Als Sklavin musste die Sudanesin Josephine Bakhita Gewalt und Brutalität erleiden. Sie kam nach Italien und fand im Konvent der Canossianerinnen ihre Bestimmung. Am 17. Mai 1992 sprach Papst Johannes Paul Josephine Bakhita selig und erklärte den 8. Februar, ihren Todestag, zu ihrem Gedenktag. Am 1. Oktober 2000 wurde sie heiliggesprochen. Sie gilt als Schutzpatronin der katholischen Kirche im Sudan.
Die neunjährige Bakhita (um 1869-1947) wurde von Sklavenhändlern gefangen genommen, als sie auf den Feldern in der Nähe ihres Hauses im Sudan spielte. Sie war von ihren Eltern gewarnt worden, vorsichtig zu sein, da zuvor schon ihre ältere Schwester gefangen genommen und versklavt worden war.
Während der folgenden zehn Jahre ging die gefangene Bakhita durch die Hände von fünf verschiedenen Sklavenbesitzern. Bei der ersten Gefangennahme schwieg sie, als sie nach ihrem Namen gefragt wurde. Daraufhin nannte man sie Bakhita, was „die Glückliche“ bedeutet. Und sie hatte Glück. Sie und ein weiteres junges Mädchen entkamen diesen Sklavenhaltern. Sie liefen in den Wald und fanden Freiheit, bis ein Löwe sie in die Enge trieb. Die beiden kletterten auf einen Baum und hatten mehr Geduld als das Tier unten. Die neu gewonnene Freiheit der Mädchen war jedoch von kurzer Dauer. Ein anderer Sklavenhändler entdeckte die umherwandernden Mädchen und brachte seine Beute auf den Sklavenmarkt in El Obeid. Er beschloss jedoch, Bakhita als Dienstmädchen seiner Tochter zu behalten.
Die Situation war nicht allzu unangenehm, bis Bakhita eines Tages versehentlich eine wertvolle Vase zerbrach, die dem Sohn des Sklavenhalters gehörte. Wütend forderte der Sohn, dass der Vater Bakhita loswerden sollte. Ihr dritter Besitzer war ein türkischer Militäroffizier mit seiner Familie. Die Frauen des Hauses misshandelten Bakhita furchtbar, schlugen sie regelmäßig grundlos und tätowierten sie mit einer Nadel, um einer Modelaune nachzugeben. Glücklicherweise endete diese Situation, als der Besitzer die Sklaven in Khartum verkaufte, von wo aus er vorübergehend in die Türkei zurückkehrte.
Als Nächster erwarb der diplomatische Vizekonsul für Italien in Khartum den Teenager. Der Mann behandelte sie freundlich und versuchte, sie wieder mit ihren Eltern zusammenzubringen. Bakhita konnte sich jedoch nicht erinnern, wo ihre Eltern lebten. Als die Suche nach ihrer Herkunft ergebnislos blieb, brachte der Diplomat Bakhita in sein Haus in Genua. Eine Freundin der Familie, Signora Michieli, und ihre kleine Tochter Mimmina gewannen Bakhita lieb. Es wurde vereinbart, dass diese Familie die neue Besitzerin des Sklavenmädchens werden sollte, das inzwischen vierzehn Jahre alt war. Signora Michieli liebte Bakhita und behandelte sie gut. Da die wohlhabende Familie der Signora ein Hotel in der Nähe des Roten Meeres besaß, plante man, dass Bakhita mit der Familie reisen und schließlich als Kellnerin im Hotel arbeiten sollte. In der Zwischenzeit wurde das sudanesische Mädchen als Dienerin für die Tochter der Familie beschäftigt.
