geboren am 13.01.1938 in Raase/CZ
Zeitliche Gelübde: 29.09.1959
Ewige Gelübde: 15.02.1964
Priesterweihe: 07.03.1965
verstorben am 21.05.1996
beigesetzt in Bamberg/D


Pater Leonhard Rossmanith war acht Jahre alt, als seine Familie aus ihrem Heimatort Raase im Sudentenland (Tschechien) vertrieben wurde. Mit vierzehn Millionen vertriebenen Deutschen hat die Familie Rossmanith 1946 das Los und die Folgen des Weltkrieges geteilt. In Grosslellenfeld bei Nürnberg fand die Familie eine neue Heimat. Da die Comboni-Missionare in jener Gegend bekannt waren, wurde Leonhard 1948 mit anderen Jugendlichen im Seminar von Ellwangen aufgenommen. Später übersiedelte die Familie nach Ebenhofen im Süden Bayerns. Einer seiner Brüder wurde Abgeordneter in Bonn.

Nach seinen eigenen Aussagen verliefen seine Studienjahre in Ellwangen eher problemlos. 1958 begann er in Bamberg das Noviziat und legte am 29. September 1959 in Mellatz die zeitlichen Gelübde ab. Dann begab er sich ins Scholastikat nach Bamberg und begann an der dortigen Theologischen Fakultät das Theologiestudium. Am 15. Februar 1964 weihte er sich durch die ewigen Gelübde Gott und dem Missionsdienst. Am 7. März 1965 wurde er zum Priester geweiht. Er sei einer von jenen gewesen, meinte Leonhard, der das tut, was andere von ihnen erwarten, der jedem Konflikt aus dem Wege geht, bis auch er schließlich schmerzlichen Entscheidungen nicht mehr ausweichen konnte.

Sechs Monate nach seiner Priesterweihe reiste er frohen Herzens nach Südafrika aus. Im Dezember 1965 schrieb er an seine Freunde: „Bei der ersten Begegnung fragen mich gewöhnlich die Leute: ‚Gefällt dir das Land?‘ Ich sage dann stets mit voller Überzeugung und nicht nur aus Höflichkeit: ‚Ja, es gefällt mir sehr.‘ Bald feiere ich das erste Mal Weihnachten im heißen afrikanischen Klima. Werde ich meine deutsche Weihnacht vermissen? Ich habe mich inzwischen in die afrikanischen Menschen und in ihre wunderbaren dreistimmigen Lieder verliebt, so dass sie mir alles ersetzen werden.“ Leonhard war musikalisch sehr begabt und spielte mehrere Instrumente.

1984 wurde er in die Deutschsprachige Provinz zurückgerufen, um in der Diözese Bamberg das Missionsamt zu übernehmen. Diese Versetzung nach neunzehn Jahren Missionseinsatz in Afrika ist ihm nicht leichtgefallen. Sechs Jahre lang hat er diese Arbeit gemacht. Anschließend war er von 1990 bis 1994 Hausoberer von Mellatz.

Dann wurde Pater Leonhard nach Neumarkt in der Oberpfalz versetzt, um in der Seelsorge zu arbeiten. Kaum hatte er jedoch im Oktober 1994 mit seiner neuen Arbeit begonnen, entdeckten die Ärzte einen Gehirntumor. Zwei Wochen später wurde er operiert. Der Tumor war bösartig, und Leonhard wurde darüber in Kenntnis gesetzt. Die Ärzte gaben ihm nur noch einige Monate Lebenszeit. Jedoch Ende 1995 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand erneut. Am 2. Februar 1996 wurde er wieder operiert, aber es trat keine Besserung mehr ein. Die letzten drei Monate bis zu seinem Tod am 21. Mai 1996 gestalteten sich zu einer langsamen Agonie.

