Sein Haus in Pressano, in der Nähe von Trient in Italien, ist wie ein Herrenhaus: durch ein Portal aus behauenem Stein gelangt der Besucher in einen großen Innenhof. Von dort führt eine massive dunkle Marmortreppe in einen großen Saal. Balkone und Terrassen verleihen dem gesamten Gebäude einen Hauch aristokratischer Eleganz.

Vittorio ließ sein künstlerisches Talent früh erkennen, als er die Wände mit Fresken verschönerte. Die Landschaften, religiöse und florale Motive passten wunderbar in die Umgebung und brachten die Empfindungen der ganzen Familie farbenfroh zum Ausdruck.

Vittorio wurde am 15. Oktober 1901 geboren. Im Alter von 24 Jahren verließ er sein Dorf und leistete von Oktober 1925 bis April 1927 seinen Militärdienst.  Nach der Rückkehr zu seiner Familie war Vittorio in der Organisation der Katholischen Aktionsbewegung aktiv.  Zu dieser Zeit bereicherte Vittorio seine spirituelle Leidenschaft durch die Lektüre von Missionszeitschriften. Zu Anfang war die Idee für ihn einfach ein Traum, aber der Traum kehrte immer wieder, so dass er ihm viele schlaflose Nächte bereitete, deshalb sprach er eines Tages mit seinem Pfarrer darüber.

Der Priester sagte: „Wenn es jemanden gibt, der die Voraussetzungen erfüllt, Missionar zu werden, dann bist du dieser Mensch. Es gibt jedoch ein kleines Problem.“ „Was ist das?“, fragte Vittorio. „Du hast nur die Grundschule gemacht, und du bist jetzt ziemlich alt. Ein Priester muss studieren“, fuhr der Priester fort. Vittorio antwortete: „Aber ich könnte Brudermissionar werden. Ich habe gehört, dass Brüder in der Mission viel Gutes tun.“ Der Priester sagte: „Das ist richtig. Warum sprichst du nicht mit den Comboni-Missionaren in Trient?“

Eines Morgens beschloss Vittorio zu gehen.  Die Gespräche, die er mit einem Comboni-Missionar führte, halfen ihm, alle Aspekte einer missionarischen Berufung zu klären. „Missionar zu sein bedeutet, dass man ein Mann Gottes und ein Vater der Gläubigen sein muss, besonders der Verlassensten und Bedürftigsten, so wie Bischof Daniel Comboni, der Gründer unserer Kongregation, es gelehrt hat“, erklärte ihm der Missionar. „Ich kann aufrichtig bestätigen, dass genau dies die treibende Kraft hinter meiner Wahl ist: die Liebe zu Gott und den Nächsten. Wenn ich ein bequemes Leben führen wollte, würde ich einfach zu Hause bleiben, wo ich Gott sei Dank alles habe, was ich brauche“, antwortete der junge Mann. „Wenn du so denkst, dann schicke einfach deine Bewerbung. Ich bin sicher, dass du aufgenommen wirst“, fügte der Priester hinzu.

Vittorio bewarb sich am 16. August 1928.  Einen Monat später trat er in das Noviziat in Venegono ein, um umgehend mit der Vorbereitung auf das Missionsleben zu beginnen. Am 21. April des folgenden Jahres nahm er das Habit, am 2. Februar 1931 legte er seine zeitlichen Gelübde ab.

Im Juli 1931 war Bruder Vittorio Fanti bereits in Khartum, wo er Querici unterstützte, den syrischen Maler, der aus Kairo eingeladen worden war, um die neu erbaute Kathedrale der sudanesischen Hauptstadt und die Kapelle des Comboni-Kollegs auszugestalten. Das war der Beginn seiner langen Karriere als Maler.

Bruder Vittorio war vier Jahre in Khartum, und sein Werk kann noch heute bewundert werden. Bevor die ganze Arbeit abgeschlossen war, wurde er nach Uganda versetzt. Die Kathedrale von Gulu wartete auf sein künstlerisches Talent, aber als er dort ankam, sagte jemand, dass es etwas Dringenderes gäbe, das die Fähigkeit eines guten Bruders erforderte. Bruder Vittorio sperrte seine Pinsel und Pigmente in einen Schrank und wurde umgehend zum Maurer und Zimmermann. Vittorio war sehr sanftmütig und respektvoll gegenüber anderen, er wusste, wie man ein Gespräch mit passenden Worten und dem richtigen Tonfall führte. Er konnte viele Menschen perfekt nachahmen, doch immer zur Belustigung und nie beleidigend. Manchmal verbrachte er seine Freizeit damit, fantastische Pläne für mehrstöckige Autobahnen für Karamoja, den trockensten Teil Ugandas, zu entwerfen oder andere futuristische Träume zu beschreiben, und entlockte damit sogar unerschütterlich selbstbeherrschten Menschen ein Lächeln.

