Nikolai Füchte aus Berlin ist seit September 2016 in Kacheliba, Kenia, als Missionar auf Zeit (MaZ) und unterstützt dort den Unterricht in zwei Grundschulen. In seinem zweiten Rundbrief berichtet er von dieser Aufgabe:
Meine Arbeit in den Grundschulen Kachelibas
Hallo, ihr Lieben,
seit ein paar Wochen arbeite ich in den beiden Grundschulen in Kacheliba.
Zuerst möchte ich euch einmal die Schulsituation in Kenia erklären:
Schule und Schulsystem in Kenia
Insgesamt müssen Schüler hier 12 Jahre zur Schule gehen. 8 Jahre auf die Primary School und 4 Jahre auf die Secondary School. Die Grundschule ist unterteilt in die Klassen 1-3, 4-7 und 8. In den ersten drei Jahren ist der Unterricht noch auf Kiswahili, ab der vierten Klasse ist er in allen Fächern (außer Kiswahili) auf Englisch. Die 8. Klasse hat besonders viel Unterricht, als Vorbereitung auf die Secondary School.
Für die meisten Schüler ist die Schule ein Internat, auch wenn ihre Eltern vielleicht nur ein paar hundert Meter weit weg wohnen. Das liegt daran, dass sie von der Schule mit allen Sachen versorgt werden. Für ein monatliches Schulgeld von 15€ bekommen die Schüler Unterricht, drei Mahlzeiten am Tag und außerdem einen Schlafplatz. Zum Essen gibt es jeden Tag Ugali (Brei aus Maismehl) und die Kinder schlafen zu zweit oder zu dritt in einem Bett. Für die deutschen Verhältnisse klingt das warscheinlich absolut unverantwortlich und nachlässig von der Schule, aber die Schüler müssen nicht in der Schule essen und schlafen, sie können auch nach Hause gehen. Fast alle bleiben aber in der Schule, da sie dort immer genug zu essen kriegen, was zuhause oft nicht der Fall ist. Außerdem ist es besser, eine Matratze mit jemandem zu teilen, als dass man zuhause auf dem Boden schläft.
Die Schulen hier haben riesige Gelände. Der größte Teil ist unbebaut, ein kleiner Teil der Fläche wird als Fußball- und Sportplatz genutzt. Die Schulen besitzen meistens Schafe, Rinder und Ziegen, die überall auf dem Gelände herumlaufen. Woran es den Schulen mangelt, ist das Geld. Fußball spielen die Kinder mit zusammengebundenen Plastiktüten, da selbst für den Kauf von Bällen kein Budget übrig ist. Der Bau von drei Unterrichtsräumen inklusive dem Kauf von Materialien und dem Bezahlen der Arbeiter kostet umgerechnet gerade mal 20.000 €. Das ist zu viel für die Schulen, was zur Folge hat, dass es einen Mangel an Schlaf- und Unterrichtsräumen gibt. Deswegen gibt es pro Klassenstufe meist nur eine Klasse, damit der Unterricht nicht draußen stattfinden muss. Also hat jede Klasse hier bis zu 140 Schüler. In den Klassenräumen sitzen die Schüler oft zu dritt oder zu viert an Tischen, die kleiner als die Doppeltische in unseren Schulen in Deutschland sind. In den Räumen gibt es meist keine Lampen, das Licht kommt von draußen durch die Fenster.
Ein weiteres Problem ist der Lehrermangel. In den Schulen, in denen ich den Unterricht unterstütze, gibt es jeweils 800-900 Schüler und nur 10-15 Lehrer an jeder Schule, von denen nur die Hälfte komplett ausgebildet ist. Da es für jede Stufe nur eine Klasse gibt, ist es aber möglich, den Unterricht mit so wenigen Lehrern zu gestalten. Die Lehrer müssen, egal ob sie Unterricht haben oder nicht, von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr in der Schule anwesend sein, das gilt selbst für einen Teil der Schulferien, in dem alle Schüler die Schule verlassen. Also werden die Lehrer hier alle gleich bezahlt, die Anzahl der Stunden ist irrelevant. Das Gehalt der Lehrer ist 200 € im Monat, damit liegt ihr Gehalt weit über dem Durchschnitt der Region.
Normalerweise haben die Leute hier mehr als 5, oft auch mehr als 10 Kinder. Von dem verdienten Geld muss nun alles für sich selbst und die Kinder bezahlt werden. Die Folge ist, dass viele Eltern nicht das Schulgeld für alle ihre Kinder bezahlen können, da sie nicht genug verdienen. Den Staat kümmert das anscheinend herzlich wenig, also bezahlen die Comboni-Missionare für viele bedürftige Kinder in der Umgebung das Schulgeld.
Meine Aufgabe in den Schulen
Ich gehe jeden Morgen um 8:00 zu der Holy Cross Mixed Primary School. Dort unterrichte ich in der 7. Klasse täglich 2 Stunden Mathe. Im Lehrerzimmer bleibe ich meist bis 12:00 und schlürfe meine Tasse Zuckerwasser (hier auch Tee genannt). Um 14:00 Uhr gehe ich dann zu der St. Comboni Girls Primary School, wo ich ebenfalls die 7. Klasse in Mathe unterrichte. Außerdem mache ich mit den Schülern der Klasse, die gerne singen, einmal die Woche Musikunterricht, übe einfache englische Lieder mit ihnen und versuche, ihnen das Noten lesen beizubringen. Musik gehört nicht zu den vorgeschriebenen Unterrichtsfächern in Kenia, das bedeutet leider auch, dass kaum jemand Noten lesen kann. Der normale Unterricht ist komplett frontal hier, der Lehrer erzählt etwas, oder schreibt etwas an die Tafel und die Schüler schreiben das dann ab. Eine andere Unterrichtsart ist aber auch kaum möglich, wenn man bedenkt, wie viele Schüler in jeder Klasse sind. Am späteren Nachmittag mache ich oft Sport mit den Mädchen. Ich habe einen Fußball und ein paar andere Bälle gekauft, die ich zur Schule mitbringen kann.
Lehrer werden hier als richtige Respektspersonen angesehen und ihr Wort ist Gesetz. Schüler, die frech oder unfreundlich zu Lehrern sind, gibt es nicht. Vielleicht liegt das auch daran, dass zur Bestrafung manchmal geschlagen wird. Viele Lehrer sind sehr jung, die Hälfte ist vielleicht unter 30. Mit einigen von ihnen habe ich mich auch schon ganz gut angefreundet und treffe mich außerhalb der Schulzeit mit ihnen, um Volleyball zu spielen oder am Wochenende die Premier League Spiele zu gucken.
Ich hoffe, dass es euch gut geht im herbstlichen Deutschland, in Kacheliba werden die Temperaturen noch steigen.
Viele Grüße,
Euer Niko