Seit dem 17.11.2015 sind die Brüder Suheeb und Oday bei den Comboni-Missionaren im Kirchenasyl. Die beiden Christen sind vor über einem Jahr aus dem Irak geflohen, weil der IS (Islamischer Staat) ihre Stadt eingenommen und zerstört hat. Nun hoffen sie auf eine Zukunft in Deutschland.

Schwierig waren die Lebensumstände für Christen schon vor Ankunft des IS

Suheeb und Oday kommen aus der Stadt Qaraqosh, die ganz in der Nähe von Mossul liegt. Vor dem Einmarsch des IS waren ca. 90% der 50.000 Menschen in Qaraqosh Christen. In den Dörfern um Qaraqosh lebten fast nur Muslime. Das Leben im Irak war schon immer schwierig für Christen, erzählt Suheeb, denn sie würden von den Muslimen religös verfolgt, obwohl sie auch eine indigene Bevölkerungsgruppe im Irak seien. Als Student litt er oft unter Ausgangssperren für Christen an verschiedenen Wochentagen, an denen er dann nicht zur Universität in Mossul gehen konnte und dadurch verpasste er so manche Prüfung. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte er sein Informatikstudium 2007 mit dem Bachelor beenden, fand dann jedoch keine Arbeit als Informatiker, weil niemand einen Christen beschäftigen wollte. Das Studium selbst war auf Arabisch, vereinzelt gab es zwar Literatur auf Englisch, aber das war nicht gern gesehen. Saddam Hussein hatte veranlasst, dass alle Menschen im Irak Arabisch sprechen sollten – und nur Arabisch. Suheeb und Odays Muttersprache ist jedoch Aramäisch. Heute, so Suheeb, falle es ihm schwer, das aramäische Alphabet zu benutzen, sodass er oftmals das arabische Alphabet benutzt wenn er auf Aramäisch mit Freunden und Familie schreibt.

Als die USA 2003 in den Irak einmarschierten, um Saddam Hussein zu stürzen und angeblich vorhandene Massenvernichtungswaffen zu vernichten (diese Behauptung der Bush-Regierung stellte sich später als Lüge heraus), zerstörten sie große Teile der Infrastruktur, kriegerische Auseinandersetzungen waren an der Tagesordnung und das Leben der Zivilisten wurde allgemein viel unsicherer. Die USA und ihre Verbündeten konnten den Krieg nicht gewinnen und das Land nicht vollständig kontrollieren. So konnten extremistische Gruppen Teilregionen unter ihre Kontrolle bringen.

Flucht nach Deutschland

Im Juni 2014 drang der IS nach Mossul vor und zwei Monate später kamen sie dann nach Qaraqosh. Dort führten sie drei neue Richtlinen ein: entweder, man konvertiert zum Islam, oder man bezahlt jeden Monat Geld („Kopfsteuer“) oder man wird getötet. Für die Brüder und ihre Familie war unter diesen Umständen klar, dass sie nicht länger in Qaraqosh bleiben konnten, besonders weil ein Bruder vom IS schon getötet worden war. Suheeb und Oday flohen gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern, wie ihrer Mutter und ihrer schwangeren Cousine, nachmittags in Richtung Norden in das Gebiet, das auch als „Kurdistan“ bekannt ist. Ihr Vater und ein anderer Bruder flohen erst am Abend. Sie konnten keine Papier wie Pass oder Personalausweis mitnehmen, da in diesem die Religion eingetragen ist und sie bei einer Kontrolle des IS sofort als Christen erkannt werden würden und getötet werden könnten.

In Kurdistan kamen sie in einem Flüchtlingslager unter, wo sie vier Monate blieben. Dann machten sich Suheeb und Oday auf den Weg nach Deutschland, wo sie einen Bruder und eine Schwester in Freiburg haben, die dort schon seit vielen Jahren leben. Über die Türkei flohen sie nach Bulgarien, wo sie ins Gefängnis gesteckt wurden und erst nach über einem Monat und der Zahlung einer großen Menge Geld freigelassen wurden. Zu Fuß ging es weiter über Ungarn, Österreich bis nach Deutschland. Den ganzen Weg legten sie zu Fuß zurück, bei Hitze und Kälte, schliefen auf der Straße, in kleinen Kapellen, nirgendwo war Platz. Hunger, Durst, Erschöpfung und Angst waren ihre ständigen Begleiter.

In Deutschland versuchten die beiden Brüder, sich mit ihrem Bruder aus Freiburg zu treffen, doch sie mussten zunächst ins Flüchtlingslager Zirndorf, wo sie einen Tag blieben. Von dort ging es für sie nach Fürth und schließlich im April 2015 in die Flüchtlingsunterkunft in der Petersstraße im Stadtteil Gleißhammer, in direkter Nachbarschaft vom Comboni-Haus.

Kirchenasyl

Am 17.11.2015 flüchteten sich Suheeb und Oday ins Kirchenasyl, denn es drohte ihnen die Abschiebung nach Bulgarien. Seit den sogenannten „Dublin-III-Bestimmungen“ (2013) der Europäischen Union müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie angekommen sind. Das wäre im Fall der Brüder Bulgarien – wo sie schon im Gefängnis saßen und ihnen wohl wieder Gefängnis drohen würde. Das Kirchenasyl ist eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. Es handelt sich bei Kirchenasylanten meistens um Flüchtlinge, die in einem anderen Land als Deutschland angekommen sind, in Deutschland aber einen Asylantrag stellen wollen oder gestellt haben, denn es gilt: wenn sie erwiesenermaßen länger als sechs Monate in Deutschland sind, können sie auch hier einen Asylantrag stellen. Suheeb und Oday wollten mit dem Eintritt ins Kirchenasyl die Möglichkeit nutzen, auf nicht illegalem Weg einen Asylantrag in Deutschland stellen zu können. Seit sie im Kirchenasyl sind, dürfen sie das Gelände der Pfarrei nicht verlassen.

In den letzten Monaten halfen die Brüder in der Küche und im Garten und lernten fleißig Deutsch. Vier Stunden sitze er jeden Tag am Computer, um Deutsch zu lernen, berichtet Suheeb. Sein Deutsch ist mittlerweile beinahe fließend und nun behrrscht er drei verschiedene Alphabete: das arabische, aramäische und das lateinische.

Seit ein paar Tagen ist das Kirchenasyl für die beiden Brüder nun offiziell beendet: ihrem Antrag auf Stellung eines Asylantrages in Deutschland wurde statt gegeben. Sie dürfen nun das Gelände der Pfarrei verlassen, ohne fürchten zu müssen, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Wohin sie genau kommen werden, steht noch nicht sicher fest. Die beiden freuen sich darauf, bald hoffentlich ihr neues Leben beginnen zu dürfen und zur Ruhe kommen zu können.

Wir wünschen den beiden alles Gute und Gottes Segen!