Papst Franziskus: 19. November 2017: Welttag der Armen. Zum Abschluss des „Jahres der Barmherzigkeit“ führt Papst Franziskus einen „Welttag der Armen“ ein. Er soll den anderen Weltgebetstagen hinzugefügt werden und an die besondere Vorliebe Jesu für die Armen erinnern. Der Wegwerfkultur und der Kultur des Überflusses soll er eine Kultur der Begegnung entgegenstellen. Dieses Jahr fällt der Tag auf den 19. November. Mehr dazu ….

 

Liebt nicht mit Worten sondern in Taten

  1. „Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (1 Joh 3,18). Diesen Worten des Apostels Johannes kann sich kein Christ entziehen. Die Art und Weise, wie der Sohn Gottes geliebt hat, ist bekannt: Gott hat uns zuerst geliebt (vgl. 1 Joh 4,10.19); und er hat uns so geliebt, dass er sein Leben für uns hingegeben hat (vgl. 1 Joh 3,16). Eine solche Liebe kann nicht ohne Antwort bleiben. Auch wenn sie bedingungslos geschenkt wird, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, entzündet sie doch die Menschen dazu, diese Liebe zu erwidern
  2. „Da rief ein Armer und der Herr erhörte ihn“ (Ps 34,7). Die ersten Seiten der Apostelgeschichte geben Zeugnis davon, wenn Petrus aufruft, sieben Männer auszuwählen, um ihnen den Dienst an den Armen zu übertragen. Sie begriffen, dass das Leben der Jünger Jesu der Lehre des Meisters entsprechen musste, der die Armen selig und zu Erben des Himmelreiches erklärt hatte (vgl. Mt 5,3).
    „Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (Apg 2,45). Hier wird die aufrichtige Sorge der ersten Christen deutlich. Der Evangelist Lukas ermutigt zum Einsatz für die Bedürftigsten. Das Gleiche lehrt uns der Apostel Jakobus: „Hört, meine geliebten Brüder und Schwestern! Hat nicht Gott die Armen in der Welt zu Erben des Reiches erwählt, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?
  1. Allerdings gab es auch Momente, in denen sich die Christen von einer weltlichen Denkweise anstecken ließen. Aber der Heilige Geist hat immer daran erinnert, den Blick auf das Wesentliche zu richten. Er hat immer wieder Männer und Frauen erweckt, die ihr Leben für den Dienst an den Armen eingesetzt haben.
    Unter ihnen sticht der Heilige Franz von Assisi hervor, dem durch die Jahrhunderte zahllose andere Männer und Frauen gefolgt sind. Er gab sich nicht damit zufrieden, den Aussätzigen Almosen zu geben, er ging nach Gubbio und lebte mit ihnen. Er selbst sieht in dieser Begegnung sein großes Bekehrungserlebnis.
    Denken wir also an die Armen nicht nur als Empfänger eines wohltätigen Dienstes. Das ist zwar wertvoll und hilft, auf die Bedürfnisse unserer Schwestern und Brüder sowie auch auf die Ungerechtigkeiten, die oft zur Armut führen, zu achten. Letztendlich sollten sie uns jedoch zu einer wirklichen Begegnung mit den Armen führen und einer Haltung des Teilens Raum geben, die zum Lebensstil werden soll. Daraus kommen Freude und Seelenfrieden.
    Der Leib Christi, der in der Eucharistie gebrochen wird, begegnet uns in den Personen der schwächsten Brüder und Schwestern. Zeitlos gültig sind die Worte des Johannes Chrysostomos: „Willst du den Leib Christi ehren? Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist. Ehre den Herrn nicht im Haus der Kirche mit seidenen Gewändern, während du ihn draußen vernachlässigst, wo er unter Kälte und Blöße leidet“.
    Wir sind also gerufen, den Armen die Hand zu reichen, ihnen zu begegnen, ihnen in die Augen zu schauen, sie zu umarmen, sie die Wärme der Liebe spüren zu lassen, die den Teufelskreis der Einsamkeit zerbricht. Die Hand, die sie ihrerseits uns entgegenstrecken, ist eine Einladung, aus unserer Sicherheit und Bequemlichkeit auszubrechen.
  1. Vergessen wir nicht, dass für die Jünger Christi die Armut vor allem darin besteht, dem armen Christus nachzufolgen. Wahre Armut bedeutet, ein demütiges Herz zu haben, das als Geschöpf um die eigene Begrenztheit weiß. Die Armut ist eine Herzenshaltung. Sie verhindert, dass wir Geld, Karriere und Luxus als Lebensziel und Grundvoraussetzungen des Glücks betrachten.