Harmonie und Konflikte

Ein Beispiel kann seinen Charakter illustrieren. In Bamberg freundete er sich während des Golfkrieges mit einem Arzt aus dem Irak an. Leonhard fragte ihn, was er denn von diesem Krieg halte. Der Arzt gab ihm zur Antwort: „Endlich weisen die Amerikaner Saddam Hussein in die Schranken!“ Leonhard: „Aber Sie leiden sicher mit Ihrem Volk?“ Auf diese Frage hin öffnete ihm der Arzt sein Herz und offenbarte ihm seine Sorgen und seine Gefühle seinem Volk gegenüber und dass er mit niemandem darüber sprechen könne… Das war Leonhards Haltung den Mitmenschen gegenüber. Seine Transparenz, seine offene und spontane Haltung halfen den Leuten ihre Masken zu entfernen und sich zu öffnen. Auf diese Weise entstanden tiefe Freundschaften.

Jedoch diese Gabe, dieses Bedürfnis nach Freundschaft und menschlicher Nähe konnte auch zum Kreuz werden. Während des Noviziats und im Verlauf der Ausbildung zum Priestertum warnten uns die Vorgesetzten vor Partikularfreundschaften. Nicht ohne Grund! Die menschlichen Beziehungen legen Verpflichtungen und Grenzen auf, ein Priester muss für alle da sein. Das gilt auch für den Missionar. Er soll sich nirgends einnisten. Er muss sich als vorübergehend betrachten und immer bereit sein, den Ort und auch den Kontinent zu verlassen. Das schließt die Gefahr in sich, sich mit keinem Anliegen voll zu identifizieren und oberflächlich zu bleiben.

Der Abschied von Südafrika ist ihm sehr schwergefallen, aber er hat sich durchgerungen. Als ihm 1992 nahegelegt wurde, sich für einen zweiten Missionseinsatz in Südafrika bereit zu machen, kam es zum Konflikt. Im Oktober schrieb er an die Generalleitung: „Ich habe dem Provinzrat mitgeteilt, dass ich am 1. Januar 1994 bereit sein werde, nach Südafrika zurückzukehren. Ich habe einige Gesundheitsprobleme, will mich aber ganz dem Herrn anvertrauen“. Jedoch im Mai 1993 musste er an Pater General schreiben: „Ich danke Ihnen für Ihren persönlichen Brief und die brüderlichen Grüße. Ich habe Sie lange Zeit auf eine Antwort warten lassen, denn ich habe ein ganzes Jahr gebraucht, eine Entscheidung zu treffen und Ihnen mitzuteilen, dass ich vorläufig nicht nach Südafrika zurückkehren möchte. Ich bin ein Mensch, der bereit ist, alles für den Nächsten zu tun. Als Pater Filippi meine Rückkehr nach Südafrika mit mir besprochen hatte, war ich noch nicht so weit, ihm meine inneren Gefühle mitzuteilen. Ich habe den einfacheren Weg gewählt und die Zeit verstreichen lassen. Auch jetzt würde ich gerne der brave Junge sein, Ja sagen und lange Erklärungen vermeiden. Aber mein geistlicher Begleiter hat mich nach einer vierstündigen Unterredung und Bewertung meiner Lebenserfahrung ermutigt, konsequent zu sein, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben… Lieber David, ich möchte meine Lage nicht dramatisieren. Aber dieser Brief ist bis jetzt meine größte Herausforderung gewesen.“

Dieser Konflikt mit der Provinz- und Generalleitung hat ihn sehr beunruhigt. Deswegen war er für jedes freundliche Zeichen dankbar. An Pater Manuel Casillas schrieb er: „Der Herr segne Dich für die freundschaftlichen Worte, die Du mir geschenkt hast. Sie haben mir mehr geholfen als irgendwelche Medizin!“ Er fügte einige Worte für den Generaloberen hinzu: „Herzlichen Dank für die Grüße von Bischof Mogale Paul Nkhumishe von Witbank, Südafrika. Wir beten für ihn und seine Diözese. Der Herr segne Sie und die Kuriengemeinschaft! Ich hoffe, dass ich am Tag der Heiligsprechung, am 17. März, noch am Leben bin.“

Als Pater Leonhard erkrankte, bot sich eine befreundete Familie aus Bamberg an, ihn während der Krankheit in ihr Haus aufzunehmen und ihn zu pflegen. Diese Familie, die nicht weit von unserem Haus entfernt wohnt, ist mit den Comboni-Missionaren und mit der Familie Rossmanith seit vielen Jahren befreundet. Pater Leonhard drängte den Provinzoberen, seine Zustimmung zu diesem Angebot zu geben. Nach langem Zögern gab der Provinzial Pater Gerner seine Erlaubnis. Mit großer Liebe und Hingabe hat die Familie den kranken Mitbruder während der letzten Lebensmonate gepflegt und umsorgt. Pater Leonhard hätte nicht besser betreut werden können.

