In einigen zentralafrikanischen Diözesen wurden Priester getötet und Kirchen zerstört, dennoch kümmert man sich um die Obdachlosen und Bedürftigen. Die Bischofskonferenz fördert den interreligiösen Dialog und ist bestrebt, inländische und internationale politische Institutionen einzubeziehen. Hier die Stellungnahme von Comboni-Missionar Juan José Aguirre, Bischof von Bangassou.

Am 29. November 2015 besuchte Papst Franziskus Zentralafrika und erklärte Bangui zur „Spirituellen Hauptstadt der Welt“. Dieser Besuch führte zu einem friedlichen Zwischenspiel für die Dauer von vier Monaten. Zuerst gab es die blinde Gewalt der Seleka-Milizen, gefolgt von einer weiteren dunklen Phase unter Präsident Touadéra, die bis heute andauert. Während dieser Phase wurden die Menschenrechte in Zentralafrika ungestraft mit Füßen getreten – von Milizen, die sich christlich nennen und bekannt sind als Anti-Balakas. Der Besuch des Papstes brachte eine Zeit der Ruhe und Stille, die uns Hoffnung machte. Wir dachten, dass wir das Labyrinth der Gewalt verlassen hätten. Nach einiger Zeit waren die Verantwortlichen der Vereinten Nationen taub für die Botschaft der Bischofskonferenz von Zentralafrika. Trotz des wenigen, das sie zweifellos Gutes tun, scheint ihr Mandat, die Zivilbevölkerung zu verteidigen, ineffektiv und unprofessionell. Zeitweise macht das Versagen, auf Kriegsverbrechen zu reagieren, die Lage noch komplizierter.

Ein Willkommen für alle

2013 und 2014 füllten sich die Kirchen von Bangui mit Obdachlosen: Viele fanden dort mehr als drei Jahre lang Zuflucht. Einige der Muslime aus der Hauptstadt flohen in den Tschad geflohen, andere verbarrikadiert sich im Stadtteil PK5, dem wirtschaftlichen Zentrum von Bangui. Allerdings gibt es noch Obdachlose in achtzig Prozent der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete. Der Bischof von Alindao (im Süden des Landes), Cyr-Nestor Yapaupa, lässt 20.000 Menschen auf dem Gelände seiner Residenz lagern. Katholiken, Protestanten und Anhänger der traditionellen Religionen schlafen in behelfsmäßigen Zelten von UN-Organisationen und leiden Hunger und Elend wegen der Unsicherheit, die von der UPC (Einheit für Zentralafrika, eine der vielen Seleka-Gruppen, unter der Leitung von Ali Darassa), verursacht wird, die die Stadt kontrolliert. Laut UNICEF sind vier Millionen Zentralafrikaner, achtzig Prozent der Bevölkerung, von Ernährungsunsicherheit betroffen. Am Ortseingang von Alindao findet man UPC-Söldner und Paramilitärs der Volksgruppe Peul. Am Ortsausgang sind es schlecht bewaffnete Anti-Balaka-Milizen, überwiegend junge Männern. Sie sagen, sie wollen das Land von der Seleka befreien, und sie tun dies mit unerhörter Gewalt. Alindao liegt zwischen Hammer und Amboss. Der Bischof von Kaga-Bandoro (im mittleren Norden), Taddhée Kusy, befindet sich in einer ähnlichen Situation.

Wir in der katholischen Kirche sind uns unserer Berufung bewusst, den verachteten, misshandelt oder massakriert Völkern beizustehen. In Bangassou im Südwesten ist das Flüchtlingslager im Priesterseminar St. Louis. Das Seminar wurde vor fünfzig Jahren eröffnet und bildete Teile der Führungsschicht aus, während viele zentralafrikanische Jugendliche auf das Priestertum vorbereitet wurden. Am 15. Mai 2017 wurden zweitausend Moslems aus Bangassou, die in ihrer Moschee massakriert werden sollten, gerettet und ins Seminar nahe der Kathedrale gebracht, wo sie immer noch leben. Die Kirche fragt wie der barmherzige Samariter nicht, ob die verletzte Person schwarz ist oder weiß, Moslem oder nicht, oder ob sie eine Aufenthaltsgenehmigungen hat: sie hilft einfach. So sind die noch bestehenden Kirchen in der Stadt und auf dem Land Zufluchtsorte geworden, Feldlazarette, wie Papst Franziskus oft sagt, oder einfach freundliche Orte, wo Menschen vorübergehend Unterkunft finden, um ihr Leben zu retten.

