Papst Franziskus zum Weltgebetstag für Flüchtlinge und Migranten am 14. Januar 2018: Der Papst ruft die Weltgemeinschaft auf, Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, sie zu beschützen, zu fördern und ihnen zu helfen sich zu integrieren. Er erinnert daran, dass sich die Vereinten Nationen am 19. September 2016 verpflichtet haben, bis Ende 2028 zwei weltweit gültige Vereinbarungen zu beschließen, eine, bei der es um Flüchtlinge und eine, bei der es um Migranten geht. Lesen Sie die Papstbotschaft in einer Zusammenfassung von P. Reinhold Baumann. (…)

„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten. Du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selber Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott“ (Lev 19,34).

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich habe wiederholt meine Sorge um die Situation vieler Migranten und Flüchtlinge zum Ausdruck gebracht, die vor Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen und vor der Armut fliehen. Jeder Fremde, der an unsere Tür klopft, gibt uns Gelegenheit zur Begegnung mit Christus, der sich mit dem aufgenommenen oder abgelehnten Gast jeder Zeitepoche identifiziert (vgl. Mt 25,35,43). Der Herr vertraut der Kirche jeden Menschen an, der gezwungen ist, die Heimat auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu verlassen. Unsere gemeinsame Antwort kann man in vier Worte aufgliedern: aufnehmen, schützen, fördern und integrieren.

Aufnehmen

Das bedeutet vor allem, Migranten und Flüchtlingen eine sichere und legale Einreise zu ermöglichen. Das Ausstellen von Visa zu humanitären Zwecken und zur Wiedervereinigung von Familien müsste einfacher werden. Eine größere Zahl von Ländern müsste Programme privater und gemeinschaftlicher Patenschaften einrichten und humanitäre Korridore für die am meisten gefährdeten Flüchtlinge eröffnen. Die kollektive Ausweisung von Migranten und Flüchtlingen ist keine Lösung, vor allem, wenn dies in Länder geschieht, wo die Achtung der Grundrechte nicht gewährleistet ist. Man muss den Migranten und Flüchtlingen eine angemessene Unterbringung anbieten. Die menschliche Person muss im Mittelpunkt stehen. Die Sicherheit der Personen ist der Sicherheit des Landes voranzustellen.

Beschützen

Unabhängig von ihrem Migrantenstatus haben Migranten und Flüchtlinge Rechte und eine Würde. Um nicht ausgebeutet zu werden, brauchen sie schon in der Heimat zuverlässige Informationen. Am Ort der Einwanderung brauchen sie eine angemessene konsularische Betreuung, Ausweispapiere, Zugang zur Justiz, die Möglichkeit zur Eröffnung von Bankkonten und eine Mindestlebensversorgung. Wenn ihre Fähigkeiten erkannt und genutzt werden, stellen sie eine echte Ressource für die Gemeinschaft dar, die sie aufnimmt. Kinder und Jugendliche müssen zur Schule gehen können. Das Recht auf eine Nationalität muss den Kindern von Geburt an zuerkannt und bescheinigt werden.

Fördern

Fördern heißt, sich dafür einsetzen, dass sie in der Lage sind, sich als Personen zu verwirklichen. Dazu gehört Bekenntnis- und Religionsfreiheit. Viele Migranten und Flüchtlinge weisen Qualifikationen auf, die angemessen bescheinigt und geschätzt werden sollten. Arbeit verbindet Völker. Darum muss die Eingliederung der Migranten und Flüchtlinge in der Gesellschaft und in die Arbeitswelt vorangetrieben werden, damit diese die Möglichkeit zur Arbeit, zu Sprachkursen und zu aktiver Bürgerschaft bekommen. Die Familie ist ein Integrations- und Wertefaktor. Ihre Integrität sollte durch die Wiedervereinigung der Familien gefördert werden. Der Familiennachzug sollte nicht wirtschaftlichen Erfordernissen unterworfen werden. Migranten, Asylbewerbern und Flüchtlingen mit Behinderung brauchen besondere Aufmerksamkeit.

Integrieren

Integration ist mehr als Anpassung. Die eigene kulturelle Identität sollte nicht unterdrückt werden. Notwendig ist eine Kultur der Begegnung. Man muss Möglichkeiten zum interkulturellen Austausch schaffen. Ausländer, die gezwungen sind, das Einwanderungsland wieder zu verlassen, brauchen eine angemessene Unterstützung für die Heimkehr und für die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt in ihrem Heimatland.

Die Kirche setzt sich für die Umsetzung der oben vorgeschlagenen Initiativen ein. Aber der Beitrag der politischen Gemeinschaft und der zivilen Gesellschaft ist unverzichtbar.

Während des Gipfels der Vereinten Nationen am 19. September 2016 in New York haben die Verantwortungsträger der Welt ihren Willen zum Ausdruck gebracht, sich zugunsten der Migranten und der Flüchtlinge zu engagieren. Sie haben sich verpflichtet, bis Ende 2018 zwei weltweit gültige Vereinbarungen zu beschließen, eine, bei der es um die Flüchtlinge und eine, bei der es um Migranten geht.

Liebe Brüder und Schwestern, die nächsten Monate sind eine günstige Gelegenheit für konkrete Aktionen, die ich in den vier Worten deklinieren will: aufnehmen, schützen, fördern und integrieren. Lasst uns lernen, in Übereinstimmung mit Gottes Gebot den Fremden zu lieben wie uns selbst.

 

Vatikanstadt, am 15. August 2017