Am 4. Juli 2018 fand ein „Treffen der Höheren Oberen der Ordensgemeinschaften und Ordensniederlassungen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“ statt, zu dem Diözesanbischof Dr. Gebhard Fürst eingeladen hatte. Auch der für die Orden in der Diözese zuständige Weihbischof Thoma Maria Renz war anwesend. Etwa dreißig Ordensmänner und Ordensfrauen in leitender Position waren gekommen, um sich auszutauschen über Themen wie die Altersstruktur vieler Ordenschristen, Überlastung, Berufungskrise und die nötige Schließung von Ordenshäusern. Schnelle Lösungen gibt es nicht. Die allermeisten der Ordensgemeinschaften befassen sich dann auch mit dieser Problemstellung. Der Provinzial einer der beim Treffen vertretenen Ordensgemeinschaften stellte fest, dass er gerade die halbe Provinz schließt. Er betont auch die nächste große Herausforderung, welche auf die Ordensgemeinschaften zukommt: Es steht eine ständige innere, spirituelle Änderung der Ordensmitglieder an, die hilft, wieder miteinander das Charisma zu leben anstatt Alleingänge zu machen und von vieler Arbeit absorbiert zu werden.

Bei uns Comboni-Missionaren müssen auch noch andere Themenbereiche berücksichtigt werden. Da besteht die Aussage des 2015 gehaltenen Generalkapitels, dass Mission auch in Europa stattfinden soll und daraus folgend die Festlegung von neuen Aufgabenbereichen. Mission in Europa verlangt auch die notwendig gewordene, bereits vor Monaten begonnene Überarbeitung unserer Ordensregel. Diese Überarbeitung soll noch dieses Jahr zum Abschluss kommen.

Unsere jüngsten Mitglieder stammen derzeit vor allem aus Afrika. Ihrem kulturellen Hintergrund muss Sorge getragen werden, Mittel zu ihrer missionarischen Vorbereitung müssen zur Verfügung gestellt werden. Das brachte uns Comboni-Missionare dazu, einen Gemeinschaftsfonds einzurichten.

Beim Informationsaustausch kam die Sprache auch auf geistliche Zentren und „Kraftorte“. Verschiedenen Gemeinschaften sind solche Orte wichtig: Dies sind Wallfahrtsstätten, Möglichkeiten, um zur Ruhe zu kommen, Begleitung von Brautpaaren, Exerzitien und Auszeiten, um nur einige zu erwähnen. Bezüglich dieser spirituellen Zentren verspricht Bischof Fürst Unterstützung seitens der Diözese. Den Suchenden soll dies Gewissheit geben: „Hier ist ein Ort, wo ich hinkann. Es ist ein Ort, wo gebetet wird, wo ich eventuell auch mitbeten und gar beichten kann.“ Schließlich wurde noch ein Netzwerk zwischen diesen „Kraftorten“ vorgeschlagen.

Grundsätzlich stellt der Bischof eine Lebendigkeit in den Ordensgemeinschaften in der Diözese fest. Oft wird erst offensichtlich, wie viel von Ordenschristen tatsächlich in der diözesanen Arbeit geleistet wird, wenn jemand von ihnen ausfällt.

Die Ordensniederlassungen müssen immer mehr auf Kräfte außerhalb der Gemeinschaft zurückgreifen – und ihnen helfen, ihre Berufung zu entdecken, zumal nicht alle Mitarbeiter getauft sind. Letzteres ist im Grunde auch Berufungspastoral.

Was aber die Berufungspastoral mit Jugendlichen betrifft, so erfordert diese grundsätzlich eine authentische Begleitung durch glaubwürdige Ordenschristen. In einer offenen Gesprächsrunde betonte Bischof Fürst, dass neue Wege für junge Menschen gefunden werden müssen. Heute sei eine Suche nach einer Kirche für junge Menschen angesagt. Dieses muss auch auf dem Hintergrund gesehen werden, dass meist junge Erwachsenen (20-30 Jahre alt) aus der Kirche austreten. Es geht nun als erstes darum, jungen Menschen zu helfen, ihre Berufung als Mensch mit verschiedenen Fähigkeiten zu erkennen und so ihre „Lebenssouveränität“ zu finden. In einem weiteren Schritt mag dann an die Möglichkeit gedacht werden, Suchenden glaubwürdig einen Dienst in der Kirche nahe zu bringen.

Dr. Gebhard Fürst wäre nicht Bischof, hätte er nicht die Situation in der Diözese angesprochen. So berichtete er, dass erst fünf bis zehn Pfarreien zu einer einzigen Pfarrei fusioniert worden seien. Dafür gibt es 270 Seelsorgeeinheiten in der Diözese. Das dürfte auch für die nächsten fünfzehn Jahre so bleiben. Bischof Gebhard freute sich, dass er in wenigen Tagen sechs Männer zu Priestern weihen darf. Freilich werden es nächstes Jahr voraussichtlich nur zwei Weihekandidaten sein. Es ist bei diesen Zahlen immer Auf und Ab zu verzeichnen. Dazu kommen jährlich fünf oder sechs ständige Diakone.

Mehrmals wurde in der Info- und Gesprächsrunde auch das Erneuerungsthema „Kirche vor Ort. Kirche an vielen Orten“ angeschnitten. Man höre in unseren Häusern zu wenig von diesem Prozess. Dazu meinte der Bischof: „Machen Sie sich beim Prozess bemerkbar!“ Eine ganze Ordensniederlassung kann wohl nicht mitmachen, doch einzelne Brüder oder Schwestern mögen sich auf diesen Prozess einlassen.

Das Treffen hatte mit einer Führung in der frisch renovierten Sülchenkirche im Sülchenfriedhof begonnen. Die Kirche wird auch als Friedhofskirche benutzt. Seit über 1.500 Jahren werden hier Verstorbene beigesetzt – also beginnend noch vor der Christianisierung der Umgebung. Beeindruckend sind zum Teil die bestens erhaltenen Skelette, verteilt auf etwa acht Metern Höhe aufgrund des absackenden, feuchten Untergrunds. Jetzt befindet sich im Untergeschoß die Grablege der Rottenburger Bischöfe. Im Moment sind es in der jungen Diözese, die seit 1821 besteht, neun Grablegen. Das neue, sehr einfach gehaltene Untergeschoß beeindruckt durch Wände aus verdichtetem Aushub, der unter der Kirche entfernt werden musste. In diesem Material sind nicht nur Steinchen zu sehen, sondern auch kleine Knochen. „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“ (Gen 3,19).

Pater Anton Schneider