Am 11. Dezember 2020 ist Pater Silvester Engl kurz vor seinem 84. Geburtstag im Krankenhaus in Bruneck verstorben. Eine Woche später wurde er in seiner Heimat Gais zu Grabe getragen.

In seiner Predigt sagte Pater Hans Maneschg, Rektor der Hausgemeinschaft Brixen-Milland: „Wir erinnern uns mit Dankbarkeit an Pater Vestl, an seine Fähigkeiten und an seinen Einsatz seiner Gaben, mit denen er viele Menschen im Lauf seines Lebens bereichert hat. Ich bin davon überzeugt, dass Gott in uns gerade das Gute, das wir mit seinen guten Gaben anderen erwiesen haben, zur Vollendung und zur vollen Blüte bringt.

Wir danken heute Gott, dass Pater Vestl JA gesagt hat zu seiner Berufung zum missionarischen Dienst in der Kongregation der Missionare vom Herzen Jesu bis zum letzten Atemzug, bis er am Schluss ganz erschöpft war von seiner Krankheit, die Jahre lang an seiner Gesundheit gezehrt hat. Wiederholt ist er als Missionar aufgebrochen, vertrauend auf die neuen Wege, die Gott ihm weisen sollte. Ich möchte drei Hauptbereiche hervorheben, in denen Pater Vestl tätig war.

Als Erzieher: schon ein Jahr nach der Priesterweihe an Peter und Paul 1964 im Dom zu Brixen ist er nach Spanien aufgebrochen, wo er im Seminar der Comboni-Missionare in Saldaña von 1965 bis 1976 als Erzieher wirkte; anschließend folgten acht Jahre als Erzieher im Studentenheim „Xaverianum“ in Milland. Er hatte nicht nur die Begabung, sondern auch Freude an seiner Berufung und konnte auch diese Freude vermitteln. Diese Tage nach seinem Tod habe ich ganz wunderbare Zeugnisse von zwei seiner ehemaligen Studenten aus Spanien erhalten. Einer von ihnen schreibt: Pater Silvester ermutigt uns, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken und an andere Menschen zu denken, besonders an die, die am meisten verwundbar sind.

Ein zweiter Bereich seines missionarischen Einsatzes war der pastorale Dienst. Anfang November 1984 ist er nach Peru aufgebrochen. Die ersten sechs Jahre war er in der Hauptstadt Perus in Lima, in Chorillos, einer neuen Pfarrei an der Peripherie, als Seelsorger im Einsatz. Mit seinem Lächeln und seiner Anteilnahme am Leben der einfachen Leute verstand er es, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Von einer Katechetin dieser Pfarrei kam heute früh die Botschaft an diese hier versammelte Trauergemeinde: wir vereinen uns mit euch in Danksagung für seine Hingabe, für seine Herzlichkeit zu den Kindern, den jungen Menschen, den Familien, die er begleitet hat.

Auch nachdem Pater Vestl Anfang 1999 nach Europa zurückgekehrt war, setzte er diesen pastoralen-missionarischen Dienst fort in verschiedenen Pfarreien (Milland, zuletzt in Latzfons) und in Zusammenarbeit mit Missio Bozen-Brixen. Selbst wie er aufgrund seiner Krankheit sich in den Ruhestand nach Mühlen bei Taufers zurückzog, blieb er auf vielfache Weisen mit den Menschen vernetzt. So blieb er bis zu seinem Lebensende der volksnahe Seelsorger mit einem anziehenden Lächeln für die Menschen.

Ein dritter Bereich war der Leitungsdienst, zuerst als Provinzial der peruanischen Provinz der Comboni-Missionare in Peru (bis Ende Dezember 1997). Zwei Jahre später wurde er zum Provinzial der Deutschsprachigen Provinz mit Sitz in Bamberg bestellt. Vom April 2005 bis Ende August 2015 war er Hausoberer (Rektor) des Missionshauses Milland. In all diesen Bereichen hat sich Vestl als eifriger Arbeiter voll eingesetzt – aber vielleicht in seiner Zielstrebigkeit natürlich auch mit seinen menschlichen Schwächen.

Wie hat Vestl seine Berufung verstanden? Woraus hat er die Kraft geschöpft, dazu zu stehen?  Ich bin überzeugt, dass er inspiriert war von der Spiritualität von Daniel Comboni, für den das Durchbohrte Herz des Guten Hirten das zentrale Symbol war. Für das Andenken Bild hatte er eine Darstellung vom Guten Hirten gewählt, als Evangelium hatte er den Text vom Guten Hirten aus Johannes 10 gewünscht, das soeben verkündet worden ist.

Drei biblische Szenen vom Guten Hirten erscheinen vor meinen Augen, die auch uns in dieser Stunde der Verabschiedung und in dieser Zeit der Corona Pandemie Trost und Kraft spenden für unseren Lebensweg.

Die erste Bild stammt von einem Text aus dem Buch des Propheten Jesaja, der in der Liturgie des Advents verkündet wird: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott… Siehe, Gott, der Herr kommt.. wie ein Hirt weidet er seine Herde, auf seinem Arm sammelt er die Lämmer, an seiner Brust trägt er sie.“ Das ist ein attraktives Bild von einem zärtlichen, väterlichen und mütterlichen Gott, der uns entgegenkommt, der uns Trost schenkt, wo es uns auf unserem Lebensweg durch die Wüste an Hoffnung und Lebensmut fehlt.

Da ist ein zweites Bild vom Hirten, der das verlorene Schaf auf seinen Schultern heimträgt (Lk 15:4). Er trägt unsere Last, die unserer Schwächen und unseres Versagens, unserer Depressionen und unserer Schuld. Er trägt uns heim, wo unsere wahre Heimat in Gott ist. Wie oft ist dieser Gute Hirte in den altchristlichen Friedhöfen, den Katakomben, dargestellt. Von seinem zuhause bei Gott erwarten wir das endgültige Kommen unseres Herrn und Retters Jesus Christus (Lesung Phil 3:20-21), dem Pater Vestl nach der dunklen Nacht der Krankheit und des Todes endgültig begegnet ist.

Das dritte Bild dieses Hirten ist das des am Kreuz Erhöhten – mit seinem Herzen durchbohrt (Joh 19:24). Hier in der Hingabe seines Lebens ereignet sich die höchste Offenbarung der Liebe Gottes, der in der Dunkelheit der Welt mit einem menschlichen Herzen für die Menschen, für uns schlägt und mit den Menschen, mit uns leidet. Der Durchbohrte, aus dessen Seite Blut und Wasser fließen, ist die Quelle für ein Leben des Mitleids und der Solidarität mit den Notleidenden unserer Zeit und unserer Welt. Für Comboni der Urquell, aus der der Missionar, der Christ, Leben schöpft.“