Liebe Verwandte, Freunde und Wohltäter,
wir befinden uns wieder einmal in der Zeit vor Weihnachten. Es ist gar nicht so leicht, den Begriff „Zeit“ zu beschreiben. Als Kindern fiel es uns noch nicht schwer, uns klein zu machen, die Zeit still stehen zu lassen, sie scheinbar zu verschwenden, um uns einfach nur einer Sache zu widmen, mit ganzer Aufmerksamkeit. Die Zeit war erfüllt von Entdeckungen, von kleinen Wundern, von Gottes Spuren. Doch vor Weihnachten wurde uns Kindern die Warte-Zeit oft lang. Erwachsene haben anscheinend ein ausgereiftes Verständnis für Zeit. Um sich in Geduld zu üben, sind Kinder deshalb auf ihr Vorbild angewiesen. Dagegen müssen Erwachsene – zum Beispiel in Meditationskursen – oft wieder lernen, wie Kinder ganz im Hier und Jetzt zu leben.
Um Weihnachten zu feiern, muss man sich wie sie für das ganz Kleine Zeit nehmen. Denn das Wunder ist doch das Kind im Stall, der Gott, der sich ganz klein gemacht hat. Deswegen ist es sinnvoll, im Advent den Blick für das Kleine zu schärfen. Es ist die Zeit, die kleinen und unscheinbaren täglichen Wunder wahrzunehmen und sich daran zu erfreuen! Wir sollten die Zeit wenigstens hin und wieder stillstehen lassen – der Advent bietet dafür Gelegenheit. Auch, wenn nicht nur scheinbar, sondern wirklich viel zu tun ist – wenn man will, dann klappt es: eine Kerze anzünden, einen Besuch machen, für fünf Minuten eine Kirche betreten … und schon wird die Zeit zu etwas Wundervollem. Und auch, wenn wir zu kleinen Wartezeiten gezwungen sind – am Bahnhof, vor einer roten Ampel, beim Arzt – kann es gelingen, für diesen Moment ganz bewusst innezuhalten.
In einer kurzen Zeitreise durch das zu Ende gehende Jahr möchte ich Euch nun wieder nach Matany mitnehmen und einige Ereignisse nochmals lebendig werden lassen.
Zu Beginn eines jeden Jahres gilt es, rasch den Jahresbericht für das abgelaufene Jahr zu verfassen, um dann wieder mehr Zeit und Kraft für das Neue zu haben. Am 10. Februar haben wir – heuer einen Tag früher als sonst – wieder den Tag der Kranken gefeiert. Wir wurden daran erinnert, dass die erste Behandlung, die wir bei Krankheit brauchen, menschliche Nähe voller Mitgefühl und Güte ist. Fürsorge für einen kranken Menschen bedeutet daher zuerst, sich auch um das Netz seiner Beziehungen zu kümmern: zu Gott, zu anderen Menschen, zur Schöpfung, zu sich selbst. Als Vorbild sahen wir auf den barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,25- 37), der zum Nächsten wurde, indem er den Schritt verlangsamte, sich Zeit nahm und mit Güte die Wunden eines Leidenden versorgte.
Im März erhielten wir technische Hilfe von zwei Elektrikern, die uns über den SES Bonn vermittelt wurden. Wolfgang und Filbo, großartige Handwerker und Techniker, halfen uns, die vorhandenen Stromkreise im Krankenhaus und auf dem gesamten Krankenhausareal systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Dies war durch die verschiedensten Erweiterungen der letzten Jahre dringend erforderlich geworden.
Seit vielen Jahren ist es uns ein Anliegen, das Krankenhaus durch größere Solaranlagen vom Netzstrom unabhängiger zu machen, um Stromkosten einsparen zu können. Durch die Ko-finanzierung, der Pro-Cent Initiative, DKA Österreich, dem Land Oberösterreich und anderen, wird eine größere Solaranlage mit Speicherbatterien, UPS, etc., angeschafft, um dies zu erreichen. So wurde im „Powerhaus“ ein neuer Raum geschaffen, um diese Solarkomponenten und Schaltanlagen unterzubringen. Die Beschaffung verzögert sich wegen der großen Nachfrage. Wir hoffen im März nächsten Jahres die verschiedenen Komponenten dieser Anlage installieren zu können.
Im Juli begannen wir dann mit dem Bau einer Unterkunft für Ärzte im Praktikum, die bei uns in Matany hospitieren. Es entsteht ein Gebäude mit sechs Wohneinheiten, einer Gemeinschaftsküche, Aufenthaltsraum, etc… Mittel, die durch die Initiative von CUAMM (Ärzte mit Afrika) generiert wurden, ermöglichen diesen Bau.
Im August erfolgte dann der erste Spatenstich für die Erweiterung und Renovierung unseres Operationsgebäudes, das – vermittelt durch unsere Milano Unterstützergruppe – von einer Stiftung aus Italien finanziert wird. Während dieser Renovierungsmaßnahmen, die einige Monate dauern werden, müssen die Operationen in einem anderen Raum stattfinden. Als am besten dafür geeignet wurde der Kreißsaal der Entbindungsstation identifiziert und angepasst. Normale Geburten finden nun in anderen Räumen der Entbindungsstation statt.
