Tumaco im Südwesten von Kolumbien ist vielleicht ein kleiner Ort, aber von weltweiter Bedeutung: Die Stadt ist mit 19.546 Hektar Anbaufläche der größte Koka-Produzent, das sind elf Prozent der landesweiten Produktion. In den vergangenen Jahren hielt sie jedoch den zweifelhaften Rekord als Stadt mit den meisten Morden der lateinamerikanischen Region.
Die Comboni-Missionare gingen 2004 erstmals nach Tumaco, um ein Land zu begleiten, das hauptsächlich von Afro-Kolumbianern bewohnt wird und sich in einem bewaffneten Konflikt befindet. Gleich nach ihrer Ankunft ließen sie sich am Rande der Stadt in einer Gemeinde von Vertriebenen nieder, die ihre Heimat aufgrund der Gewalt bewaffneter Gruppen verlassen hatten.
Das Gebiet von Tumaco war den meisten Kolumbianern nicht geläufig, ist aber in letzter Zeit für seine Gewalt und den Drogenhandel bekannt geworden. Es ist nicht nur weit entfernt von den großen kolumbianischen Machtzentren, es gilt auch anthropologisch gesehen: Dort lebt die afro-kolumbianische Bevölkerung, die seit vielen Jahrhunderten an den Rand gedrängt und ausgeschlossen wurde. Seit einigen Jahrzehnten nehmen sie Anteil am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben des Landes.
Dies liegt zum einen daran, dass sie keine Minderheit sind, sondern 20 % der Bevölkerung ausmachen, und zum anderen daran, dass sie zunehmend in Bereiche vordringen, die früher nur den Weißen vorbehalten waren. Auch innerhalb der Kirche haben die Afroamerikaner in einem langwierigen Prozess der Inkulturation an Respekt und Stärke gewonnen. Nach Jahrhunderten der Marginalisierung und Unterdrückung wurden in letzter Zeit Fortschritte erzielt. In Kolumbien gibt es jedoch noch keinen afrikanisch stämmigen kolumbianischen Bischof.
Die Diözese Tumaco ist weitläufig, nur wenige Zufahrtsstraßen führen dorthin. Den größten Teil der Region erreicht man auf dem Seeweg über die in den Pazifik fließenden Flüsse. Die ländlichen Gemeinden haben keinen Strom, keine Wasserversorgung und keine grundlegenden Dienstleistungen. Es gibt nur wenige Schulen und keine gut funktionierenden Gesundheitszentren. Der Ernst der Lage wurde durch das Coronavirus deutlich. Ungezählte Tausende von Infizierten fielen dem Virus zum Opfer. Seit dem Jahr 2000 konkurrieren verschiedene paramilitärische Gruppen um das Gebiet und kontrollieren den Drogenhandel mit Waffengewalt, was viele Opfer forderte.
Die Comboni-Missionare haben sich für ein Leben in einer existenziellen Peripherie entschieden, was sie auf eine harte Probe gestellt hat. Pater Daniele Zarantonello, der seit 17 Jahren in Tumaco lebt, berichtet: „Es ist schwierig, Zeichen des Fortschritts aus menschlicher oder pastoraler Sicht zu erkennen; es ist schwierig, mit jungen Menschen über ‚Träume‘ zu sprechen, wenn die Situation ihnen nicht erlaubt zu träumen. Es ist eine komplexe Angelegenheit, an Investitionen zu denken oder soziale Projekte zu planen, wenn man sofort der räuberischen Erpressung durch bewaffneten Gruppen ausgesetzt ist. Wir haben uns für eine andere Art entschieden, hier zu sein: Wir sind eine Präsenz, ein Licht, und wir sind auch der ‚anonyme Widerstand‘“.
Mindestens 271 Anführer der Gemeinschaft in Kolumbien wurden seit der Umsetzung des Friedensabkommens Anfang 2017 getötet, während weiterhin bewaffnete Gruppen in das von der Farc verlassene Gebiet eindringen, insbesondere in Tumaco: Viele wurden getötet, als sie versuchten, ihr Gebiet gegen Megaprojekte (Palmöl, Öl, Gold, Holz, Wasser) zu verteidigen, oder weil sie es gewagt hatten, von einem Land ohne Drogenhandel zu träumen. Es waren die Initiatoren dieser Projekte, die die Paramilitärs nach Tumaco brachten, skrupellose Söldner, die jahrelang ein ganzes Volk gequält haben.
