Mit eineinhalb Millionen Flüchtlingen, die Uganda aufgenommen hat, hat das Land im Jahr 2017 – gleichauf mit Pakistan – den zweiten Platz in der Rangliste der Länder mit der höchsten Flüchtlingszahl erreicht. Besser als die beiden ist nur die Türkei (3,5 Millionen). Vom 1. Januar 2018 bis heute haben Hunderttausende verzweifelter Menschen aus dem Südsudan, dem Kongo und Burundi in Uganda Zuflucht gesucht. Während derselben Zeitspanne haben, Italien eingeschlossen, 62.000 Migranten Europa erreicht, (davon 16. 000 Griechenland und 28.000 Spanien). Aber in Italien wurde gleichzeitig von imaginären Invasionen gesprochen (8.100 Ankünfte, 81% weniger als in der gleichen Zeitspanne von 2017) und man begann Vorkehrungen zu treffen, um die gesamte Europäische Union vor unwahrscheinlichen Verwüstungen zu schützen. Nach dem langen und überaus blutigen Stammeskrieg erlebt Uganda mit ungefähr 45 Millionen Einwohnern eine relative Stabilität und gilt als der Staat mit der größten Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. Im äußersten Nordwestzipfel des Landes, im Yumbe Distrikt, liegt Bidi Bidi, das größte Flüchtlingslager der Welt: 282.000 Vertriebene sind in Notunterkünften untergebracht, in einem Gebiet von 230 Quadratkilometern.

Wie leben diese Menschen? Welches sind ihre Bedürfnisse und Hoffnungen? Wir haben P. Tonino Pasolini diese Fragen gestellt, der seit Jahren Bidi Bidi besucht. Er ist Comboni-Missionar in der Diözese Arua (wo sich das Flüchtlingslager befindet), und leitet Radio Pacis.

„Meine Diözese hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als irgendeine andere in der Welt. Innerhalb von zweieinhalb Jahren sind über eine Million angekommen. Dadurch hat sich de Bevölkerungszahl, die bis 2014 1,4 Millionen Einwohner zählte, fast verdoppelt. In unserem Gebiet befindet sich das Camp Bidi Bidi, das einer Stadt gleicht. Zu Beginn hatte die UNHCR (UN Refugee Agency), die keinen solchen massiven Exodus erwartet hatte, jeder Familie fünfzig Quadratmeter Land zugewiesen. Seitdem aber bis zu 7000 Menschen pro Monat ankommen, ist die Fläche pro Familie reduziert worden, und das Lager hat sich übermäßig ausgedehnt.“

Pater Tonino, Sie besuchen regelmäßig das Lager, wie schauen die Lebensbedingungen aus?

„Glücklicherweise leistet UNHCR gute Arbeit und das Lagerleben ist gut organisiert. Natürlich gibt es viele Bedürfnisse. Am dringendsten ist Wasser. Wir leben in einer trockenen Gegend, müssen das Wasser aus dem Nil holen und dann in Tankwagen ins Camp transportieren. Die Verteilung an die etwa 300.000 Menschen ist natürlich nicht einfach. 82% der Lagerinsassen sind Frauen und Kinder. Deswegen ist der Schulunterricht eines der größten Probleme. Das Lager besteht seit zweieinhalb Jahren, anfangs gab es keine Möglichkeiten für Kinder. Vor einiger Zeit sind die ersten Schulen im Camp eröffnet worden. Wir hoffen, dass es von jetzt an besser wird. Eines aber ist klar, alle wollen wieder nach Hause gehen. Sie sind erschöpft durch jahrelange Kriege und Hungersnöte, die sie zwingen, sich von einem Ort zum anderen aufzumachen, obwohl sie ein Zuhause hätten.“

Wie hat die Bevölkerung auf diese imposante Ankunft von Flüchtlingen reagiert?

