Pater Christian Carlassare, designierter Bischof der Diözese Rumbek im Südsudan, ist sich des komplexen ethnischen Konflikts, der sich im Land abspielt, sehr wohl bewusst, auch wenn dies keine Erklärung für den Angriff zu geben scheint, bei dem er im April an den Beinen verletzt wurde. Der Comboni-Pater (geboren in Piovene, Italien) ist vor kurzem in seine Heimat zurückgekehrt. Nach der Quarantäne besuchte er das Canossianerinnen-Kloster von Schio, wo die sterblichen Überreste der sudanesischen Heiligen Josephine Bakhita aufbewahrt werden.
Pater Christian, wie verläuft Ihre Genesung nach Ihrer Verletzung?
Inzwischen kann ich ohne Krücken gehen. Ich bewege mich selbstständig, auch wenn ich nicht rennen, bergsteigen oder lange Spaziergänge machen kann. Ich muss einfach trainieren, um meine Muskeln zu kräftigen.
In einem Artikel, der diesen Monat in der Zeitschrift Nigrizia erschienen ist, haben Sie die Situation der Kirche im Südsudan beschrieben, wo „das Blut der Kultur und der Ethnie stärker und wichtiger bleibt als Weihwasser“. Ich frage scherzhaft: Sind Sie sicher, dass Sie dorthin zurückkehren wollen?
Das ist Afrika, es ist sehr komplex, aber in aussichtslosen Situationen sind die Menschen dort daran gewöhnt, die Herausforderung anzunehmen. Sie glauben daran, dass sich etwas ändern kann. Ich kann nicht anders, als Teil dieser Hoffnung zu sein.
Nach Ihrer Ernennung am 8. März hätten Sie am 23. Mai zum Bischof geweiht werden sollen. In der Nacht vom 25. auf den 26. April wurde Ihnen in die Beine geschossen. Sie wurden in ein Krankenhaus in Nairobi eingeliefert und kehrten anschließend nach Italien zurück. Wie ist die Situation heute in Rumbek?
Die Diözese wird derzeit von einem Apostolischen Administrator geleitet, der die Aufgabe hat, die Diözese bis zu meiner Rückkehr zu führen und die Probleme zu lösen, die nach dem Anschlag entstanden sind. Die Ermittlungen sind im Gange. Wenn diese vor Gericht abgeschlossen sind, werden wir sehen, wie es weitergeht. Was mich betrifft, habe ich mich entschieden, nach Italien zurückzukehren, gerade damit dies auf die beste Weise geschehen kann. Ich plane, im Oktober in den Südsudan zurückzukehren. In der Zwischenzeit werde ich mich erholen. Im September reise ich nach Rom und werde im Vatikan im Staatssekretariat und bei der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Propaganda Fide, sein.
Was das Staatssekretariat betrifft, so war die Reise von Kardinal Gallagher in den Südsudan für Mai dieses Jahres geplant. Gallagher hätte Ihrer Weihe vorstehen sollen. Warum engagiert sich die katholische Kirche so stark bei den Friedensgesprächen im Südsudan?
Die Kirche schenkt den aussichtslosesten Gegebenheiten und den schwierigsten Situationen immer besondere Aufmerksamkeit. In Afrika sind es beispielsweise die Zentralafrikanische Republik oder die Demokratische Republik Kongo. Was den Südsudan betrifft, hat die internationale Gemeinschaft die Kirche gebeten, sich um den Friedensprozess anzunehmen, da die Kirche die einzige Wirklichkeit ist, die in allen ethnischen Gemeinschaften des Landes gegenwärtig ist. Sie ist die einzige glaubwürdige und von allen akzeptierte Institution.
Die Ermittlungen zu dem Angriff auf Sie, die noch nicht abgeschlossen sind, haben maßgebliches Führungspersonal der Diözese einbezogen. Wird diese Wunde schwer heilen?
Nach dem Angriff habe ich Solidarität von der Regierung, den lokalen Behörden, der Kirche und der Bevölkerung erfahren. Der Wunsch nach Veränderung ist groß, und es besteht die Hoffnung, dass dies durch meine Anwesenheit geschehen kann. Wie ich eingangs sagte, gibt es trotz des Geschehenen Hoffnung, und ich habe das Gefühl, dass ich in gewisser Weise ein Teil davon bin. Wir müssen als Diözese von innen heraus neu beginnen, die unklaren Aspekte bereinigen und neu anfangen. Die Menschen brauchen das.
(Das Interview mit Pater Christian Carlassare ist erschienen in „La Voce dei Berici” , der Wochenzeitschrift der Diözese Vicenza.)
Gottesdienst in Piovene
Wenige Tage nach dem Interview feierte Pater Christian Carlassare in seiner Heimatpfarrei Gottesdienst. Der vierte Sonntag im Juli ist in Piovene Rocchette seit 390 Jahren ein historischer Tag, seit die Bevölkerung während einer Pestepidemie die Jungfrau des Berges Summano angerufen hat. Das Gelübde umfasste im Laufe der Jahrhunderte neben dem Schutz vor der Pest auch Gebete gegen die Cholera und die Wunden der beiden Weltkriege. Zum ersten Mal stand der Feier ein (gewählter) Bischof vor, der hier geboren und aufgewachsen ist. Auch in diesem Jahr verhinderte die Pandemie, dass die Gläubigen in Prozession auf den Berg ziehen konnten, doch viele, Familien, ältere und jüngere Leute, machten sich auf den Weg. Einer von ihnen war Pater Christian Carlassare. Er brachte der „Lieben Frau vom Engel“ die Kugeln, von denen er im April getroffen worden war.