Mit einem Zitat aus dem Buch „Widerstand und Ergebung“ von Dietrich Bonhoeffer möchte ich meinen diesjährigen Pfingstbrief einleiten: „Nun feiern wir also auch Pfingsten noch getrennt, und es ist doch in besonderer Weise ein Fest der Gemeinschaft. Als die Glocken heute früh läuteten, hatte ich große Sehnsucht nach einem Gottesdienst, aber dann habe ich es gemacht wie Johannes auf Patmos (Offb 1,9 f) und für mich allein einen so schönen Gottesdienst gehalten, dass die Einsamkeit gar nicht zu spüren war, so sehr ward Ihr alle, alle dabei und auch die Gemeinden, in denen ich Pfingsten schon gefeiert habe.“
Nach den einschneidenden Erfahrungen der letzten Wochen werden wohl viele von uns sich in diesen Zeilen wiederfinden: einerseits spüren wir in der auferlegten Isolierung die tiefe Sehnsucht danach, einander nahe zu sein und miteinander Gottesdienst zu feiern; andererseits aber konnten wir die weltumspannende Kraft unseres Glaubens ja vielleicht gerade in den Momenten besonders wahrnehmen, in denen wir uns aus der Isolierung heraus ganz bewusst als Menschheitsfamilie im Gebet vereinten – wie z.B. am 14. Mai, als wir gemeinsam ein Ende der Pandemie erflehten. Solches Erleben – miteinander eins zu sein über alles Trennende hinweg – wird möglich durch das Wirken des Heiligen Geistes, dessen ansteckende und verbindende Kraft oft im Symbol des Feuers ausgedrückt wird. Diese Kraft brannte in den Jüngern, die das Evangelium „mit Feuer und Flamme“ in der Welt verbreiteten, und sie wirkt bis heute überall da, wo Menschen für ihren Glauben brennen. Wenn wir dieses verbindende Feuer zulassen, dann werden auch wir, wie Dietrich Bonhoeffer, die pfingstliche Erfahrung machen, nicht alleine zu sein – wo und wie auch immer wir dieses Fest der Gemeinschaft feiern.
Gerne möchte ich im Folgenden ein wenig erzählen, was sich seit Weihnachten hier in Matany ereignet hat.
Mitte Januar kamen Dr. Michael Köllinger und seine Frau Margareta zu ihrem zweiten Einsatz nach Matany. Es war ein freudiges Wiedersehen, und das gemeinsame Arbeiten vertiefte die Verbundenheit. Während Marga den Frauen im Hauptlager zur Hand ging, konnte Michael die Endoskopie-Einheit, die kurz zuvor aus Deutschland kam, in Betrieb nehmen.
Auch heuer haben wir am 11. Februar den Tag der Kranken gefeiert. Dem Gottesdienst im Freien, dem unser Bischof Damiano Guzzetti vorstand, folgte die Segnung der Kranken und des Krankenhauses. Der Nachmittag wurde wieder mit einem bunten Unterhaltungsprogramm im Innenhof der Kinderstation gestaltet. Ein Element dieses besonderen Tages war heuer der Auftakt zum Goldenen, also 50-jährigen Jubiläum des St. Kizito Hospitals. Viele, die eingeladen waren, brachten bereits erste Ideen für die Jubiläumsfeiern mit, deren Höhepunkt eine feierliche Messe am Samstag, den 9. Januar 2021 sein soll.
Wir wollen zur Feier des Goldenen Krankenhaus-Jubiläums und als bleibende Erinnerung an dieses Ereignis den Eingangsbereich des Krankenhauses neu gestalten und – falls wir ausreichend finanzielle Hilfe erhalten – evtl. auch eine Notfall- und Spezialabteilung aufbauen.
Auch in Uganda wurde in letzter Zeit alles in Bewegung gesetzt, um die Covid-19 Pandemie einzuschränken. Da gerät leicht eine Krankheit in Vergessenheit, die jährlich etwa 400.000 Menschen, vor allem Kindern, das Leben raubt. Malaria ist nach wie vor eine der Haupttodesursachen in Entwicklungsländern. Forscher versuchen seit Jahren, einen Impfstoff zu entwickeln, doch warten wir nach wie vor vergeblich darauf… Der erste Corona-Infizierte im Land war ein Geschäftsmann, der am 21. März – aus Dubai kommend – auf dem Flughafen in Entebbe landete. Schon vorher waren allerdings einige Vorsichtsmaßnahmen beschlossen worden, wie etwa ein Versammlungsverbot und die Schließung der Schulen und Universitäten. Seit 22. März gibt es auch bei uns keine Gemeinde-Sonntagsgottesdienste mehr.
