Lesen Sie mit freundlicher Genehmigung den Beitrag von Eugen Fallenbüchel von der Schwäbischen Post zum Vortrag von Dr. Ali Hassan Al-Gamrah (Foto: Eugen Fallenbüchel), der in der Landes-Erstaufnahmestelle in Ellwangen arbeitet, über die Lage im Jemen.
Im Rahmen der ökumenischen Friedensdekade berichtete der Arzt Ali Al-Gamrah, der in der LEA Ellwangen arbeitet, über sein Heimatland, den Jemen. „Der Jemen ist ein wunderschönes Land“, eröffnet er seinen Vortrag im Haus der Comboni-Missionare. „Einziger Wermutstropfen: Es wird seit vier Jahren von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert.“ Das eigentlich Schlimme an dem verheerenden Krieg sei, dass die Menschen dort noch nicht einmal verstehen, weshalb überhaupt gekämpft werde. Es sei ein Stellvertreterkrieg, den Saudi Arabien und der Iran im Jemen führen und der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werde, sagte Al-Gamrah.
Bereits 2015 ist der in seiner Heimat angesehene Chirurg mit seiner Familie nach Deutschland emigriert. Er war nicht bereit, sich für eine der streitenden Parteien zu entscheiden. Die Krux dabei: Ein prominenter Arzt, der nicht für die „Richtigen“ ist, ist gegen sie und damit an Leib und Leben gefährdet. Gerade noch rechtzeitig bekam Al-Gamrah für sich und seine Familie ein Visum und konnte das Land verlassen. Derzeit ist der 70-jährige Mediziner in der medizinischen Versorgungsabteilung der LEA Ellwangen angestellt. Die Arbeit dort macht ihm sichtlich Freude. „Ich komme sehr gut zurecht, weil ich arabisch, englisch und deutsch spreche“, erklärt er. Sein Medizinstudium hat er in Greifswald, in der ehemaligen DDR, absolviert. Promoviert hat er an der Uni Bonn und den Facharzt in Siegen und Bielefeld erworben.
Es war der Comboni-Missionar Pater Reinhold Baumann, stark in der Friedensarbeit engagiert, der Dr. Al-Gamrah für einen Vortrag über seine hier weitgehend unbekannte Heimat, den Jemen, gewinnen konnte. Seinen Aufenthalt in Deutschland sieht der Redner nicht als endgültig an: „Wenn man eine Sache liebt, kämpft man darum bis zur letzten Stunde“, zitiert er ein jemenitisches Sprichwort.
Darum, beteuert er, würde er auch gerne wieder in den Jemen zurückkehren, um dort zu leben und zu arbeiten.
Der Jemen befindet sich im Süden der arabischen Halbinsel. Er ist gut drei Mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, hat aber nur 32 Millionen Einwohner. Die Ursachen für den aktuellen Konflikt sind vielfältig: religiöse, wirtschaftliche und strategische Interessen, Machtstreben und differierende Ideologien.
2011, infolge der Proteste des „Arabischen Frühlings“, trat der damalige Präsident zurück. In der Folge gewann die regierungskritische Rebellengruppe der „Huthis“, die vom Iran unterstützt wird, stark an Zulauf. Seit 2015 versucht eine Militärallianz, angeführt von Saudi Arabien, die Huthi-Rebellen im Jemen zu entmachten. Die Hälfte der Einwohner des fruchtbaren Landes, dessen Geographie von Bergen und grünen Tälern geprägt wird, leidet bitteren Hunger. Durch den Krieg wurde nahezu die gesamte Infrastruktur zerschlagen: Müllabfuhr, Straßen, Wasserversorgung, das Bildungswesen und das Gesundheitssystem. Weil wirksame Medikamente und Nahrungsmittel fehlen, dezimieren Hunger und Cholera die Bevölkerung. Von offizieller Seite wird von rund 15.000 Opfern gesprochen. Tatsächlich dürfte die Zahl der Toten jedoch knapp zehnmal so hoch sein. Insgesamt sollen bislang bis zu 300.000 Menschen zu Schaden gekommen sein.
„In diesem Krieg gibt es keine Guten“, so Dr. Al-Gamrah, „und wenn er zu Ende ist, bleiben uns die Landminen, die noch sehr lange ihren Tribut an Menschenleben fordern werden.“ Ähnlich wie Deutschland war der Jemen bis 1990 ein geteiltes Land. Die Jemeniten beschreibt er als fleißiges Volk. Knapp drei Millionen sind als Gastarbeiter in den arabischen Staaten beschäftigt. Ein traditionelles Problem im Jemen ist der Kathgenuss. Die jungen Blätter des Kathstrauches werden von den Zweigen gezupft und im Mund zerkaut. Ein leichtes Rauschmittel, das in seiner anregenden Wirkung dem Koffein ähnelt.
Der Jemen grenzt im Süden und im Westen jeweils ans Meer. Zum Staatsgebiet zählen rund 120 Inseln. Darunter auch die Insel Sokotra, im nordwestlichen Indischen Ozean. Sokotra besticht durch eine einzigartige Pflanzen- und Tierwelt. In früheren Zeiten diente die Insel, die rund 300 Kilometer vom Festland entfernt liegt, dem damaligen Regime, politisch unliebsame Zeitgenossen sicher zu verwahren.
„Der Jemen“ war für die Zuhörer im Missionshaus der Comboni-Missionare ein bereichernder, aber auch nachdenklich stimmender Bericht über ein fremdes Land mit vielen Facetten. Weitgehend unbekannt, mit einer einzigartigen Natur, einer interessanten Architektur, kriegs- und krisengeschüttelt, emotional, aber auch sehr authentisch vorgestellt durch Dr. med. Ali Al-Gamrah.
© Schwäbische Post 19.11.2018