Mit zwanzig Jahren bereitete sich Bakhita darauf vor, das Haus in Genua zu verlassen, um in das Hotel am Roten Meer umzuziehen. Kurz vor ihrer Abreise schlug der Familienverwalter vor, dass man Bakhita im katholischen Glauben unterweisen und, wenn sie wollte, taufen lassen könnte. Bakhita und Mimmina ließen sich in Venedig im Canossianerinnen-Kloster der „Töchter der Nächstenliebe“ nieder. Vom ersten Moment an, als sie das Kloster betrat, fühlte sich Bakhita zu Hause. Sie liebte den Frieden und die Gebetsfülle des Klosters. Zehn Monate später tauchte Signora Michieli wieder vor der Tür des Klosters auf. Sanft, aber entschieden weigerte sich Bakhita zu gehen. Signora bestand darauf, dass Bakhita mitkommen müsse, da die Frau das junge Mädchen als Sklavin gekauft habe und Sklaven Eigentum ihrer Besitzer seien. Die Mutter Oberin erkannte die Sackgasse. Weil es um Kirchenrecht ging, rief sie den Kardinal-Patriarchen an, der, weil auch das Zivilrecht galt, den Statthalter des Königs einbezog. Diese beiden Beamten der Kirche und des Staates berieten über Bakhitas Zukunft. Als sie Bakhita baten, ihre Position dazulegen, antwortete sie: „Ich liebe die Signora sehr, und mich von Mimmina zu trennen, bricht mir das Herz. Aber ich werde diesen Ort nicht verlassen, weil ich nicht riskieren kann, Gott zu verlieren.“ Der Kardinal und der Statthalter kamen zu derselben Entscheidung: Da die Sklaverei in Italien fast hundert Jahre zuvor für illegal erklärt worden war, wurde ein fremder Sklave sofort und automatisch freigelassen, sobald er oder sie italienischen Boden betrat.
Innerhalb weniger Wochen nahm der Kardinal die zwanzigjährige Bakhita mit der Taufe in die katholische Kirche auf. Sie freute sich über Gottes Liebe zu ihr. Bakhita fühlte sich von Gott geliebt und berufen und äußerte den Wunsch, Nonne in der Ordensgemeinschaft der Schwestern zu werden. Die Mutter Oberin antwortete, dass Bakhita höchst willkommen sei. Am 8. Dezember 1896 legte sie die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ab. Sie verbrachte die nächsten fünfzig Jahre im Dienste Gottes und anderer in den Ordenshäusern der Töchter der Nächstenliebe von Canossa: in Venedig, als Pförtnerin am Katechumenats-Institut; bei Schio als Köchin und später als Pförtnerin in der Schule und im Waisenhaus für Mädchen; landauf und landab auf der italienischen Halbinsel als Spendensammlerin für die Auslandsmission. Sie erhielt den liebevollen Titel Madre Moretta, was „Schwarze Mutter“ bedeutet.
Die Heiligkeit von Bakhita war nichts Außergewöhnliches: sie war nicht auffällig, aber sie schimmerte ihr ganzes Leben lang durch. Es bestand aus sehr bodenständiger Weisheit. Sie hatte das richtige Wort für alle: für die Soldaten, die sie sehr deutlich dazu einlud, „[ihre Sünden] zu bekennen“ und für die Seminaristen, denen sie Heiligkeit empfahl. Den Frauen, die herumstanden und tratschten, riet sie: „Geht schnell nach Hause, um das Essen zuzubereiten, sonst werden eure Männer ungeduldig.“ Alle, ob groß oder klein, waren von ihr berührt. Wenn sie unterwegs war, um missionarische Berufungen zu fördern, wurde sie von einer Schwester begleitet, die die Gespräche führte. Alle fühlten sich jedoch zu Bakhita hingezogen, die es mit wenigen Worten schaffte, wenn sie auf dem Podium stand, die Herzen aller zu berühren: „Seid gut, liebt den Herrn, betet für diejenigen, die ihn noch nicht kennen!“ Dann machte sie das Zeichen des Kreuzes und ging schnell weg.
In der Kathedrale von El Obeid, Sudan, hängt ein Gemälde, auf dem Bakhita neben der Seligen Mutter Maria, der Königin von Afrika, zu sehen ist.
Vincent J. O’Malley