  2. Es ist schwierig, die Armut klar zu identifizieren. Und doch schaut sie uns tagtäglich mit tausenden Gesichtern an, die gezeichnet sind von Schmerz, Ausgrenzung, Missbrauch, Gewalt, Folter, Gefängnis, von Krieg, vom Entzug von Freiheit und Würde, von fehlenden Bildungschancen und Arbeitslosigkeit, von Menschenhandel und erzwungener Migration. Die Armut hat das Gesicht von Frauen, Männern und Kindern, die aus niederträchtigen Interessen ausgebeutet werden, niedergetrampelt von der perversen Logik der Macht und des Geldes.
    Wenn heutzutage immer mehr ein unverschämter Reichtum zutage tritt, der sich in den Händen weniger Privilegierter ansammelt und der nicht selten mit Illegalität und Ausbeutung der menschlichen Würde einhergeht, ist es unmöglich, untätig zu bleiben. Auf eine Armut, die den Unternehmungsgeist so vieler Jugendlicher auslöscht und verhindert, dass sie Arbeit finden; auf eine Armut, die die gemeinschaftlichen Brunnen vergiftet und das Verdienst derjenigen schmälert, die arbeiten und produzieren; – auf all das gilt es mit einer neuen Sicht des Lebens  zu antworten.
    Gepriesen sind die Hände, die sich den Armen entgegenstrecken. Es sind Hände, die Hoffnung bringen. Gepriesen die Hände, die Schranken der Kultur, der Religion und der Nationalität überwinden. Gepriesen die Hände, die sich öffnen ohne eine Gegenleistung zu erwarten!
  1. Zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit möchte ich der Kirche den Welttag der Armen schenken. Ich möchte, dass dieser Welttag der Liste der anderen hinzugefügt wird, die zu einer Tradition in unseren Gemeinden geworden sind. Er vervollständigt das Gesamtbild, indem er ein Element hinzufügt: die besondere Vorliebe Jesu für die Armen.
    Ich lade die Kirche ein, an diesem Tag ihren Blick auf die zu richten, die mit ausgestreckter Hand um Hilfe bitten und auf unsere Solidarität hoffen. Es sind unsere Schwestern und Brüder , geschaffen und geliebt vom Vater im Himmel. Dieser Welttag will anspornen der Wegwerfkultur und der Kultur des Überflusses eine Kultur der Begegnung entgegenzustellen. Gott hat den Himmel und die Erde für alle geschaffen.
  1. Der Welttag der Armen fällt dieses Jahr auf den 19. November. Ich wünsche, dass die christlichen Gemeinden in der vorausgehenden Woche Gelegenheiten zur Begegnung und zur Freundschaft, zur Solidarität und zur konkreten Hilfe schaffen. Sie können die Armen an diesem Sonntag zur Eucharistiefeier einladen. So wird die Feier des darauffolgenden Christkönigssonntags noch authentischer.
    Wenn in unserer Nachbarschaft Arme leben, gehen wir an diesem Sonntag auf sie zu: Laden wir sie an unseren Tisch. Sie können uns helfen, unseren Glauben konsequenter zu leben. Mit ihrer Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, zeigen sie uns auf nüchterne, aber oft frohe Weise, wie wichtig es ist, aus dem Wesentlichen zu leben und sich ganz der Vorsehung Gottes zu überlassen.
  1. Grundlage der vielen Initiativen zu diesem Welttag soll das Gebet sein. Das Vaterunser ist das Gebet der Armen. Die Bitte um das Brot bringt das Vertrauen auf Gott in den Grundbedürfnissen unseres Lebens zum Ausdruck. Als die Jünger Jesus baten, er möge sie beten lehren, hat er ihnen mit den Worten der Armen geantwortet, die sich an den einen Vater richten, vor dem alle sich als Geschwister erkennen. Das Vaterunser ist ein Gebet im Plural: Das Brot, um das wir bitten, ist „unser“ Brot und dies bringt Teilen, Teilhabe und gemeinsame Verantwortung mit sich.
  2. Ich bitte vor allem die Schwestern und Brüder im Kirchlichen Dienst, deren besondere Berufung es ist, den Armen beizustehen, sich dafür einzusetzen, damit dieser Welttag der Armen eine Tradition wird.
    Dieser neue Welttag möge ein Aufruf an unser Gewissen werden, damit wir erfahren, dass das Teilen mit den Armen uns möglich macht, das Evangelium in seiner tiefsten Wahrheit zu verstehen. Die Armen sind kein Problem. Sie sind vielmehr eine Ressource, aus der wir schöpfen können, um das Wesen des Evangeliums in uns aufzunehmen und zu leben.

Aus dem Vatikan, am 13. Juni 2017,
am Gedenktag des heiligen Antonius von Padua

FRANZISKUS

Botschaft von Papst Franziskus zum 33. Sonntag im Jahreskreis, 19. November 2017
(Zusammengefasst von P. Reinhold  Baumann)