru, wo die Gruppe am 27. Dezember in Callao ankam. Sie wurden von den fünfzehn Missionaren, die in der Diözese Huánuco und in der neu errichteten Prälatur Tarma in der Seelsorge arbeiteten, herzlich willkommen geheißen. In jenen Gebieten war kein Platz für Leute, die ein angenehmes Leben suchten. Viele Dörfer lagen 4000 m über dem Meeresspiegel und konnten nur zu Fuß oder auf Maultierrücken erreicht werden. Pater Lucho wirkte fünf Jahre lang (1959-1964) in Pfarreien der Diözese Huánuco.
Im peruanischen Urwald
Im April 1964 wurde Pater Lucho nach Pozuzo versetzt. Dort hatten sich 1859 Einwanderer aus Tirol und dem Rheinland angesiedelt. Die Comboni-Missionare hatten 1938 deren Seelsorge übernommen, nachdem der Bischof von Huánuco die Ordensoberen darum ersucht hatte: „Schicken Sie bitte einige Ihrer Missionare nach Peru, um die Seelsorge in der Tirolerkolonie zu übernehmen. Gleichzeitig können die Missionare auch die einheimische Bevölkerung seelsorglich betreuen“. Im Januar 1965 übernahm Pater Alois Starker die Seelsorge von Pozuzo und wirkte dort bis 1982. Achtzehn Jahre lang hat er mit großem Eifer seine Pfarrkinder betreut und eine Reihe von sozialen und karitativen Einrichtungen ins Leben gerufen. Zu Fuß oder auf dem Rücken des „mulo parroquial“ (Gemeinde-Maultier) besuchte er die vielen Dörfer der ausgedehnten Pfarrei und machte bei jeder Familie halt, um die Leute zu begrüßen. Manche Dörfer lagen eine oder zwei Tagreisen von Pozuzo entfernt.
Drei große Einrichtungen legen von der Schaffenskraft von Pater Lucho in Pozuzo Zeugnis ab:
- Das Elektrizitätswerk, das er mit österreichischer und deutscher Hilfe verwirklichen konnte;
- Das Internat neben der St. Josefskirche. Fünfzig Studenten fanden dort Unterkunft, die nur auf diese Weise die Schule besuchen konnten, da ihre Familien weitab von Pozuzo wohnten;
- Das Kulturzentrum, um die deutsche Sprache der Siedler vom Aussterben zu bewahren und Musik und Gebräuche der Einwanderer zu fördern. Jeder konnte seine Anliegen vortragen. Pater Lucho hörte alle an und half ihnen, ihre Probleme loszuwerden.
Jahrelang lag Pozuzo abgeschnitten im Urwald wie in einem Dornröschenschlaf. Dieser Zustand änderte sich ganz plötzlich 1977, als die Straße bis zum Dorf fertiggestellt wurde, deren Bau die Regierung schon den damaligen Einwanderern versprochen hatte. Nun erreichten „die Wohltaten der modernen Kultur“ auch die Bevölkerung von Pozuzo. Ein „Pozuziner“ weist auf die Probleme hin, die auf den Bau der Straße folgten: „Es ist schwierig, Leute wie Pater Lucho zu finden. Wir haben das Glück gehabt, einen Teil unseres Lebens an seiner Seite zu verbringen. In schwierigen Zeiten braucht es einen charakterfesten Mann. Pater Lucho hat nie Angst gehabt, sich Ideologien entgegenzustellen, die unserem Glauben gefährlich werden konnten, und damals als modern galten (1982), als er in Pozuzo arbeitete. Er konnte zur gegebenen Zeit ein energisches ‚Nein‘ sagen und mit Leib und Seele seine verwirrte und geängstigte Herde verteidigen“.
Unter „Cocabauern“, Guerillakämpfern und Soldaten
Am 6. März 1983 übernahm Pater Lucho die Urwaldpfarrei Tocache in der Diözese Huánuco, 700 km von Lima entfernt. Tocache war die Hauptstadt des Rauschgiftterrorismus geworden. Fast sechzig Prozent der Weltproduktion von Kokablättern kam damals aus jener Gegend. Zwischen 1982 und 1989 soll es dort bis zu 2.500 Tote und bis zu 500 „desaparecidos“ (Verschwundene) gegeben haben infolge von Gewalttaten des „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) und der Reaktion der Regierungssoldaten. An die zehn Millionen US-Dollar sollen an Bestechungsgeldern geflossen sein. Am 3. Mai 1987 nachts wurde Tocache vom „Sendero Luminoso“ besetzt. Die Terroristen setzten das Rathaus in Flammen, hissten die rote Fahne mit Hammer und Sichel und erklärten die Stadt zur „befreiten Zone“.
