4. Oktober 2024
In seiner Kindheit überstand er eine schwere Krankheit. Das protestantische Umfeld und der Widerwille seiner Eltern, ihn ins Priesterseminar zu schicken, konnten seinen Wunsch, der Comboni- Missionspriester zu werden, nicht auslöschen. Pater David Odour Ochieng erzählt von seinem Berufungsweg.
Am 3. Juli 1991 wurde ich im Pumwani-Krankenhaus in Nairobi (Kenia) geboren. Ursprünglich lebten wir in den Mathare-Slums in Nairobi. Als ich vier Jahre alt war, zog unsere Familie jedoch nach Kariobangi am Rande der Hauptstadt Nairobi um. Ich bin das vierte Kind in einer Familie mit neun Kindern und der erstgeborene Sohn.
Als meine Mutter mich zur Welt bringen wollte, war sie besorgt über einen zweiten Kaiserschnitt. Die Gefahr, zum dritten Mal ein Baby zu verlieren, machte ihr Angst. In ihrer Verzweiflung, mich zu retten, suchte sie spirituelle Hilfe. Sie dachte, dass sie von einer protestantischen Kirche kommen würde, in der überzeugend Wunder behauptet wurden. Glücklicherweise wurde ich normal und ohne Komplikationen geboren. Doch igendwann im Säuglingsalter wurde ich schwer krank. Wieder war meine Mutter verzweifelt. Man riet ihr, es mit traditioneller afrikanischer Medizin zu versuchen, um meine Krankheit zu heilen, aber sie weigerte sich. Stattdessen übergab sie mein Leben Gott. Ihr Glaube zahlte sich aus, ich wurde gesund.
Nach dem Kindergarten und der Vorschule besuchte ich die nahe gelegene Grundschule von der ersten bis zur sechsten Klasse. Aber als ich in der dritten Klasse war, begann ich mit meinen Freunden in die nahe gelegene katholische Kirche (Holy Trinity Catholic Church) zu gehen, die von den Comboni-Missionaren geleitet wird. Sie machten mich mit der Berufungsgruppe bekannt und später mit einem meiner Lieblingsorte, der Bibliothek der Kirchengemeinde. Schließlich meldete ich mich zum Katechismusunterricht an. Später wurde ich getauft, und ich empfing die heilige Kommunion. Die Dinge entwickelten sich schnell für mich, und so wurde ich Ministrant, was ich sehr genoß.
Während ich am Altar diente, konnte ich nicht umhin, die Priester zu bewundern, die die Messe zelebrierten, besonders während der Predigt. Neben dem Dienst am Altar nahm ich auch an anderen kirchlichen Aktivitäten teil. Leider währte meine Freude als Ministrant in der Pfarrei Holy Trinity nur sechs Monate. Wir zogen aufs Land, aber mein Vater blieb in der Stadt. Im Jahr 2005 schloss ich die Grundschule und 2009 die Sekundarschule ab. Bis zu meinem Schulabschluss hatte ich genügend Zeit, um aktiv an den Jugendaktivitäten unserer Gemeinde teilzunehmen. Unser Haus liegt nur einen Steinwurf von der Pfarrei entfernt. So konnte ich auch häufig an Anbetungsgottesdiensten teilnehmen. Während dieser Zeit wurde mein Wunsch, Priester zu werden, immer stärker. Ich bewunderte meinen Gemeindepfarrer, der viele Stunden in der Anbetungskapelle verbrachte. Auch seine Predigten fesselten mich.
Als ich mein Abiturzeugnis erhielt, konnte ich meine Freude nicht zügeln. Ich hatte bestanden und konnte an die Universität gehen. Doch mein Herz brannte dafür, Gott noch radikaler zu dienen. Ich wollte mein ganzes Leben Gott opfern. Meine Eltern, die keine Katholiken waren, zögerten. Es fiel ihnen schwer, meinen Wunsch zu verstehen. Vater war besonders betroffen. Er hatte gehofft, dass ich auf die Universität gehen und später eine Arbeit finden würde, um die Familie zu unterstützen, wie es traditionell von einem erstgeborenen Sohn erwartet wird. Unterstützung erhielt ich von meiner Großmutter. Sie war eine überzeugte Katholikin und verstand meine Entscheidung, ins Priesterseminar zu gehen. Meine Eltern beherzigten ihren Rat und gaben mir die Freiheit, meinem Herzenswunsch zu folgen.
