geboren am 09.06.1938 in Milowitz/CZ
Zeitliche Gelübde: 29.09.1959
Ewige Gelübde: 18.12.1964
Priesterweihe: 29.06.1965
verstorben am 01.03.2020
beigesetzt in Ellwangen/D
Die bittere Erfahrung von Vertreibung und Rechtlosigkeit in seiner Kindheit hat Pater Anton Ellinger geprägt: Geboren ist er 1938 in Millowitz – heute Milovice – in Südmähren in Tschechien, kaum zehn Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Es war während der kurzen Zeit, in der die deutsche Minderheit, konkret die Nationalsozialisten, alle Macht im Land hatte. Sieben Jahre später hatte sich das Blatt gewendet, und die Rache war furchtbar. In einer wilden Vertreibung, im so genannten Brünner Todesmarsch, wurde die dort seit Hunderten von Jahren ansässige deutschsprachige Bevölkerung Ende Mai 1945 über die Grenze getrieben. Unter ihnen waren seine Oma und seine Mutter mit vier Kindern, eines von ihnen der siebenjährige Anton.
Auf Wegen, die dem heutigen Flüchtlingsdrama nicht unähnlich waren, kamen sie schließlich nach Deutschland und fanden Unterkunft im kleinen Dorf Hohenrot im Landkreis Künzelsau. Der Vater war zu dieser Zeit in französischer Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung fand er über das Rote Kreuz wieder Anschluss an seine Familie. Auch in der neuen Heimat lebten die Flüchtlinge natürlich zunächst am Rand der Gesellschaft und erfuhren von vielen Seiten Ablehnung, aber auch engagierte Zuwendung – alles Erfahrungen, die Pater Anton später dann im Südafrika der Apartheid mit großer Sensibilität wahrnahm.
Doch zunächst zu seinem weiteren Werdegang: Von seiner neuen Heimat war es nicht weit nach Bad Mergentheim, wo die Comboni-Missionare ein Seminar hatten. Dort trat er 1949 ein. Fünf Jahre später kam er von dort ins Josefinum nach Ellwangen. Nach dem Abitur (1959), dem Noviziat in Bamberg und Mellatz (1959 – 1960) und dem Studium in Bamberg und in Rom (1960 – 1965) wurde er 1965 zum Priester geweiht. Mit seiner Primiz in dem kleinen Heimatort war ein großes Fest verbunden und damit gewissermaßen auch die Integration seiner ganzen Familie zu einem geglückten Abschluss gekommen.
Schon in der Zeit seiner Ausbildung wurde seine außerordentliche Begabung vor allem für Sprachen offenkundig. Schon in Bamberg und dann in Rom spezialisierte er sich auf das Neue und Alte Testament und lernte eine Reihe von altorientalischen Sprachen wie Aramäisch, Altsyrisch, Georgisch und andere. Bis zum Schluss besaß er eine Menge Bibeln. Über die Hälfte seiner persönlichen Bibliothek, die er bei seinem Tod hinterließ, waren Lexika und Ausgaben der heiligen Schrift in verschiedenen Sprachen. Was ihm aber fehlte, war jeder Ehrgeiz nach Ämtern sowie nach Titeln und Auszeichnungen. Er hätte das Zeug gehabt zu promovieren. Es war ihm aber nicht wichtig. Schon als Schüler am Gymnasium fand er es nicht für notwendig, etwa eine Übersetzung bei einer Klassenarbeit noch einmal durchzulesen. Deswegen kam es immer wieder zu Flüchtigkeitsfehlern und es reichte nicht zur Bestnote. Das machte ihm aber nichts aus.
Statt eines Weiterstudiums folgte darum auf die Priesterweihe zunächst ein Einsatz als Lehrer für Latein, Griechisch und Englisch, sowie für Geschichte im neugegründeten Seminar in Saldaña in Spanien. Doch, auch wenn er von vielen Schülern bewundert wurde: Der Umgang mit heranwachsenden und pubertierenden Jugendlichen war nicht unbedingt seine Stärke. Darum war er froh, als er 1973 das Angebot für einen Einsatz in Südafrika bekam.
Dort kam seine Begabung noch einmal so richtig zum Tragen. Pater Anton beherrschte mit der Zeit nicht nur die damals offiziellen Sprachen Englisch und Afrikaans, sondern auch die von den Einheimischen in der Diözese Witbank gesprochenen Sprachen Zulu, Schangan, Sotho und später auch Xhosa in der Diözese Kokstad, wo die Provinz zwei Pfarreien übernommen hatte. Neben seiner Tätigkeit als Seelsorger in verschiedenen Pfarreien und Missionsstationen war er deshalb vor allem gefragt als Sprachlehrer für neu angekommene Missionare und solche, die in ein anderes Sprachgebiet innerhalb der Diözese wechselten, sowie als Übersetzer von Schriften in die entsprechenden Sprachen. Er interessierte sich auch und wusste sehr viel über die Geschichte des Landes sowie über Hintergründe und Ursachen der aktuellen Situation des Landes und der Menschen, auch der Kirche, doch es war wieder nicht seine Stärke, dies auch zu vermitteln.
Nach 22 Jahren in Südafrika wurde er 1995 wieder in die Heimatprovinz zurückgerufen, zuerst nach Nürnberg, vor allem zur Vorbereitung der Missionare auf Zeit (MaZ). 2007 erlitt er einen Schlaganfall, der ihn nicht nur körperlich sehr beeinträchtigte. Er brauchte lange, bis er diese Situation wirklich annehmen konnte. Dazu kamen noch ein Zittern der Hände und ein starkes Nachlassen der Sehfähigkeit. Bis kurz vor seinem Tod war sein Computer fast immer eingeschaltet, aber mit stark vergrößerter Schrift.
Nicht verloren hatte er bis zum Schluss seinen geistreichen, aber nie verletzenden Humor, sein großes Allgemeinwissen und sein Interesse an allem, was in Politik, Kirche und Gesellschaft geschah. Da konnte er engagiert, aber vor allem auch fachkundig diskutieren. Er war das wandelnde Lexikon, vor allem, wenn es um geschichtliche Daten ging. Zum Schluss hat er sich nochmals ganz besonders für das Schicksal seiner Heimat sowie die Hintergründe und die Umstände der Vertreibung interessiert.
Als er die letzten Monate seines Lebens, schon bereits an den Rollstuhl gefesselt, nicht mehr ohne die jedes Mal schmerzhafte Dialyse leben konnte, entschied er sich bei vollem Bewusstsein gegen deren Fortführung. Er sah sich für die Begegnung mit seinem Schöpfer bereit und starb am 1. März 2020 im nur ein paar Schritte von unserem Haus entfernten Hospiz in Ellwangen.
R.I.P.
Pater Reinhold Baumann
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