Direktor des Good Shepherd Peace Centre und Initiator eines Projekts für Straßenkinder in Juba (Südsudan) – in beiden Funktionen setzt Pater Paolino Tipo Deng sich dafür ein, dass Frieden und Gerechtigkeit gelingen können.
Pater Paolino Tipo Deng aus dem Sudan unterrichtete nach seinem Studium Arabisch und Arabische Geschichte in Khartum. Dort kam er in Kontakt mit Comboni-Missionsschwestern. 1995 schloss er sich den Comboni-Missionaren an. Auf das Studium der Philosophie in Italien und das Noviziat in Uganda folgte ein Aufenthalt in Granada (Spanien), bevor er fünf Jahre Theologie in Lima (Peru) studierte. Nach der Priesterweihe 2004 im Sudan verbrachte er einige Zeit in Frankreich, wo er einen Einführungskurs in westafrikanischer Kultur besuchte. Sein erster Einsatz führte ihn in den Tschad. Er begann als Kaplan für Studenten und Jugendliche in N’Djamena und war Beauftragter für Gerechtigkeit und Frieden der Diözese N’Djamena. 2015 ging er für neun Monate zum „Anno Comboniano“, einem Erneuerungskurs, nach Italien. Anschließend kehrte er in den Tschad zurück und arbeitete in seiner Funktion als Generalvikar der Diözese und Nationaler Sekretär für Interreligiösen Dialog mit weiteren Zentralafrikanischen Staaten wie Kamerun und Nigeria zusammen.
Seit 2016 ist Pater Paolino Koordinator für Gerechtigkeit und Frieden der Comboni-Missionare in der südsudanesischen Ordensprovinz und Direktor des Good Shepherd Peace Centre. Das Zentrum, das etwas außerhalb von Juba liegt und nicht von den Kämpfen betroffen ist, wurde von Pater Daniele Moschetti geplant und unter Federführung von Bruder Hans Eigner gebaut. Es befindet sich in gemeinsamer Trägerschaft mehrerer Ordenskongregationen und bietet Kurse zur Friedensarbeit und Traumabewältigung an.
Bei einem dieser Angebote werden jeweils die Anführer von fünf verschiedenen ethnischen Gruppen zu einer Fortbildung zum Thema Gerechtigkeit und Frieden eingeladen. Ihnen soll vermittelt werden, dass Konflikte im menschlichen Zusammenleben normal sind, dass sie sich aber vernünftig lösen lassen und nicht im Kampf entschieden werden können. Da die Mehrheit der Teilnehmer nur eine einfache Bildung hat und einige von ihnen Analphabeten sind, erklärt er ihnen den Reichtum der Vielfalt anhand von Bildern. So nennt er das Beispiel des Waldes, wo nicht eine einzige Art von Bäumen wächst, sondern wo sich verschiedene Pflanzen ergänzen. Damit möchte er reichen, dass die Menschen erkennen und schätzen, was die anderen haben.
Eines Tages war Pater Paolino im Auto unterwegs, als ein Junge ans Fenster klopfte und bettelte. Pater Paolino wollte ihm Geld geben, aber eine Mitarbeiterin, die mit ihm unterwegs war, hielt ihn davon ab. Stattdessen öffnete sie ihre Tasche, holte etwas zu essen heraus und gab es ihm. Der Junge und seine kleine Schwester verschlangen es restlos.
Der Vorfall beschäftigte Pater Paolino, und er erkannte, dass Hilfe dringend nötig war. Geschätzt sind es allein in Juba 5.000 bis sogar 10.000 Kinder und Jugendliche, die auf der Straße leben. Das hat ganz unterschiedliche Ursachen, sei es, dass der Vater gestorben oder im Kampf gefallen ist, dass es Alkoholiker ist oder dass ein Elternteil eine neue Familie gegründet hat – dann kümmert sich niemand mehr um die Kinder. Sie sind verlassen und haben Hunger. Sie werden von Insekten gestochen, leiden nachts unter der Kälte und tagsüber unter der Hitze. Sie haben Angst, sind Opfer von Missbrauch und werden gefangen genommen, um als Kindersoldaten zu kämpfen. Viele „schnüffeln“ Klebstoff oder andere Chemikalien, um ihre Lebensumstände zu ertragen.
So entstand die „Divine Mercy Action“. Pater Paolino wollte den Kindern ein Zuhause und Zugang zu Schulbildung ermöglichen. Er scharte Mitstreiter um sich, starke, engagierte Menschen, wie er unterstreicht. Laien wie Rechtsanwälte, Ärzte, sogar der Bürgermeister unterstützen ihn. Er suchte Mitarbeiter und schulte sie. Ein ungenutztes Haus der Comboni-Missionare, das nicht einmal Fenster hatte, wurde geputzt und nur mit Matratzen ausgestattet, Geld und Lebensmittel wurden gesammelt.
Manche Kinder, die vom Projekt erfahren hatten, brachten später andere mit, so sind es derzeit etwas 70 – 100 Kinder und Jugendliche. Pater Paolino berichtet, dass es für die Kinder am Anfang schwer ist, sich einzufügen. Die Türen sind jedoch offen, manche kommen nur zum Schlafen oder zum Essen, andere besuchen den Unterricht. Die Kinder sind sehr klug und passen sich an die Gegebenheiten an. Nächstes Jahr wechseln drei auf die weiterführende Schule.
Im Moment sind drei Mitarbeiter dauernd im Haus. Darüber hinaus gibt es zwei Lehrer, den Verwalter, der auch Lehrer ist, zwei Köche und einen Arzt. Sie sind alle berufstätig und erhalten eine kleine Vergütung für ihre Arbeit. Zwei Freiwillige und einige Soldaten schlafen bei den Kindern. Seit zwei Jahren trägt sich das Projekt ohne Hilfe von außen.
Das jetzige Haus ist nicht für den Zweck gemacht und räumlich begrenzt. Doch nun hat Pater Paolino vom zuständigen Commissioner ein großes Stück Land zur Verfügung gestellt bekommen, derzeit noch eine Müllhalde. Das Grundstück soll geräumt und zum Schutz eingezäunt werden, dann sollen einfache Häuser entstehen, in denen die Kinder in Familienstruktur leben. Die Vereinigung von Ingenieuren will ein Haus bauen, ein evangelischer Pastor aus Äthiopien hat zugesagt, den Schlafsaal zu bauen. Zum Essen benötigen die Kinder lediglich ein Dach über dem Kopf, Wände sind bei dem Klima nicht erforderlich.
Pater Paolino möchte künftig etwa 300 Kinder und Jugendliche aufnehmen, sie sollen Fertigkeiten als Schreiner oder Mechaniker erwerben und sich in der Freizeit mit Musik, Schauspiel oder Fußball beschäftigen können. Als Verantwortlicher für die Association möchte er die Finanzierung für sechs Jahre sicherstellen. Dazu braucht es Geld für Lebensmittel, medizinische Versorgung und Bildung. Er betont, dass die Kinder ein Recht haben zu essen, in die Schule zu gehen und geschützt zu werden. Wenn möglich, möchte er auf dem Gelände auch noch Raum schaffen für junge Mütter, die entführt und missbraucht worden waren.
So wie der Ozean aus einzelnen Tropfen besteht, können wir in der Gesellschaft nicht für uns allein leben, wir brauchen unsere Mitmenschen, sagt Pater Paolino. Er bittet um das Gebet und die Solidarität mit Notleidenden. Beides macht die Grundlage unseres Wesens als Christen aus.