geboren am 01.11.1911 in Taisten (BZ)/I
Zeitliche Gelübde: 31.05.1936
Ewige Gelübde: 24.05.1945
verstorben am 16.04.1990
beigesetzt in Ellwangen/D


In fast allen unseren Niederlassungen finden wir Werke unseres Mitbruders und Künstlers Bruder Johann Oberstaller. Er hat uns verlassen, aber seine Werke bleiben sichtbar unter uns. Sie sind von solchem Zauber, dass der Betrachter die sympathische und urwüchsige Persönlichkeit des Künstlers leicht aus dem Auge verlieren kann. Aber wer Bruder Oberstaller gekannt hat, weiß, dass sein ruhiges und liebenswürdiges Verhalten einen schwierigen menschlichen und künstlerischen Lebensweg verbirgt. Manchen Mitbrüdern hat er aus seinem Leben von nicht geringen Spannungen erzählt.

Schon in seiner Familie in Taisten/Pustertal/Südtirol, wo er am 1. November 1911 geboren wurde, erlebte er gelegentlich schwere Zeiten. Hans liebte sein Heimatdorf und seine Familie, auch als Erwachsener. Sein Künstlertalent zeigte sich bereits in seiner Jugend, wurde aber nicht ernstgenommen. Sein Vater plante bereits dessen Zukunft, so wie er auch die Zukunft des anderen Sohnes und der vier Töchter geplant hatte: nämlich eine Arbeit zu finden, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. Auch dem Hans blieb also keine andere Wahl. Man kann sagen, dass ihm sein Vater den Pinsel und das Schnitzmesser aus der Hand genommen hat. Nur ein ernsthafter Beruf könne ihn im Leben weiterbringen, meinte sein Vater. Er solle Schneider werden. 22 Jahre lang lebte er in seiner Familie. Dann aber verließ er das Zuhause, um Missionar zu werden.

1934 klopfte er an die Pforte des Missionshauses von Milland/Brixen. Dieses Haus sollte für fast vierzig Jahre seine Heimat und sein Arbeitsplatz werden. Am 20. Mai 1934 begann er in Milland das Noviziat und legte am 31. Mai 1936 die ersten und am 24. Mai 1942 die ewigen Gelübde ab. Auch in Milland wurden sein Einfühlungsvermögen und seine Fantasie, mit der er ausgestattet war, nicht sofort verstanden. Wie alle anderen Kandidaten musste auch er in der Schneiderei und in der Landwirtschaft mitarbeiten. Nur dem Drängen einiger Freunde ist es zu verdanken, dass er beim Bildhauer Mersa von Brixen in die Lehre gehen konnte und später beim Herrn Riss von Innsbruck, den er zeitlebens als seinen Meiser verehrte. Dieser hat den Kunstsinn und das zukünftige Schaffen des Bruders stark beeinflusst.

Die künstlerische Gestaltung des Altarraumes der Seminarkirche im Missionshaus in den 1950er Jahren hat schließlich die Mitbrüder und Vorgesetzten von seinen Talenten überzeugt. Viele Aufträge gingen nun ein. In seiner Freizeit übte er sich in den verschiedenen Zeichenarten wie Bleistiftzeichnung, Buntstiftzeichnung, Kohlezeichnung, Pastell- und Ölmalerei. Er vervollkommnete sich im Schnitzen und Modellieren. Seine Linoleumdrucke und Holzschnitzereien beeindruckten alle. Die meisten dieser Werke stammen aus den 1970er und 80er Jahren.

Wer die Grabstätte der Comboni-Missionare in der Nähe der alten Pfarrkirche von Milland besucht, wird bei der Betrachtung des Kreuzes an der Friedhofsmauer, ein Werk von Bruder Johann, zum Beten angeregt. Die „Schmerzensmutter“, der Apostel Johannes und der Soldat Longinus ziehen die Aufmerksamkeit der Besucher an. Der Künstler hat auf plastische Weise das erstaunte Bekenntnis des römischen Hauptmanns, dieses „Heiden“, unter dem Kreuz, ausgedrückt: „Wahrhaftig, der Sohn Gottes war dieser“. Es erinnert uns an die Gründung der Kirche und an die Völker, zu denen wir ausgesandt werden. Die Kirche ist aus dem durchbohrten Herzen geboren. Nach den Worten des Künstlers muss der Mann mit der Lanze uns Comboni-Missionare an die volle Hingabe Jesu erinnern, an das „Herz des guten Hirten“, das uns einlädt, ihm zu folgen und uns in der Liebe seines Herzens zu erneuern.