Glaube und Spiritualität

Am Vorabend seiner ersten Operation schrieb er ein geistliches Testament: „Das Reich Gottes …. befindet sich dort, wo die Menschen entschlossen und konsequent mit den anderen leben, wo sie sich für die anderen einsetzen, wo sie trotz der Erfahrung von Leid die Hoffnung nicht aufgeben. Ich danke Gott dafür, denn auf diese Weise hat er mir den tiefen Beweggrund meines Lebens zu verstehen gegeben und mich Glück erfahren lassen. Diese Worte werden mich auf meinem Lebensweg begleiten und mir als Arznei für die vielen Leiden der Vergangenheit diesen. Danke, Jesus! Du bist das Reich Gottes in Person. Aufgenommen in das Reich Gottes: Leonhard Rossmanith!“

Pater Leonhard war Priester aus Überzeugung. Er hat jeden Tag – solange er konnte – in seinem Zimmer die heilige Messe gefeiert und zusammen mit Freunden oder Mitbrüdern das Stundengebet gebetet. Eine bedeutungsvolle Einzelheit: als ich ihm die Krankenkommunion spendete, habe ich die Innenfläche seiner Hände, wie es eben üblich ist, gesalbt. Nach der Handlung hat er mich darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Spendung der Krankensalbung an einen Priester der Handrücken gesalbt wird, denn die Innenseite sei bereits bei der Priesterweihe gesalbt worden. Mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Mach dir deswegen keine Sorgen. Es ist auch so richtig.“ Er lebte sein Priestertum sehr bewusst und gab auf Einzelheiten Acht, aber gleichzeitig fühlte er sich auch frei.

Mit den Besuchern sprach er gerne über den Glauben. „Ich danke Gott für jeden Tag, den er mir schenkt, für jede Stufe, die ich hinaufsteigen darf.“ Er liebte den Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte… sollte ich auch wandern in finsterer Schlucht… du bist bei mir“; und Psalm 139: „Herr, du kennst mich…“. Er bereitete selbst die Texte für seinen Begräbnisgottesdienst vor, wählte die Lieder und die Lesungen aus: 115. 43,1-3 „Fürchte dich nicht, ich habe dich gerettet, habe dich beim Namen genannt, du bist mein“ und Joh 14, 1-3 „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen“. Zu seinen Freunden sagte er: „Wer wird wohl der erste sein: du könntest draußen auf der Straße sterben. Wer immer der erste sein wird, der bereite den Platz für den anderen vor“.

Der Gedanke, dass er bald seine Eltern sehen wird, erfüllte ihn mit Freude. Oft sagte er, dass er es als eine Gnade betrachte, sich auf die Begegnung mit dem Vater vorbereiten zu können. Er verfolgte mit Interesse die Vorbereitungen für die Seligsprechung von Daniel Comboni und hegte die Hoffnung, Gott möge durch dessen Fürsprache noch ein Wunder wirken, und ihm die Gesundheit schenken. Daher bat er den Arzt, die zweite Operation womöglich am 17. März vorzunehmen. Das war aber nicht möglich. Er musste anfangs Februar operiert werden. Dann möge es am 2. Februar sein, bat er noch. Auf die Frage des Arztes, ob er aus religiösen Gründen um diesen Termin bitte, antwortete Leonhard: JA!

Pater Leonhard verschied in Bamberg am 21. Mai 1996 und wurde im städtischen Friedhof neben seinen dort begrabenen Mitbrüdern beigesetzt.

R.I.P.

Pater Reinhold Baumann