1. Dezember 2023
Dieses Jahr werde ich das Weihnachtsfest mit der christlichen Gemeinschaft von Thiet feiern. Die Gründung dieser Gemeinde geht auf das Jahr 1934 zurück, nachdem Missionare sie zum ersten Mal besucht hatten und viele weitere folgten. Sie kamen aus dem 150 km entfernten Kwajock. Erst 1949 ließ sich eine erste Gemeinschaft von Comboni-Missionaren in Mayom nieder, das sechs Kilometer von der Stadt Thiet entfernt liegt, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die protestantische Gemeinde die mögliche katholische Präsenz in dem Dorf bestritten hatte.
Die erste Ordensgemeinschaft bestand aus zwei Priestern und einem Brudermissionar. Die Mission, die dem Jesuskind gewidmet war, wuchs schnell. Die Bevölkerung benannte den Ort in Mayom-Abun das bedeutet Haus oder Mission der Patres. 1955 kam die erste Gemeinschaft von Missionsschwestern an. Doch die Unabhängigkeit von England brachte den Anya-nya-1-Konflikt mit sich. 1964, nach der Ausweisung aller Missionare aus dem Südsudan, waren die Missionseinrichtungen verlassen und wurden zur Beute von Plünderern. Erst in den 1980er Jahren gab es erste Versuche der Wiedereröffnung, die jedoch aufgrund der Präsenz des sudanesischen Regierungsmilitärs erfolglos blieben. Die Salesianer ließen sich im etwa fünfzig Kilometer entfernten Tonj nieder.
1994 schickte der Comboni-Missionar Bischof Mazzolari Pater Benjamin Madol, einen Diözesanpriester, um eine mögliche Wiedereröffnung zu prüfen. Doch wegen der unsicheren Lage zog Pater Benjamin etwa achtzig Kilometer weiter nach Norden und gründete die Mission Marial-Lou, wo er später von den Comboni-Patres Mario Riva und Mattia Bizzarro, unterstützt wurde. Die Zeit in Thiet war noch nicht reif. Nach dem Friedensabkommen von 2005 und der anschließenden Unabhängigkeit vom Sudan im Jahr 2011 entstand die christliche Gemeinschaft in Thiet wieder. In den zurückliegenden Jahren wurde die christliche Gemeinde von den Salesianern von Tonj seelsorgerisch betreut und beim Bau einer Kirche und einer Grundschule unterstützt. Die Strukturen der alten Mission in Mayom-Abun liegen in Trümmern; es ist unmöglich, sie zu sanieren. Aber die christliche Gemeinschaft lebt dank der Katecheten, die im Laufe der Jahre den Glauben an die jüngeren Generationen weitergegeben haben.
Ich hatte bereits viermal die Gelegenheit, diese Gemeinde zu besuchen. Zu Weihnachten 2022 habe ich einen Diözesanpriester dorthin geschickt, um die Gemeinde auf dem Weg zur Errichtung einer neuen Pfarrei zu begleiten, diesmal in dem Dorf Thiet. Die Gemeinde wählte den heiligen Stephanus, den ersten christlichen Märtyrer, als ihren Schutzpatron. Sie sagten mir, dass der Heilige Stephanus für ihre Geschichte steht: eine Gemeinschaft, die durch so viel Gewalt gesteinigt und zerstreut wurde. Aber auch eine Gemeinschaft, die dank des Glaubens der Katecheten und Laienpastoralbeauftragten wiedergeboren wurde; ein Glaube, der sich in ihrem Widerstand und ihrem Lebenszeugnis ausdrückt.
Das Fest des heiligen Stephanus fällt auf den Tag nach der Geburt Jesu, um uns daran zu erinnern, dass das Leben dieses Kindes nicht nur aus Rosen und Blumen besteht, sondern auch Dornen und Kreuze hat. Aber der Sieg gehört nicht denen, die mit Ehrgeiz, Macht und Reichtum protzen. Was die Welt rettet, ist die Schönheit der Einfachen, der Demütigen, der Armen. Es ist das Jesuskind, das der Welt die Menschlichkeit zurückgibt, ausgehend von denen, die sich um ihn scharen: die Hirten, die einfachen Leute aus dem Volk. Das ist auch die Hoffnung dieser kleinen christlichen Gemeinschaft von Thiet. Sie sammelt sich um Jesus. Wir begleiten sie mit dem Gebet, damit der heilige Stephanus die nächsten Schritte anregt, die Führer der Gemeinschaft beschützt, alle in der Einheit versammelt und mutige Entscheidungen trifft.
Im Moment wollen wir uns auf den Pfarrsitz im Dorf konzentrieren. Einen Brunnen haben wir schon gegraben. Nun werden einige Arbeiten an der Kirche durchführen müssen, und wir wollen ein Gemeindehaus bauen. Im November haben wir auch mit dem Bau des Pfarrhauses begonnen: ein einfaches Gebäude, in dem der Pfarrer und zwei weitere Mitarbeiter untergebracht werden können. Das Grundstück einschließlich der Grundschule muss auch eingezäunt werden, außerdem müssen Sanitäranlagen installiert werden. Mit der Zeit werden wir dann ein Projekt für die alte Mission von Mayom-Abun entwickeln, wahrscheinlich ein Ausbildungszentrum, das neben Kunst und Handwerk auch Glauben und Menschlichkeit vermitteln kann.
Es dauert noch etwa drei Wochen, bis wir Weihnachten feiern, aber wie bei jedem neuen Leben, das auf die Welt kommt, bedarf es natürlich einer guten Vorbereitung: das Leben willkommen heißen und es jeden Tag wertschätzen. Lasst uns beten, dass Weihnachten ein Fest der wiederentdeckten Menschlichkeit und der Gemeinschaft der Menschheitsfamilie wird.
Bischof Christian Carlassare
Bischof von Rumbek (Südsudan)