Dankbar erhielten wir Anfang August eine neue Ambulanz, die wir „Edi“ nennen, in Erinnerung an Edi Marat, der vor einem Jahr verstorben ist. Als Vermächtnis seines Taxi-Unternehmens ermöglichte seine Schwester Gudrun diese Anschaffung. Ende August kam ein Container mit verschiedensten medizinischen Geräten und Hilfsmitteln aus Deutschland an, der mit viel Herzblut von unseren Freunden Dr. Friedrich Ullrich aus Landsberg und Johann Öfele aus Sontheim bepackt und auf den Weg gebracht worden war. Sehnlichst erwarteten wir z.B. die Versorgungseinheiten und Beleuchtung für die Frühgeborenen-Intensivstation, die Erweiterungsanlage für die Sauerstoffproduktion und Komponenten für die Beschichtung der Böden des Operationsgebäudes mit Epoxidharz, das wir von der Herstellerfirma preisgünstig bekamen. Viele dieser Hilfsgüter wurden dann im Oktober/November bei einem praktischen Einsatz von Dr. Friedrich Ullrich, der vom SES Bonn finanziert wurde, installiert, oder es wurde in Schulungen das Personal auf die Installation und Verwendung vorbereitet.
Seit September verzeichnen wir im Krankenhaus eine hohe Bettenbelegungsrate von weit über 100%. Viele Kinder schlafen mit ihren Müttern auf Matten auf dem Boden. Gott sei Dank sind unsere Leute Künstler im Improvisieren und beschweren sich nicht über die bescheidenen Verhältnisse. Sie sind froh, hier in Matany sein zu können und gute medizinische Versorgung zu erhalten. Am 30. Oktober wurde unsere neue Intensivstation offiziell in Betrieb genommen. Dazu waren der irische Botschafter (Hauptgeldgeber) und die „Permanent Secretary“ vom Gesundheitsministerium gekommen. Sie waren von der guten Arbeit im Krankenhaus sehr angetan. Schon seit Jahren überlegen wir uns, ein elektronisches Patientenmanagementsystem anzuschaffen, was allerdings an den Kosten scheiterte. Das Gesundheitsministerium hat nun in den Regionalkrankenhäusern ein solches eingeführt und auch uns zur Verfügung gestellt. Das ist ein bedeutender Schritt in Richtung Modernisierung der Gesundheitsversorgung in Karamoja. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart unterstützt uns bei der Anschaffung der nötigen Hardware-Komponenten.
Seit etwa zwei Jahren ist die finanzielle Absicherung des Krankenhauses stets gefährdet. Kürzlich hatten wir eine Besprechung mit dem CRS (Catholic Relief Service). Wir haben mit ihnen ein Konzept besprochen, mit dem die Nachhaltigkeit des Krankenhauses gesichert werden soll. Dazu benötigen wir substantielle Hilfe. Wir hoffen, dass unser Krankenhaus als förderungswürdig eingestuft wird und Investitionen für die Zukunft gesichert werden, die dann laufende Einnahmen garantieren. Die Spenden – mal größere, oft viele kleinere – reichen zum Erhalt nicht mehr aus. Gegenwärtig können wir nur wegen einer substantiellen Erbschaft von einem verstorbenen Priester aus Italien unsere Ausgaben bestreiten – das ist Vorsehung. Doch bald werden wir erneut bangen und weiter auf Gottes vermittelnde Hilfe vertrauen müssen.
Somit bin ich wieder zurück beim Thema „Zeit“. Gute Freunde, die mit uns in Matany verbunden sind, engagieren sich durch verschiedene Aktionen (Märkte, Vorträge, Handarbeit, Fastenessen oder auch Kaffeenachmittage), um Hilfe für unser Krankenhaus zu generieren. Sie nehmen sich Zeit und setzten sich für uns und ihre Mitmenschen ein.
Dankbar bin ich für Eure Verbundenheit, auch wenn ich mich wenig bei Euch melde. Dieser Weihnachtsbrief hat Euch jedoch ein wenig über so manche Aktivitäten und Ereignisse informiert. Damit verbunden ein großes Danke und unsere Anerkennung für all Eure hochherzige Hilfe.
Nehmen wir uns Zeit füreinander, gerade zu Weihnachten. Halten wir Kontakt – mit einem Brief, einem Telefonat, einem Besuch – und zeigen wir einander unsere Wertschätzung und Einheit. Heute früh gingen mir wunderbare Worte einer Bekannten sehr zu Herzen: „der bei den Menschen eintaucht… taucht bei Gott wieder auf“. Ja, der Einsatz für die Menschen, das Konfrontiert-Sein mit vielen Nöten, mit Krankheit, Armut und Hunger, nagt oft an meiner Substanz. Das kann ich nur ertragen, indem ich es dem hinreiche, der unser Leben erhält. Es drängt mich zu helfen, aber oft weiß ich nicht, ob die Mittel reichen werden. Doch darf ich auf die Vorsehung vertrauen – dass es weitergeht durch die helfende Hand so vieler.
Euer Br. Günther Nährich