Liebe Verwandte, Freunde und Wohltäter,
hier in Karamoja, aber auch in Deutschland und vielen anderen Gegenden der Welt bestätigt bei Begegnungen ein Händedruck meinem Gegenüber, dass ich ihn/sie als Person wahrnehme und achte. In dieser Zeit der Pandemie wird nun ein altes Ritual zum Tabu; doch viel länger schon ist zu beobachten, dass diese Form der tieferen gegenseitigen Wahrnehmung in der Hektik und Betriebsamkeit unserer Tage – nicht nur zu Weihnachten – immer mehr verloren geht. Wir hetzen gestresst von einem Termin zum nächsten. Nachbarn, Kollegen und Mitmenschen nehmen wir auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen nur am Rande unseres Sichtfeldes wahr, grüßen sie kurz und eilen weiter. Doch wann haben wir uns das letzte Mal Zeit genommen, uns tiefer aufeinander einzulassen, unser Gegenüber wirklich in den Blick zu nehmen und ihm/ihr mit einem festen Händedruck dieses umfassende Wahrnehmen als Person zu bestätigen? Für mich war es immer selbstverständlich, Besuchern beim Abschied an der Tür die Hand zu reichen; diese Geste bedeutet, dass ich mich dem Gast noch einmal bewusst zuwende, mich für sein Kommen bedanke und Wünsche für die nächste Zeit ausspreche. Mit dem Händedruck gebe ich dem Nächsten bis zum Wiedersehen Gottes Segen mit auf den Weg – ein Ritual, das nun fehlt.
Corona hat unser Zusammenleben einschneidend verändert. Den meisten Menschen ist inzwischen bewusst, dass der Ausnahmezustand wohl noch länger anhalten und die Pandemie große Opfer kosten wird – Menschenleben, Gesundheit, Wirtschaft, Finanzen, Sicherheit… In dieser Krise gibt es keinen vorgezeichneten Weg, und bei der Suche nach Lösungen wurden und werden auch Fehler gemacht. Alle vermissen Normalität, Nähe und unbeschwerte Freude. Die Aussicht auf „einsame“ Weihnachten macht Angst… das geht ans Eingemachte, wo schon Ostern der ganzen freudigen Rituale beraubt war. Und wenn uns nun angesichts hoher Infektionszahlen das Feiern von Gottesdiensten in großer Gemeinschaft weiter auf unbestimmte Zeit verwehrt bleiben wird, dann spüren wir umso mehr, wie sehr wir doch das gemeinsame Beten und Suchen, Singen und Freuen brauchen. Die neue Unsicherheit setzt uns allen zu – kaum etwas ist planbar, und so müssen wir unser Herz in Zaum halten, damit es sich nicht zu sehr an den eigenen Wünschen festmacht und in seiner Vorfreude enttäuscht wird. Manchmal scheint es, als wäre aus unserem Leben die Buntheit verschwunden – wie bei der Sonnenfinsternis vor ein paar Jahren, als der Mond die Sonne verdunkelte und man in einem bleiernen Dämmergrau zwar noch alles sehen konnte, die Farben aber fehlten. Umso notwendiger ist es in diesen Zeiten, dass wir uns auf Weihnachten zu neu an Gott fest machen, der unserem Leben Farbe, Licht und Tiefe schenkt!
Die meisten von Euch haben ja zu Pfingsten einen Rundbrief von mir erhalten, so dass ich meinen kurzen Bericht ab Juli beginne. Da hatten wir hier in Matany ein einmaliges Ereignis, nämlich die Diakon-Weihe von drei Comboni-Missionaren – darunter auch Isaac, der bei uns seinen pastoralen Einsatz macht. Es war trotz der Corona-Einschränkungen ein wunderschönes Fest.
Im August haben wir mit den Renovierungsarbeiten auf der Inneren Abteilung begonnen und später dann auch auf der chirurgischen Station. Beide Stationen haben eine Kapazität von 41 Betten. Nach einem Pandemie-bedingten Rückgang der Patientenzahlen im April und Mai sind diese im Juni wieder angestiegen; seitdem ist das Krankenhaus meist überbelegt.