Pater Zarantonello erinnert sich an seine erste Reise nach Tumaco: „Die Menschen und das Land sollten der Anlass für unsere Anwesenheit hier sein. Deshalb begannen wir, eine Pfarrei mit all ihren Strukturen aufzubauen. Im Lauf der Jahre gründeten wir drei Jugendzentren in den gewalttätigeren Vierteln der Gemeinde. Im Viertel Viento Libre wurde gemeinsam mit den Leitern der Familiengruppen eine kleine Schule gegründet, die sich mit dem Thema ‚Bildung in Notzeiten‘ befasst. Das Projekt nennt sich ‚Erziehung auf den Straßen von Viento Libre‘ und hat zum Ziel, die problematischsten und verletzlichsten Kinder zu begleiten“.
Der Missionar fährt fort: „Nachdem die Paramilitärs das Gebiet verlassen hatten, begannen wir mit den Verantwortlichen der Gemeinde im Panama-Viertel, eine ‚kleine Berufsschule‘ einzurichten, die auch Schulunterricht, persönliche Begleitung und die Vermittlung christlicher und gemeinschaftlicher Werte durch die Pädagogik der Sanftheit, der Fertigkeiten, des Tanzes, der Musik und der Kunst bietet. Im Viertel Nuevo Milenio haben wir ein afro-kolumbianisches Jugendzentrum eingerichtet. Es ist ein Treffpunkt für das Viertel und bietet eine Ausbildung in Spiritualität, Kultur und Frieden durch Tanz, Musik, eine Bibliothek, Jugendgruppen, Katechese, Familiengruppen, die sonntägliche Eucharistiefeier und die Fußballschule ‚Afropacífico‘.“
Die Pfarrkirche befindet sich im Viertel El Carmelo, und dort haben die Missionare das Jugendzentrum San Daniel Comboni mit einer Bibliothek, Nachhilfe, einem Internetraum, einer Gruppe außergewöhnlicher Frauen und der Gesangsgruppe Buen Vient eingerichtet. Sie singen ihre Lieder, die von den Problemen der Gemeinschaft sowie der Hoffnung und dem Glauben, mit dem sie ihnen begegnen, erzählen. Sie bieten allen, die in die Pfarrei kommen, geistlichen Beistand in Form von Katechese, Familiengruppen, Andachtsgruppen und sozialen Bewegungen.
Neben der Arbeit in den Pfarreien bemühen die Comboni-Missionare sich, die Diözese Tumaco zu begleiten, indem sie die Koordination (EDAP, Kollegium der Konsultoren, Vikariate) und einige pastorale Bereiche (Katechese, Jugend- und Berufungspastoral und soziale Medien) unterstützen.
Pater Zarantonello unterstreicht: „Wir wollen die existentiellen Peripherien der Menschen erreichen, wo ‚das Leben schreit‘, wie die Lateinamerikanische Konferenz der Ordensleute (CLAR) es ausdrückt. Deshalb versuchen wir, die ländlichen Gebiete unserer Diözese regelmäßig zu erreichen, indem wir sie besuchen und über das Diözesanradio ‚Mira‘ mit ihnen in Kontakt bleiben, oder indem wir dreimonatige Ausbildungskurse für Gruppenbegleiter und Katecheten fördern.“
Der Missionar fasst zusammen: „All diese Aktivitäten beziehen viele Menschen mit ein, und wir fürchten uns nicht vor harter Arbeit, denn in jedem Bereich und bei jedem Projekt sind wir immer kleine Gemeinschaften des Glaubens und des Handelns. Unsere ganze Arbeit zielt darauf ab, eine engagierte Gemeinschaft von Laien innerhalb einer Ortskirche zu schaffen, die sowohl missionarisch als auch prophetisch ist.“
Comboni Missionaries‘ Team