Durch das Verbot für öffentlichen wie auch privaten Transport ging die Zahl unserer Patienten stark zurück – die derzeitige Bettenbelegung liegt bei 60%. So wurde erneut deutlich, dass zu uns viele Patienten von außerhalb unseres Einzugsgebietes kommen. Im Krankenhaus haben wir bereits Ende März damit begonnen, verschiedene Maßnahmen einzuführen, um eventuelle COVID-19-Erkrankte sofort zu erkennen. Allen, die in die Ambulanz kommen, wird Fieber gemessen, und sie müssen einen Fragebogen ausfüllen. Auch haben wir zur Verbesserung der Hygiene gleich im Eingangsbereich einfache Handwaschgelegenheiten geschaffen.
Zudem fand eine interne Fortbildung über COVID-19 statt. Wir sind also gerüstet, auch wenn wir über viel zu wenig Schutzausrüstung verfügen. Doch wir in Afrika können gut improvisieren – Schutzanzüge aus Baumwolle, wie sie auch im OP verwendet werden, können z.B. Einmal-Schutzanzüge ersetzen. Entscheidend ist, Hände und Gesicht gut zu schützen. Und bei all unserem Bemühen sind wir in Gottes Hand…
Durch den „Lockdown“ kommt es bei uns nun langsam zu Engpässen: Im Labor fehlen einige Reagenzien für Analysen, die derzeit im Land nicht erhältlich sind. Auch im Joint Medical Store gibt es immer mehr Artikel, die nicht verfügbar sind. Spenderblut ist ebenfalls knapp, da die Hauptspender, nämlich Schüler und Studenten, nicht in den Schulen oder Universitäten sind und somit fehlen.
Nach langem Warten konnten wir Anfang Mai unsere neue Waschmaschine installieren sowie auch neue AIB-Salzwasserbatterien, die Solarstrom für den Operationssaal speichern, in Betrieb nehmen. Somit sind wir wieder, auch bei Stromausfall, unabhängig vom gelieferten Strom. Unsere Betriebselektriker wurden für die Installation von Technikern vom Lacor Hospital unterstützt. Bei beiden Systemen gab es Neuheiten, und so war es gut, technische Hilfe aus Lacor zu bekommen.
Ende März begann bei uns die Regenzeit; seither gehen fast jeden zweiten Tag Gewitterregen nieder. Die Savanne ist nun wunderbar grün, und die Leute sind fleißig auf den Feldern. Wegen der relativ kräftigen und ausgiebigen Regenfälle sind allerdings oft die Seitenstraßen vorübergehend unpassierbar. Ein Fahrer blieb kürzlich sogar mit unserem Unimog-Sanitätswagen stecken und musste die Nacht draußen verbringen. Unser PHC-Team mit Dr. JB hat daraufhin die Dörfer der Gegend besucht und vereinbart, dass Patienten aus den entlegenen Orten zumindest bis zu Sammelpunkten gebracht werden müssen. Die Leute waren froh, dass wir sie nicht alleine lassen und zusammen nach Lösungen suchen. Es wurde versprochen, die schlechten Straßenabschnitte zu befestigen, sobald die Regenfälle nachgelassen haben. Ungeachtet dieser Probleme ist Regen hier in Karamoja höchst willkommen und bedeutet vor allem Leben und Wachstum – für dieses Jahr dürfen wir auf eine gute Ernte hoffen.
Freilich will ich es nicht versäumen Euch für all die wertvollen Spenden der letzten Monate zu danken. Eure Verbundenheit und tatkräftige Hilfe schätze ich sehr und bewirkt viel Gutes. Abschließend sende ich Euch frohe Pfingstgrüße aus Matany. Möge das Feuer des Heiligen Geistes uns zu einer weltumspannenden Gemeinschaft verbinden, in uns neue Hoffnung und Energie entfachen und unser Vertrauen auf eine bessere Zukunft stärken.
Bruder Günther Nährich