„Die Ugander zeigen einen hohen Grad an Gastfreundschaft. Das Land kann wirklich erhobenen Hauptes dastehen. Ich lebe bereits seit über fünfzig Jahren in diesem Land, fühle mich als Ugander und bin stolz auf meine Mitbürger. Wahrscheinlich erinnern sich hier alle an die schrecklichen Kriegsjahre, als die Ugander auf der Flucht waren und im Sudan oder im Kongo Aufnahme und Schutz suchten und fanden. Sie wissen also aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, willkommen oder nicht willkommen zu sein. Ich möchte Ihnen aber eines sagen: In Italien und Europa herrscht wegen einiger Tausend Flüchtlinge, die dort Zuflucht suchen, große Aufregung. Ich glaube, man sollte sich an Uganda ein Beispiel nehmen, das sich trotz der vielen eigenen Probleme öffnet und gastfreundlich ist.“

Wie reagieren Sie auf die sozialen und pastoralen Bedürfnisse der Flüchtlinge?

„Die überwältigende Mehrheit der Bidi Bidi-Flüchtlinge kommt aus dem Südsudan, es sind also Christen. Aber für uns Ordensleute, Priester, ist es sehr schwierig, das Lager zu erreichen, das in einem abgelegenen und ziemlich isolierten Gebiet liegt. Dem Bischof von Arua, Sabino Ocan Odoki, und uns allen liegen die Probleme der Flüchtlinge sehr am Herzen, einschließlich einer Handvoll von Missionaren, die im Südsudan gearbeitet haben und sich nun in der Diözese aufhalten. Wir versuchen unser Möglichstes zu tun, um das Lager zu besuchen. Nicht jeden Monat gelingt es uns, dort einen Gottesdienst zu feiern. Das Erfreuliche ist, dass sich die Gläubigen zu organisieren beginnen. Sie haben Katechisten gewählt, die als pastorale Koordinatoren im Lager arbeiten. Wir aber üben eine andere Art von Seelsorge aus, die genauso wirksam ist … .“

Welche?
„Ich bin für Radio Pacis verantwortlich, das sind drei Radiostationen, die 10 Millionen Menschen in Norduganda erreichen, und auch im Kongo und Südsudan empfangen werden können (wo der gleiche Dialekt oder ähnliche gesprochen werden). Auch in den Lagern werden die Sendungen viel und gerne gehört. In unseren Sendungen kommen auch Vertreter der Flüchtlinge, Leute vom Büro des Premierministers, der für die Lager verantwortlich ist, von UNHCR und der Caritas oder World Vision zu Wort. Wir sprechen reale Probleme an wie Wasser, Gesundheit, Saatgut für den Anbau, und geben den primären Bedürfnissen eine Stimme, um ein Klima der Harmonie und des konstruktiven Austauschs zu schaffen. Alle drei Stunden senden wir Programme, die ausschließlich über die Flüchtlingslager und die dort lebenden Menschen sprechen. Auf diese Weise helfen wir einerseits den Flüchtlingen, die von ihren Anliegen erzählen können, andererseits den ugandischen Bürgern, das Leid der Flüchtlinge zu verstehen und mit ihnen mitzufühlen. Ich bin jetzt auf der Suche nach Sponsoren, um eine vierte Radiostation aufzubauen, die nur fünf Kilometer vom Südsudan entfernt ist, und sich speziell mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen wird, und dank ihrer Reichweite bis zu 400 Kilometer im Innern des Südsudan gehört werden kann. Sie soll als Kommunikationskanal für die Südsudanesen auf beiden Seiten der Grenze dienen. Es braucht keine große Geldsumme, aber diese vierte Station erachten wir als ganz besonders wichtig, weil es die Versöhnung fördern und der Stimme der Flüchtlinge in der Welt Gehör verschaffen kann. Das Radio ist für uns ein wahres Friedensinstrument.“

Luca Attanasio, Arua

Übersetzt von P. Alois Eder aus dem Italienischen

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