Bruder Marco Antonio Faria, Jahrgang 1984, ein brasilianischer Comboni-Missionsbruder, berichtet von seiner Berufung und der Mission, die er unter den Nuer im Südsudan ausübt.
Früher hatte ich einige Ziele im Leben, und ich dachte, wenn ich sie erreichen würde, wäre ich ein glücklicher Mensch. Mit 18 Jahren begann ich ein Maschinenbaustudium an der Universität, das ich mit 23 Jahren abschloss, und begann sofort in einem großen Unternehmen zu arbeiten, wo ich gut verdiente. Mit meinen Freunden ging ich oft auf Partys, und ich trieb viel Sport.
Irgendwann in meinem Leben begann ich, intensiver über den Sinn des Lebens nachzudenken. Ich stellte mir viele Fragen über meine Person, über mein Glück. Die Antwort war immer: die Liebe, die man geben kann. Also versuchte ich zu verstehen, wie man dieses größte Gefühl des Menschen besser ausleben kann. Zunächst schloss ich mich einer Jugendgruppe an und begann, den Bedürftigsten zu helfen; dann wurde ich Seminarist in meiner Diözese und schließlich Missionsbruder der Comboni, um nach den Worten des heiligen Daniel Comboni zu den „Ärmsten und Verlassensten des Universums“, konkret zu den Menschen in Afrika, gesandt zu werden.
Nach Abschluss der Grundausbildung bei den Comboni-Missionaren in Mexiko und Kolumbien wurde ich 2020 in die Mission im Südsudan entsandt, wo ich unter den Nuer arbeiten sollte, einer nilotischen Volksgruppe, die in der Region Upper Great Nile lebt. Die Nuer sind Halbnomaden und leben in überschwemmten Gebieten, in denen es keine Straßen, kein Telefonnetz und kein Internet gibt. Diese Region kann nur über den Nil oder mit dem Hubschrauber erreicht werden. In Nyal, wo sich unsere Gemeinschaft niedergelassen hat, ist das einzige praktikable Transportmittel das Kanu aus Palmholz.
In dieser Kultur ist es den Männern erlaubt, mehrere Ehefrauen zu haben. Die Anzahl der Ehefrauen ist ein Indikator für den materiellen Wohlstand des Mannes, da die Ehe mit der Zahlung einer Mitgift an den Vater der Braut geschlossen wird. Der Wert der Mitgift schwankt im Allgemeinen zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Kühen, wobei Faktoren wie die Größe der Braut, ihre Gesundheit, ihre Kochkünste und ihr Bildungsniveau berücksichtigt werden. Die Mitgift kann mehr als fünfzig Kühe betragen, wenn die Braut die Sekundarschule abgeschlossen hat, was sehr selten ist, da die Rechte der Frauen in dieser Gesellschaft fast nicht vorhanden sind.
Das Bildungswesen ist so dürftig, dass es fast keine qualifizierten Lehrer gibt. Die besser Qualifizierten suchen sich andere Jobs, meist bei Nichtregierungsorganisationen, weil sie dort ein viel höheres Gehalt bekommen. In diesem Gebiet existieren keine Krankenhäuser. Es gibt nur kleine Gesundheitszentren, in denen die Patienten oft von Freiwilligen mit geringer oder ohne Berufsausbildung betreut werden. Die Leute, die sich Ärzte nennen, haben oft nicht einmal die Sekundarschule abgeschlossen. Die Sterblichkeitsrate ist aufgrund des Mangels an Ausrüstung, qualifizierter medizinischer Versorgung und Medikamenten sehr hoch. Inmitten so vieler Schwierigkeiten ist unsere missionarische Präsenz unerlässlich, um diesen Menschen eine Art von Ermutigung zu geben. Es ist schön und sehr erfreulich zu sehen, wie sie feiern, wenn wir sie in den weiter entfernten Dörfern besuchen. Bei jedem Besuch gibt es Hunderte von Taufen. An der Feier nimmt das ganze Dorf teil.
Diese Erfahrung lehrt mich eine Menge. Sie sagen: „Kuoth a thin!“, was so viel bedeutet wie „Gott ist immer da“. Ohne dieses Vertrauen in die Gegenwart Gottes wäre es fast unmöglich zu leben. Ich habe auch gelernt, zu verstehen und zu akzeptieren, was anders ist, und mehr Mitgefühl zu zeigen. Jetzt erkenne ich, dass viele Dinge, die ich früher für wesentlich hielt, es in Wirklichkeit nicht sind. Heute ist für mich das wirklich Wesentliche, sich seinen Mitmenschen gemäß den Lehren des Evangeliums zu widmen. Wie Antoine de Saint-Exupéry in seinem Werk „Der kleine Prinz“ sagt: „Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar“.