„Einige Tage später – erzählte Pater Lucho während eines Interviews mit Pater Neno Contran – betraten sie das Pfarrbüro und ersuchten mich um meine ‚Mitarbeit‘. Zwei Stunden lang versuchten sie mich zu überzeugen. Sie konzentrierten sich auf meine Sonntagspredigten, die auf Tonband aufgenommen und in die Dörfer gebracht wurden. Sie wollten mich zum Schweigen bringen. ‚Bis jetzt haben WIR gesprochen; wenn aber unsere Worte nichts Positives erreichen, werden DIESE sprechen‘. Dabei zeigten sie auf ihre Maschinengewehre. Sie behaupten, dass der Sendero und die Kirche die gleichen Übel bekämpften: Korruption, Ungerechtigkeiten und Armut. Die Kirche sollte mitarbeiten, indem sie den Mund hält. Sie selbst würden nur zerstören, um nachher wiederaufzubauen“. Die Terroristen verboten ihm, die entlegenen Gemeinden zu besuchen und warnten die Bevölkerung: „Es ist verboten, den Pfarrer zu rufen. Er ist unser größter Feind und kämpft gegen uns“. Auch ein Lokalsender, der die Sonntagsmesse ausstrahlte, wurde vorgewarnt. „Wenn ihr weiterhin die Predigten des antirevolutionären Pfarrers ausstrahlt, werden wir die Radioanlage zerstören“. Pater Lucho bat andererseits die Regierungssoldaten um Nachrichten von verschollenen Personen, erhielt aber nur folgende Antwort: „Wenn Sie die Terroristen unterstützen, gelten sie als deren Komplize. Auf Wiedersehen!“
Da Pater Lucho seine Pastoraltätigkeit immer mehr einschränken musste, breiteten sich die Sekten aus. Er sagte dazu: „Ihre Prediger konnten sich frei bewegen, da sie nie über Drogen und Gewalttaten sprachen. In meinem Missionsleben hatte ich nie ein solches Scheitern erlebt. Tocache war eine lebendige Gemeinde, als ich sie übernahm. Jetzt ist sie unkenntlich geworden“. Drogenterrorimus, Korruption und Narkodollars haben das Volk moralisch ruiniert. In einem Zeitungsbericht konnte man damals Folgendes lesen: „Tocache hat heute 350 Gaststätten, von denen die meisten Bordelle sind“. Während eines Gesprächs mit dem Nachbarpfarrer von Uchiza sagte Pater Lucho: „Uns sind die Pfarreien von Sodom und Gomorra anvertraut“. Gleichzeitig aber lobte er die Großzügigkeit seiner Pfarrkinder, deren Missionskollekte jene von anderen Pfarreien Perus weit übertraf. Wegen Erschöpfung und Denguefieber musste Pater Starker den Urwald verlassen und an die Küste ziehen.
Unter den Afroamerikanern von Chincha
Im November 1992 begann für Pater Lucho ein neuer Lebensabschnitt. Der Bischof von Ica hatte um einen Missionar für die Pfarrei El Carmen (Provinz Chincha, 200 km südlich von Lima) gebeten. Pater Lucho erklärte sich bereit, die Pfarrei zu übernehmen. Fünfzig Prozent der Bevölkerung von El Carmen sind Nachkommen von afrikanischen Sklaven. Trotz seines etwas rauen Charakters erwarb sich Pater Lucho sehr schnell die Freundschaft und Zuneigung der Leute.
Der Bürgermeisters von El Carmen bezeugte: „Pater Lucho erwarb sich die Achtung der Jugend, die Liebe der Alten und das Wohlwollen der Kinder. Er war immer unterwegs, sehr dynamisch und stets beschäftigt, war immer bereit zu helfen und zuzuhören. Er schien im Wettstreit mit der Zeit zu liegen. Er beschäftigte sich mit den Problemen der Kirche und der Bevölkerung“. Der Bischof von Ica betonte: „Obwohl Pater Lucho nur kurze Zeit hier wirkte, hat er tiefe und ermutigende Zeichen der Liebe und der missionarischen Tätigkeit hinterlassen. Mit seinem Wirken und seinem priesterlichen Dienst schien er der Zeit zuvorkommen zu wollen, die ihm davonlief.“ Die Bevölkerung von El Carmen hat ihn sehr geschätzt. Viele Pfarrkinder sind nach Lima gefahren, um im Provinzialat der Comboni-Missionare an der Totenvigil für Pater Lucho teilzunehmen.
Die Mühen in klimatisch schwierigen Orten und das zunehmende Alter haben an seinen Kräften gezehrt und seine Gesundheit geschwächt. Er wurde ins Krankenhaus von Chincha eingeliefert und von dort in die Tezza-Klinik von Lima gebracht (Pater Luis Tezza war Kamillianer und ausersehen, als Mitarbeiter von Comboni in den Sudan zu gehen). Acht Tage später ist Pater Lucho an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Unter seinen persönlichen Sachen fand man zwei eingravierte biblische Texte: Das Gleichnis vom Sämann und die Worte Jesu: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten… ihr seid mehr wert als viele Spatzen“.
R.I.P.
Pater Herbert Gimp