Die jüngste afrikanische Nation wird von einem Bürgerkrieg zerrissen, der bereits dreihunderttausend Tote und zwei Millionen Flüchtlinge gefordert hat. Die Missionare sind mit den Menschen Zeugen schrecklicher Gräueltaten. „Heute“, erklärt Pater Daniele Moschetti, „erlebt das Herz Afrikas eine humanitäre Katastrophe von beängstigendem Ausmaß. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf diese vergessene Krise richten.“

Die Flugzeuge des Welternährungsprogramms fliegen über vom Krieg isolierte Dörfer hinweg, um Hilfe vom Himmel fallen zu lassen. Hunderte von Zivilisten, hungrig und erschöpft, eilen herbei, um die Pakete abzufangen. Aber die Erleichterung ist von kurzer Dauer: Sie endet mit dem düsteren Lärm der Militärhubschrauber auf Patrouille. Dann stürzt sich jeder in Deckung. Kugeln können die Strohdächer der Hütten treffen. „Das Leben der Menschen hängt an einem seidenen Faden“, kommentiert Comboni-Pater Daniele Moschetti, der nach sieben Jahren in diesem gequälten Land gerade Italien besucht, um sein Buch über den Südsudan vorzustellen: Der lang leidvolle Weg zu Frieden, Gerechtigkeit und Würde „Ich habe es geschrieben, um den Schrei des Leids eines stimmlosen Volkes auszusenden.“

Eine zerbrochene Hoffnung

„Die europäischen Diplomaten sind aus Juba geflohen, ebenso die Reporter, die bis vor wenigen Jahren die Geschichte der jüngsten Nation der Welt erzählt haben. Das „Land der Hoffnung“ – geboren im Juli 2011 nach fünfzig Jahren blutiger Konflikte und einem Referendum, das seine Abspaltung vom Sudan legitimiert – ist zur Hölle geworden. „Wir sind Zeugen schrecklicher Gräueltaten. Tausende Frauen wurden vergewaltigt, Kinder werden kastriert und in ihren Hütten lebendig verbrannt. Es gibt keine Spur von Menschlichkeit mehr“, erzählt Pater Moschetti mit erschütterter Stimme, und er wird nicht leicht erschüttert. Bevor er in den Südsudan zog, verbrachte er elf Jahre in Kenia, Seite an Seite mit Pater Alex Zanotelli, und übernahm dann von ihm die Slumsiedlung Korogocho.

Die Unruhen begannen 24 Monate nach der Unabhängigkeitserklärung. Die Institutionen, die das Land von Grund auf aufbauen sollten, waren zu schwach, die herrschende Klasse, die nach vielen Kriegen regieren sollte, war unzureichend und gespalten. Die Situation verschärfte sich im Sommer 2013, als Präsident Salva Kiir, ein Dinka, seinen Vize Riek Machar, einen Nuer, unter dem Vorwurf absetzte, sich gegen ihn verschworen zu haben. Die Soldaten, die ihren jeweiligen politischen Führern treu waren, stießen in einem Stammeskonflikt zusammen, der in kurzer Zeit zum Bürgerkrieg ausartete.

Im Januar 2015 unterzeichneten die Regierung und die Rebellen nach zweiwöchigen Verhandlungen einen Waffenstillstand. Aber er war nicht von Dauer. Im Juli 2016 kam es in der Hauptstadt Juba und in den umliegenden Gebieten zu einer neuen Welle der Gewalt, die Zehntausende von Menschen zur Flucht zwang. Eine Dürre erschwerte die humanitäre Krise, und Hunderte von Menschen starben.

Dem Abgrund entgegen

Der Rest sind tägliche Nachrichten. „Der Konflikt hat sich verfestigt“, erklärt Pater Daniele Moschetti. Jede Familie hat ihre eigenen Toten, Menschen sind auf der Flucht oder auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Wer ist verantwortlich? Vor allem die politischen Führer, meist militärische Führer, die sich als unfähig erwiesen haben, für das Gemeinwohl zu arbeiten.“ Machtkämpfe haben die nationale Identität geschwächt und das fragile Gleichgewicht eines großen Territoriums seiner Infrastruktur beraubt, das von 64 ethnischen Gruppen bewohnt wird und durch äußere Einflussnahme destabilisiert ist. „Es liegt an den riesigen strategischen Ressourcen des Südsudans: Wasser, fruchtbarer Boden, Öl und wer weiß, wie viele strategische Mineralien.“

Überall gibt es bewaffnete Konflikte. In einer Spirale aus Gewalt und Racheakten, die das Land in den Abgrund führt, werden sowohl von Milizen der Rebellen als auch von der regulären Armee Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt. Nur die Anwesenheit der UN-Blauhelme verhindert das Schlimmste. Dennoch hören wir täglich Nachrichten von neuen Massakern. „Außer dem medizinischen Personal in den Flüchtlingslagern sind nur Priester und Schwestern der Pfarreien und Missionen geblieben, um den Menschen Hilfe und Trost zu bringen, obwohl sie in immer größerer Unsicherheit leben.“

Es wird wieder aufwärts gehen.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist christlich – katholisch und protestantisch -, der Rest bekennt sich zu traditionellen Religionen. Papst Franziskus und der anglikanische Erzbischof Justin Welby mussten den für Oktober geplanten ökumenischen Besuch absagen. Der Nationale Kirchenrat, eine Organisation, die sich aus den wichtigsten religiösen Gremien des Landes zusammensetzt und große Bedeutung bei den Verhandlungen über die Friedens- und Dialogverträge hat, hatte sehr auf diese Reise der beiden geistlichen Führer gezählt.

„Leider gab es nur minimale Sicherheitsvorkehrungen, oder sogar keine“, erklärt Pater Moschetti, „und vermutlich fehlte auch die Überzeugung und die Zustimmung innerhalb der Ortskirche. Aber der Papst hat mir gesagt, dass er 2018 den Südsudan besuchen möchte. Es wäre ein großer Segen für die Menschen. Katholiken und Anglikaner verehren den Heiligen Vater gleichermaßen. Es wäre ein deutliches Zeichen der Gemeinschaft. Heute brauchen wir mehr denn je Einheit und Versöhnung, zwischen den Konfessionen, den Volksstämmen und beim Militär. Besonders die jungen Menschen sind des Krieges überdrüssig. Den Hass zu schwächen und die Traumata zu vergessen, braucht Zeit. Aber ich bin sicher, dass der Südsudan diesen Alptraum hinter sich lassen wird, auferstehen und aus seiner Asche wiedergeboren werden wird.

Olivier Banda, comboni.org