Kuchinate (in der äthiopisch-eritreischen Sprache Tigrinya bedeutet es Häkelnadel) ist der Name einer Gruppe von Frauen aus Ländern am Horn von Afrika, die als Asylsuchende in Israel leben. Sie haben ein Projekt gegründet, das ihnen ein regelmäßiges Einkommen und tägliche Unterstützung garantiert. Zwei Comboni-Schwestern, die zur Bethanien-Gemeinschaft in Jerusalem gehören, helfen ihnen dabei. Schwester Azezet Habtezghi, allen bekannt als Schwester Aziza, ist Co-Managerin, und Schwester Agnese führt die Finanzbuchhaltung.

Schwester Aziza, die aus Eritrea stammt, setzt sich seit über zehn Jahren für Frauen ein, die bei der Durchquerung der Wüste Sinai unter höllischen Bedingungen Gewalt und Folter erlitten haben. Im Jahr 2012 erhielt sie für ihren Einsatz gegen den Menschenhandel die Auszeichnung „Trafficking in Persons Report Heroes“ vom amerikanischen Außenministerium.

Schwester Agnese war 16 Jahre im Sudan, zwei in Ägypten und drei in Dubai im Einsatz, bevor sie ins Heilige Land kam. Jetzt arbeitet sie zusammen mit Aziza im Projekt Kuchinate mit den Beduinen der Jahalin-Gemeinde in Khan al Ahmar, einem Lager an der Straße von Jerusalem nach Jericho. Die wahren Protagonistinnen dieser Initiative, die ihren Namen von einem einfachen Werkzeug, der Häkelnadel, hat, sind jedoch die afrikanischen Frauen. Eine von ihnen ist Meron, eine alleinstehende eritreische Mutter mit einem Kind. Sie wuchs bei ihrer Mutter in Eritrea auf, wurde aber eines Tages entführt, als sie Brot kaufen wollte. Meron wollte nie über all die Dinge sprechen, die ihr in dieser schrecklichen Zeit widerfahren sind, aber nach ein paar Monaten gelang es ihr, über den Sinai nach Israel einzureisen. Erst nachdem sie Kuchinate entdeckt hatte, begann für Meron ein neues Leben. In Kuchinate fand sie ein herzliches Willkommen und jemanden, der sich ihre Geschichte anhörte.

Kedes stammt ebenfalls aus Eritrea und kam nach einer viermonatigen Reise durch die Wüste Sinai nach Israel. Einige ihrer Gefährtinnen machten die gleiche Erfahrungen: Zghiaria, Hadas und Ganet, um nur einige zu nennen, jede mit einer schrecklichen Geschichte, die sie zu erzählen hat, aber alle voller Freude darüber, Kuchinate gefunden zu haben und deren aktive Mitglieder zu sein. Aus eigener Initiative haben sie eine Werkstatt in Tel Aviv eröffnet, in der sie ihre handgefertigten Produkte verkaufen. Der Laden bietet eine Vielzahl von Artikeln in auffallend leuchtenden Farben, die alle mit der Häkelnadel hergestellt wurden: Körbe, Handtaschen, Armbänder, Haushaltswaren und Artikel aus Stoff wie Puppen, Gesichtsmasken, Tischdecken und Servietten, die alle auf Kunden warten. Der Laden hat auch mit dem Online-Verkauf begonnen, was bedeutet, dass die Produkte besser bekannt gemacht und exportiert werden können.

Kuchinate ist mehr als ein Geschäft: Das Projekt bietet den asylsuchenden Frauen auch freiwillige Bildungsprogramme an, die es ihnen ermöglichen, an verschiedenen Kursen teilzunehmen, wie z.B. professionelles Schneidern, englische Sprache oder Computerkenntnisse. Außerdem werden sie psychologisch begleitet, um all die Gewalt und das Leid, das sie erfahren haben, zu verarbeiten.

Ein wichtiges Element des Kuchinate-Projekts ist, dass sich die jungen Frauen nicht nur auf die Produktion und den Verkauf von Waren beschränken. Kuchinate soll auch ein Teilen von Traditionen und Kultur sein. Aus diesem Grund wurden vor der Pandemie soziale Zusammenkünfte organisiert, darunter die ostafrikanischen Kaffeezeremonien und eine Schule für eritreisches Kochen mit dem traditionellen Fladenbrot namens Injera: alles mit dem Ziel, die Asylbewerberinnen zusammenzubringen und ihre persönlichen Geschichten kennenzulernen.

Die Ausbreitung von Covid-19 hatte katastrophale Auswirkungen auf Tausende von Menschen in Israel, die ihre Arbeit verloren haben und auf nichts zurückgreifen können, wie zum Beispiel auf die Sozialversicherung. Viele der Kuchinate-Frauen waren nicht in der Lage, ihre Teilzeitjobs fortzuführen (viele arbeiteten als Dienstmädchen bei wohlhabenden Familien oder in Hotels); von heute auf morgen fiel ihr Einkommens weg.  Viele Menschen erkannten diese Situation und unterstützen Kuchinate weiterhin, indem sie die Produkte kauften. Dies ermöglichte es den Frauen, ihre Arbeit fortzusetzen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Sr. Aziza bemerkt: „Der höhere Wert ist, dass das Frauennetzwerk die Resultate der geleisteten Handarbeit innerhalb eines therapeutischen sozialen Systems, das offen und kulturell angemessen ist, sicherstellt. Zusammen mit der Herstellung von Produkten, die Gewinn einbringen und die den Stolz und die kulturelle Schönheit Afrikas ausdrücken, trägt all dies zum allgemeinen Wohlbefinden und zur Gesundheit unserer Frauen bei.“

Während der Pandemie wurden die jungen Afrikanerinnen von Kuchinate auch psychologisch betreut und monatliche Buna-Talks (Kaffeegespräche) in kleinen Gruppen sowie tägliche Telefonate geführt, um die Bedürfnisse der einzelnen Asylbewerberinnen zu erfahren. Insgesamt kann man feststellen, dass Kuchinate trotz der Pandemie hervorragende Ergebnisse erzielt hat, auch in diesem Jahr, ein Jahrzehnt nach seiner Gründung. Heute gehören über 230 Frauen zu Kuchinate, die sich über nachbarschaftliche Unterstützung freuen konnten. Vor allem wegen der kleinen Häkelnadel.

Chiara Pellicci