Im Mai 1953 wurde Bruder Vittorio nach England geschickt, um Englisch zu lernen. Ein paar Monate später war er bereits wieder in Afrika.  Dort bleib er lange Jahre, ohne nach Europa zurückzukehren, arbeitete in den meisten Missionsstationen in Uganda und Kenia und trug mit seiner Kunst zu ihrer Entwicklung bei. Es gibt so viele Kirchen, die die Handschrift von Bruder Vittorio tragen, dass man meinen könnte, alles, was er tat, war malen: nicht ganz, er war abwechselnd Maurer, Zimmermann und Hausmeister. Hier lag seine Größe: Er konnte mit der gleichen Freude und Glückseligkeit von der hohen Kunst der Malerei zu der bescheidenen Aufgabe des Mischens von Mörtel oder der Hausarbeit wechseln.

Aber natürlich wird Bruder Vittorio immer als missionarischer Maler in Erinnerung bleiben. Mit diesem Mittel verbreitete er die Botschaft des Evangeliums; seine Bilder predigen dem Volk von Christus. So wird seine „Predigt“ fortdauern und sogar Kraft schenken, solange seine Bilder Bestand haben. Jedes seiner Gemälde ist eine Katechese, die Frucht tiefgreifenden persönlichen und genauen Studiums, das Ergebnis seiner Gebete und Meditation. Er hat nie kopiert oder nachgeahmt. Jedes Bild ist eine neue Schöpfung, die seinem empfindsamen Geist entstammt. Man kann sagen, dass Bruder Vittorio durch seine Worte und seine Kunst tatsächlich ein vollkommener Katechist war. Seine Offenheit gegenüber den Afrikanern fiel sofort auf. Er nahm ihre Bräuche und Lebensweise als gegeben.

Wie viele andere Missionare hat Bruder Vittorio den tragischen Wandel Ugandas vom „Land des Überflusses“ in ein Land blutiger Konflikte miterlebt. Auch er litt Angst, musste sich bei der Ankunft bewaffneter Banden verstecken oder in den Busch fliehen. Trotzdem wirkte er nie entmutigt, nie äußerte er ein Wort der Schwarzseherei oder rief Gottes Fluch auf irgendeinen Menschen herab.

Die ersten dreißig Jahre seiner Missionstätigkeit ließen ihm wenig Zeit für sein künstlerisches Talent. Er war mit dem Bau von Häusern, Kirchen, Schulen und Krankenhäusern beschäftigt.  Während der folgenden Jahren stieg die Nachfrage nach seiner Kunst, nicht nur von den Comboni-Missionaren, sondern auch von Diözesanpriestern und Mitgliedern anderer Kongregationen. Bruder Vittorio hätte gerne ihnen allen geholfen, aber seine Kräfte ließen mit zunehmendem Alter nach.

Seine letzte Arbeit war der Kopf eines Pferdes, bei dem er Papier auf einen Drahtrahmen geklebt hatte: ein Meisterstück für die Schule. In Uganda sind Pferde praktisch unbekannt. Fanti wollte wohl seine künstlerische Karriere mit einer Arbeit beenden, die das wiedergab, was er in der Jugend so geliebt hatte: das Pferd. Da er in der Nähe von Kampala lebte, wurde er häufig von Mitbrüdern besucht. Ende 1988 wurde er nach Aber in den Ruhestand versetzt, um, wie er sagte, auf den letzten Ruf des Herrn zu warten. Dieser kam am 19. Juni 1989. Die Ärzte und Mitbrüder hatten zuvor bemerkt, dass er schnell nachließ, aber er versuchte, nie gemeinschaftliche Veranstaltungen zu verpassen und benutzte einen Rollstuhl, um zur Kirche zu kommen.

Erst ganz am Ende gestattete er sich, den größten Teil des Tages im Bett zu verbringen. Er versuchte bis zuletzt, niemandem zur Last zu fallen. An dem Morgen, der sein letzter sein sollte, bat er um Seife zum Rasieren… aber er war nicht mehr in der Lage, dies zu tun. Er starb am Abend, umgeben von vielen seiner Mitbrüder, die so oft vorbeigekommen waren, um ihn zu begrüßen und um sein Gebet zu bitten, wenn er im Haus des Vaters sein würde. Bruder Vittorio verbrachte diese letzten Augenblicke mit einem stillen Lächeln und mit Sehnsucht nach dem Herrn in seinen Augen.

Comboni Missionaries‘ Team