Monica Gaspari, eine Comboni-Laienmissionarin, stammt aus der vom Corona-Virus besonders schwer betroffenen Stadt Bergamo in Italien. Sie war zunächst in Korogocho (Kenia) im Einsatz. Nun arbeitet die Lehrerin in Yambio (Südsudan). Von dort schildert sie eine berührende Erfahrung mit ihren Schülern.

Die ganze Welt blickt auf die Stadt Bergamo, die bis vor kurzem den meisten Menschen unbekannt war, jetzt aber in den entlegensten und undenkbarsten Winkeln der Welt Gesprächsstoff geworden ist. Der Südsudan ist ein solcher Ort, auch Yambio, wo ich mich gerade aufhalte.

Bevor die Schule von Yambio geschlossen wurde, erhob sich jeden Morgen in der Versammlung ein Schüler, um die Schwestern und Brüder von Bergamo und die Italiener, die unter der Krankheit leiden, dem Schutze Gottes anzuvertrauen mit der Bitte, sie zu segnen.

Eines Morgens nach dem Appell bittet Meling um das Wort: Er wollte im Namen der Klasse mir, meiner Familie, meinen Freunden, den Menschen von Bergamo und allen Italienern seine Solidarität zum Ausdruck bringen. Er begann mit der Klasse ein Gebet zu sprechen, dessen Inhalt mehr oder weniger so lautete: „Was dir und deinem Volke zustößt, ist, als ob es uns widerfahren würde; dein Schmerz ist auch unser Schmerz; wir dürfen nicht gefühllos bleiben, wenn unsere Familie leidet; ihr seid unsere Familie, weil wir eins sind.“ Es war der einfache Beitrag eines jungen Mannes, der während seiner zwanzig Lebensjahren viel gelitten hatte.

Dann erhebt Daniel Deng die Hand: „Du bist die Lehrerin, aber es ist, als wärest du wieder ein Kind geworden, denn jetzt brauchst du Hilfe. Deswegen erlaube ich mir, so mit dir zu reden, wie ein Vater mit seiner Tochter redet. Ich kann dir etwas beibringen, weil der Krieg mich viel gelehrt hat, auch, wie man mit Schmerz, Verlust und Tod zurechtkommt. Das erste ist, nicht unempfindlich gegenüber dem Schmerz anderer zu werden, denn deren Schmerz ist auch mein Schmerz. Zweitens: Hör nie auf zu hoffen, auch nicht angesichts der schrecklichsten Dinge. Wir dürfen nie aufhören, für uns selbst und für andere zu hoffen. Drittens: Leide nie allein in der Meinung, dass es nur dich allein angeht. Es betrifft uns alle, denn Leiden ist Teil des Lebens, es ist Leben! Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es kein Leid. Wir brauchen uns nicht zu schämen, wir sind Menschen, wir sind so gemacht.“

Riak ist ein wortkarger Nuer, dürr wie ein Hering, weil er sehr wenig isst. Sein Gesichtsausdruck wechselt von einer beunruhigenden Ernsthaftigkeit zu einem entwaffnenden und ansteckenden Lächeln. Er wurde während des Krieges gefoltert, die Spuren trägt er noch auf seinem Körper und in seinem Geist. Er ist ein großartiger junger Mann, scharfsinnig und brillant. Er findet Worte des Trostes, vertraut auf Gott und auf das Leben. Es ist das erste Mal, dass er vor der Klasse spricht.

Jetzt sind sie wieder alle daheim. Sie rufen mich fast jeden Tag an, um zu erfahren, wie es meiner Familie geht und uns hier im Kolleg, und schließen immer mit den Worten: „Wir sehen uns bald wieder“. Wir zurückgebliebenen Lehrer versuchen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, Fernunterricht zu erteilen.

Was wird im Südsudan passieren? Niemand weiß es, es ist schwierig, etwas vorherzusehen. „We trust in God, we listen to the Spirit and continue to be honest“ – „Wir vertrauen auf Gott, wir hören auf den Geist und versuchen, aufrichtig zu bleiben.“ Mit diesen Worten verabschiedeten sich die Schüler von uns vor ihrer Heimreise. Das ist der Weg: der Wunsch, ganz bewusst gelassen zu bleiben, auch inmitten des Sturms.

Monica Gaspari