Weil mit der Pandemie viel zusätzliche Arbeit auf uns zukam und auch hier ein Versammlungsverbot galt, war es uns leider nicht möglich, unsere Vorbereitungen zur Feier des 50-jährigen Bestehens des St. Kizito Hospitals fortzusetzen. Da außerdem aufgrund der Beschränkungen völlig unklar war, ob wir – was uns sehr wichtig ist – unser Fest mit den Menschen in Matany würden feiern können, haben wir beschlossen, es auf die Zeit nach Ostern zu verschieben. Dennoch haben wir mit der Neugestaltung des Eingangsbereiches der Klinik begonnen, und es freut mich sehr, Euch mitteilen zu können, dass diese Baumaßnahme in Kürze abgeschlossen sein wird.
Ende August gab es wieder Nachwuchs bei unseren Milchziegen. Vier Muttertiere haben jeweils Zwillinge zur Welt gebracht – jetzt können wir wieder mehr Ziegenmilch an die Unterernährten-Station liefern. Im September konnten wir unsere Krankenpflege- und Hebammenschule nach fast sechs Monaten Corona-Schließung wieder öffnen, allerdings nur für die Abschluss-Klassen. Von den 80 zurückgekehrten SchülerInnen wurden 13 Covid-19-positiv getestet, also 16,25%. Gott sei Dank verlief die Infektion bei allen asymptomatisch. Am 30. November begannen dann die Prüfungen.
Auch aus den Reihen der Comboni-Missionare in Uganda waren einige mit Corona infiziert. Alle drei Mitbrüder aus Opit bei Gulu, darunter auch unser 85-jähriger P. Josef Gerner, haben die Infektion überlebt, und es geht ihnen wieder gut. Allerdings sind drei andere Mitbrüder kürzlich der Krankheit erlegen – darunter Br. Elio Croce, der 35 Jahre lang im Lacor Hospital die Technische Abteilung leitete und auch ein Waisenheim betreute. Er wurde von vielen geliebt und war ein technisches Genie – bei Problemen mit unseren Röntgengeräten hat er auch uns immer zuverlässig geholfen. Viele Menschen trauern um diese Mitbrüder, und sicher trauern auch einige von Euch um nahe Menschen, die der Pandemie zum Opfer gefallen sind. Mögen sie nun ruhen in Frieden.
Wegen der Pandemie verzeichnen wir einen Rückgang an Spenden, und auch staatliche Hilfen wurden gekürzt. Dennoch bauen wir auf Gottes Vorsehung, die immer neue Wege eröffnet. – Grund zur Freude war z.B. die Ankunft des Containers mit Hilfsgütern, der von Dr. Friedrich Ullrich und Johann Öfele schon vor Monaten auf den Weg gebracht wurde. Auch sind wir froh, dass Bruno, der Leiter unseres Bauhofs, nach seiner Schulter-OP in Deutschland und der Pandemie-bedingten langen Verzögerung seiner Heimreise endlich wieder bei uns in Matany ist. Zusammen mit ihm kam Ludwig Kurz, ein erfahrener Mechaniker, der hier einen Teil seines Sabbatjahres leisten will.
Derzeit ist in Uganda Wahlkampf. Es gab bereits Ausschreitungen mit Todesopfern. Wir können nur hoffen, dass die Mächtigen die Rechte der Schwachen und die Hoffnungen der Jungen respektieren werden. Jetzt im Advent warten wir voll Vertrauen und Hoffnung auf unseren Erlöser. Das Leben Jesu ist eingespannt zwischen seiner Geburt als hilfloses Kind in der Krippe und seinem nach menschlichem Maßstab hilflosen Tod am Kreuz. Die Liebe gerade zu den Schwachen und Kleinen ist einzige Richtschnur seiner Botschaft und seines Handelns. Christliche Nachfolge bedeutet demnach, diesen mensch-gewordenen Gott – den Mächtigen, der sich ganz klein gemacht hat – in unserem eigenen Verhalten den Ohnmächtigen und Entrechteten gegenüber erfahrbar zu machen. Wenn auch wir die Liebe zur Richtschnur unseres Handelns machen, dann wird die Welt nicht nur zu Weihnachten ein wenig wärmer, farbiger und heller. Dieses Hoffnungslicht wünscht Euch und uns allen
Bruder Günther Nährich