Todesfälle von Verwandten und Freunden veranlassten Bruder Johann, Grabmäler zu schaffen, manche sogar in Bronze. Auf dem Grabmal seiner Eltern finden wir die Darstellung der „Mutter mit dem Sohn“. Für mehrere Pfarrkirchen hat Bruder Oberstaller Kreuzwegstationen geschnitzt. In allen Häusern der Deutschsprachigen Provinz und in verschiedenen Kirchen finden wir Osterkerzenständer, die der Bruder angefertigt hat: es sind meist Jugendarbeiten, die er im Missionshaus Milland ausgeführt hat. Die Figuren stellen wichtige Momente der Erlösung dar: Symbole aus dem Alten Testament, Geheimnisse aus dem Leben Christi von der Krippe bis zur Auferstehung oder das Letzte Abendmahl.

1971 wurde „der Künstler“, wie Bruder Oberstaller von seinen Mitbrüdern allgemein genannt wurde, nach Mellatz (Deutschland) versetzt. Hier fühlte er sich wohler. Die Aufträge von Limone und von den neuen Niederlassungen in Palencia und Saldaña in Spanien bestätigten die wachsende Wertschätzung seines Schaffens. 1976 ließ er sich endgültig in Ellwangen nieder. Als man an die künstlerische Gestaltung des neuen Missionshauses Josefstal dachte, wurde Bruder Oberstaller damit beauftragt, auch weil ein bekannter Künstler aus München nicht die Zustimmung der Mitbrüder erhalten hatte.

Der Bruder nahm sowohl Kritik als auch gute Vorschläge dankbar an. Er hatte seine Arbeit in den Dienst des Menschen und unserer Kongregation gestellt, deshalb war er nicht eifersüchtig auf seine Werke. Mit Freude und Großzügigkeit verschenkte er an andere, was er für gelungen betrachtete. Es gibt unzählige bunte Bilder von Bergen, Kinderporträts, Muttergottesstatuen in Kupfer oder aus Baumrinde geschnitzt, die er großzügig verteilte. In vielen Kirchen und Wohnungen finden wir Werke von ihm, die von seiner Feinfühligkeit und seinen Fähigkeiten Zeugnis ablegen. In seiner Werkstatt herrschte immer große Unordnung. Das gleiche galt von seinem Zimmer, was einige Anekdoten bestätigen: z. B. bevor er nachts zu Bett ging, musste er erst die Dinge wegräumen, die er untertags aufs Bett gelegt hatte.

Bruder Johann betrachtete es als seine Lebensaufgabe, die großen Geheimnisse des christlichen Glaubens künstlerisch auszudrücken. Er verstand es, mit Materialen aller Art zu arbeiten: mit Holz, Bronze, Stuck und Farbe. Seine Werke zieren Kirchen und Kapellen nicht nur der Comboni-Missionare, sondern auch vieler Pfarreien und Friedhöfe. Er war ein begabter Künstler und ein Mitbruder, den Einfachheit und Brüderlichkeit kennzeichneten.

Sein Hauptwerk ist zweifellos das große Kruzifix über dem Altar der Kapelle in Josefstal: eine große Menge von erlösten und auferstandenen Menschen aus allen Kontinenten umringt das Kreuz und bewegt sich nach oben. Das ist die missionarische Botschaft schlechthin, die Bruder Johann mit seiner Kunst zu erzählen versucht hat. Er verschied am 16. April 1990 in Ellwangen und wurde im städtischen Friedhof beigesetzt.

R.I.P.

Pater Alfred Ziegler  / Pater Alois Eder