Anfang 2011 lud mich der Leiter der Comboni-Berufungsgruppe ein, am Programm „Come and See“ teilzunehmen. Im August 2011 begann ich dann mit dem Vorpostulat, das ich zusammen mit zwei anderen in den Slums von Mukuru am Rande von Nairobi absolvierte. Wir wohnten in einem gemieteten Haus. Das war eine schöne Erfahrung. Wir arbeiteten im Sozialbüro und halfen den schwächsten und am meisten vergessenen Menschen in der Gesellschaft, machten Hausbesuche und schrieben Berichte über die schlimme Situation der Menschen. Der Aufenthalt in den Slums von Mukuru war ein Kairos für mich. Es war das erste Mal, dass ich mit menschlichem Leid in Berührung kam, vor allem in den Familien. Ich spürte die Gegenwart Gottes. Der Slum hatte seine Probleme, wie beispielsweise ein schlechtes Abwassersystem, schlechte Unterkünfte, häufige Feuerausbrüche, Raub und mangelnde Hygiene. Dennoch begegnete ich Menschen, die mich sehr willkommen hießen, sehr fröhlich und liebevoll waren und die Kirche unterstützten.
Im Jahr 2012 trat ich in das Comboni-Postulat in Ong’ata Rongai, Nairobi, ein, wo ich am Consolata Institute of Philosophy (CIP) Philosophie studierte. Es war eine Zeit des menschlichen Wachstums und der Reife. In dieser Zeit lernte ich viel über innere Freiheit und persönliche Verantwortung und und entdeckte den Reichtum und die Schönheit der Vielfalt in unserer Gemeinschaft. Im Mai 2015 schloss ich mein Postulat ab. Im selben Jahr ging ich nach Lusaka (Sambia) um mein Noviziat zu absolvieren. Es half mir, mehr über die Spiritualität des heiligen Daniel Comboni, unseres Gründers, zu erfahren, mit Gott und mir selbst durch Stille und Betrachtung des Wortes Gottes in Kontakt zu kommen. Am 6. Mai 2017 legte ich meine ersten Ordensgelübde ab. Es war ein Moment großer Freude, mein Leben Gott zu übergeben und ein Leben als Ordensmann im Sinne des Charismas des heiligen Daniel Comboni zu beginnen.
Im August 2017 begann ich das Scholastikat und trat in die Päpstliche Universität Sankt Paul in Brasilien ein. Das war eine völlig neue Erfahrung, angefangen bei der Sprache und der Kultur. Ich brauchte viel Geduld, um mich auf diese neue Situation einzulassen, und ich lernte, meine Vorurteile abzulegen. Es war eine Zeit des Wachstums als Comboni-Missionar. Im Umgang mit den Menschen, denen ich begegneter, lernte ich neue Dinge, und ich denke, dass auch sie etwas von mir gelernt haben. Die Befreiungstheologie Lateinamerikas hat mir sehr geholfen. Sie hat meine Wahrnehmung der Gegenwart Gottes vor allem in den Schwachen und Ausgegrenzten geprägt. Der Gedanke, dass Gott ein Befreier der Unterdrückten ist, hat sich in mir eingeprägt. Als Nachfolger Jesu sind wir aufgerufen, denen zu helfen und sie zu befreien, die von korrupten und ungerechten Systemen gefangen gehalten werden.
Im Dezember 2021 schlossen ich meine Ausbildung ab, und im Jahr 2022 kehrte ich nach Kenia zurück. Meine Oberen schickten mich nach West Pokot, in die Pfarrei Amakuriat im Norden Kenias. Dort sollte ich einen Missionsdienst als unmittelbare Vorbereitung auf die ewigen Gelübde und die heiligen Weihen leisten. Ich tauchte wieder in eine neue Wirklichkeit ein. Die Menschen dort sind hauptsächlich Viehzüchter. Ich fand die Christen der Pfarrei Amakuriat einfach, aber gastfreundlich und großzügig. Das zeigt sich, wenn es darum geht, die Pfarrei und ihre Aktivitäten zu unterstützen, sie geben von ganzem Herzen das Wenige, das sie haben. Die Arbeit in der Pfarrei Amakuriat hat mich gelehrt, geduldig zu sein, auf die Menschen zuzugehen und ein guter Zuhörer zu sein.
Am 10. Februar 2023 legte ich meine ewigen Gelübde ab, und am 11. Februar 2023 wurde ich zum Diakon geweiht. Der Traum, mein Leben auf radikale Weise ganz Gott zu schenken, wurde wahr. Wie der heilige Daniel Comboni habe ich mein Leben ohne jeden Vorbehalt für die Mission und das Volk Gottes geopfert. Ein weiterer Meilenstein auf meinem Berufungsweg war der 5. August 2023. Es war der Tag, an dem ich zum Priester geweiht wurde. Jetzt bin ich in Mosambik, wo mich meine Vorgesetzten eingesetzt haben. Wie immer lege ich alles in Gottes Hände, wenn ich mich auf diese erste Aufgabe einlasse.