Der Verlust eines Mitbruders ist immer ein trauriges Ereignis. Dies gilt umso mehr in der Zeit des Coronavirus, wo selbst der letzte Abschied auf die einfachste und kürzeste Form reduziert wurde, um das Risiko einer COVID-19-Infektion einzudämmen. So feierten die Comboni-Missionare der Gemeinschaft der Generalkurie am 15. April gemäß den geltenden Vorschriften die Abschiedsmesse von Mons. Camillo Ballin, Apostolischer Vikar von Nordarabien, der am 12. April in der Villa Speranza in Rom verstorben war. Nach dem Tagesevangelium gedachte Pater Claudio Lurati mit „einer Erinnerung“, wie er es nannte, an Msgr. Ballin. Nach der Messe traf der Bestattungswagen mit dem Leichnam ein und es fand eine kurze und einfache Trauerfeier unter dem Vorsitz des Generaloberen P. Tesfaye Tadesse statt. Der Sarg wurde dann zum Friedhof von Fontaniva, dem Geburtsort des Bischofs, überführt, wo sich die Familie von Msgr. Camillo im privaten Rahmen verabschiedete.
Pater Claudio Lurati erinnert sich:
Bischof Camillo Ballin hat sein Leben jenem Teil der Welt gewidmet, der vom Persischen Golf über Ägypten und das Heilige Land bis nach Khartum reicht. Gemeinsam ist all diesen Ländern die arabische Sprache. Genau mit diesem Arabischstudium hat seine Reise im Jahr 1969 in Zahle im Libanon begonnen.
Seit 1972 hat P. Camillo 18 Jahre lang durchgehend in Ägypten gewirkt, als Pfarrer von St. Josef in Zamalek (Kairo), dann als Provinzial und Lehrer. In dieser Zeit hat er seine Arabischkenntnisse vertieft wie auch seine Kenntnisse der liturgischen Traditionen des östlichen Christentums. Darüber hinaus hat er in diesen Jahren zur Entstehung mehrerer Neokatechumenalen Gemeinschaften in Kairo beigetragen.
Anschließend verbrachte er sieben Jahre im Sudan, wo eine seiner am meisten geschätzten Begabungen zu Tage kam: seine akademische Laufbahn. Er errichtete das Catholic Teachers Training Centre, ein Universitätsprogramm, das von der Regierung anerkannt wurde, um Lehrer für die christliche Religion auszubilden. Dieses Werk besteht heute noch und spielt eine ganz wichtige Rolle für die christliche Ortskirche. Aus dieser Zeit in Khartum existiert noch ein Foto aus dem Jahr 1993, das ihn als Übersetzer zeigt beim Treffen von Papst Johannes Paul II. mit dem Präsidenten Omar al-Baschir.
Von 1997 – 2000 studierte er am Päpstlichen Institut für Orientalistik und promovierte mit einer Arbeit über die Beziehung der Mahdia zu den Missionaren. Daraus wurde dann das Buch „Christus und der Mahdi“ (Ed. Emi). Sein Forschungsbeitrag wurde zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Quellen- und Geschichtsforschung über jene Zeit, die eine heroische und leidvolle zugleich war. Die folgenden fünf Jahre verbrachte P. Camillo in Kairo als Rektor des Instituts „Dar Comboni“, einer Sprachschule für Arabisch und arabische Kultur, die Personen ausbildet, die in der arabischen Welt eingesetzt werden.
Nie eine Klage, sondern ein stiller und klarer Weg, denn wer alles gegeben und empfangen hat, lebt nicht im Kummer, nicht einmal in einer Extremsituation.
Genau da kreuzten sich erstmals unsere Wege. Ich war damals Oberer der Delegation von Ägypten. Es gab zwischen uns eine intensive und fruchtbare Zusammenarbeit. Zu dieser Zeit brachte seine akademische Laufbahn nochmals gute Früchte hervor: seine Ausarbeitung einer Studienmethode für Arabisch, die im Dar Comboni bis heute Anwendung findet, und die Anerkennung des Dar Comboni als Päpstliches Institut.
Ich habe durch P. Camillo Ballin und seine Kompetenz immer große Unterstützung erfahren und viel Hilfsbereitschaft in verschiedensten Situationen, bis zum Jahr 2005, als er zum Apostolischen Vikar von Kuwait ernannt wurde. Das war für ihn – aber auch für uns, die wir ihn in den folgenden Jahren begleiteten – ein weiterer mutiger Aufbruch. Es war nicht nur sich daran zu gewöhnen, ihn jetzt als „Monsignore“ anzusprechen, sondern die Augen zu öffnen und das „Christentum am Golf“ zu entdecken, eine Realität von Millionen von Christen, die im Persischen Golf arbeiten und ihren Glauben mit Mut und Frische beispielhaft leben.
2011 wurden die eklesiastischen Grenzen in der Golfregion neu definiert. Bischof Ballin zog von Kuwait City nach Bahrain um, weil zu seiner pastoralen Verantwortung auch Bahrain, Katar und Saudi-Arabien dazukamen. In Bahrain hatte er eine sehr nutzbringende Beziehung zu den zivilen Autoritäten. Er bekam die Staatsbürgerschaft von Bahrain und ein Grundstück für den Bau einer neuen Kathedrale zugesprochen. Das war ein großes Projekt, dem er sich sehr gewidmet hat. Die Verwirklichung dieses Projektes ist bereits gut vorangekommen, aber er selbst kann dessen Abschluss nicht mehr erleben.
Seine Hauptbeschäftigung war der Besuch seiner christlichen Gemeinden, die im Vikariat existierten. Ich glaube, in der Welt gibt es wenige Wirklichkeiten mit einer solchen linguistischen, kulturellen und liturgischen Komplexität, wie in seinem Vikariat von „Arabia Settentrionale“. Bei so einer internationalen Zusammensetzung seines Volkes Hirte sein und die Einheit fördern, war eine herausfordernde Aufgabe. Er wurde dabei von Daniel Comboni inspiriert und hat seine Gläubigen immer wieder ermahnt, ihre Situation als eine missionarische Gelegenheit wahrzunehmen und in dieser Grenzsituation das Evangelium zu verkünden.
Anfang Februar dieses Jahres, während seines Besuchs der Gemeinden in Riad in Saudi-Arabien, tauchte plötzlich die Krankheit auf, die seine letzten Tage prägen sollten. Er kam nach Italien und wurde in die Gemelli-Klinik eingeliefert. Dort erhielt er die Diagnose, die kaum Raum für Hoffnung erlaubte. Zwischen dem ersten und dem zweiten Aufenthalt in Gemelli verbrachte Bischof Ballin fast einen Monat im Haus der Comboni-Missionare. In dieser Zeit wurde ihm langsam bewusst, dass der Moment gekommen ist, „alles zu überlassen“.