 Versuche, Versöhnung zu bewirken

Als die Anti-Balakas im Dezember 2013 das muslimische Viertel der Stadt angegriffen, hat der Kardinal von Bangui, Dieudonné Nzapalainga, dem Imam der Hauptmoschee, Omar Kobine Layama, Zuflucht gewährt. Von den 25 Moscheen stehen nur zwei noch. Hunderte von Moslems wurden in den Straßen getötet, und mehr als eine halbe Million ist in den Tschad geflohen. Die mehr als 600.000 vertriebenen Menschen wurden von den katholischen Kirchen aufgenommen. Bei Boali, sechzig Kilometer von Bangui entfernt, stellte sich der Pfarrer der Pfarrei, in deren Kirche sich Moslems aufhielten, über hundert Anti-Balakas entgegen, die das Gebäude niederbrennen wollten. Sein Mut verhinderte eine Tragödie. In dieser Situation organisierten der Kardinal, der Imam und der evangelische Pfarrer Nicolas Guerekoyame Gbandou eine Plattform für die Konfessionen von Zentral-Afrika, um sozialen Zusammenhalt und Frieden zu erreichen. Die katholische Kirche im ganzen Land organisierte auch Ausschüsse zur Vermittlung und zur Verhinderung von Konflikten. Das sind nur kleine Zeichen, die in vielen Fällen nicht zu großen Ergebnissen geführt haben, aber sie haben die Räder der Versöhnung in Gang gesetzt.

Natürlich hat die Kirche einen hohen Preis bezahlt. Hunderte von Kapellen wurden verbrannt, viele Kirchen verwüstet und Priester getötet. Die Mission von Nzako (im mittleren Norden) wurde bis auf die Grundmauern abgebrannt: das Pfarrhaus, die Apotheke, die Schule und die neuerbaute Kirche, alles wurde von der FPRC (Volksfront für die Wiedergeburt von Zentralafrika, eine Seleka-Gruppe unter der Leitung von Noureddine Adam) zerstört. Im Jahr 2015 wurde Pater Forman Wilibona im Wald bei Bossangoa getötet. Am 21. März 2018 wurde Pater Joseph Désiré Angbabata in seiner Pfarrei Seko (Bambari, in der Mitte des Landes) ermordet , als er versuchte, eine Gruppe von Frauen und Kindern zu verteidigen, die von UPC Milizen erschossen wurden. Pater Albert Toungoumale wurde am 1. Mai in der Comboni-Pfarrei Unsere Liebe Frau von Fatima, in der Nähe der PK5 in Bangui, der Hochburg der Moslems in der Hauptstadt, getötet. Mit ihm wurden vierzehn andere Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt: sie besuchten die Messe zu Ehren von St. Josef dem Arbeiter, als eine radikale muslimischen Gruppe das Gebäude betrat und aus kürzester Entfernung auf die Gläubigen feuerte. Wenige Stunden später wurde der Vorfall von der UN-Friedenstruppe als „schreckliches Verbrechen“, bezeichnet, ohne dass jedoch Truppen dorthin entsandt worden wären.

Wir Bischöfe und Priester sind Zeugen dieser oft unfassbaren Gewalt. Wir sind für Muslime und Nicht-Muslime eingetreten; wir evakuierten Verwundete, boten jahrelang Hilfe. Wir haben sogar Massengräber im Land hinter meinem Haus ausgehoben, um Muslime wie Nicht-Muslime zu begraben.

Beginnen wir wieder mit Vergebung

Papst Franziskus erinnerte uns daran, dass die Religion keine Schuld trifft, sondern Teil der Lösung ist. Seit Juni 2017 habe ich in meiner Kathedrale kaum über etwas anderes gesprochen als bedingungslose Vergebung und die Notwendigkeit eines Neuanfangs. Viele meiner Gläubigen verließen die Kirche mit gesenktem Blick: ihre Herzen folgten nicht der Richtung meiner Worte. Die Seleka und Anti-Balaka haben verschiedene Gebäude niedergebrannt. Viele Familien haben alles verloren. Folgendes geschah im Stadtviertel Ligouna (in der Stadt Zemio, im Osten): auf vier Kilometern war alles verbrannt war, zurück blieb nur tote Wüste. Ich kann garantieren, dass in diesen fünf Jahren des Konflikts viele katholische Missionen dort im Wald blieben, um diesen unglücklichen Menschen einen sicheren Ort zu bieten, deren Viertel niedergebrannt wurde, so dass sie gezwungen waren zu fliehen. Für jedermann bedeutet eine Kirche, dass ein Priester sie begrüßt, dass es einen Brunnen mit sauberem Wasser gibt, einen Ort, wo sie ihre bunten Kleider aufhängen und sich im Schatten ausruhen können.

Die Kirche ist immer ein Ort der Begegnung, ein Ort, wo Menschen aus den Organisationen sich treffen, um die Nacht zu verbringen. Die Kirchen sind auch Orte, wo man Minister, Botschafter, Mitarbeiter von internationalen Organisationen, sogar Präsident Touadéra und UN-Generalsekretär Antonio Guterres treffen kann. Sie alle versammeln sich in einem Kirchenraum, um Probleme zu analysieren, zu planen, zu diskutieren, wie die riesigen Geldbeträge ausgegeben werden sollen, Lösungen vorzuschlagen, die nie verwirklicht werden. Sie werfen kaum noch einen Blick auf die stimmlosen Armen. Sie fahren dann in ihre leistungsstarken Toyotas weg, umgeben von Leibwächtern, um an Bord ihrer Flugzeuge zu gehen. Und so gehen sie, während die Kirche bleibt.

Bischof Juan José Aguirre

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