„Amazonien – Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie“ so lautet der Titel des Arbeitsdokumentes, das am 17. Juni 2019 in Rom vorgestellt wurde. Die Sonderversammlung der Bischofssynode wird dort vom 6. bis 27. Oktober dieses Jahres stattfinden.

Seit der Ankündigung dieser Synode durch Papst Franziskus am 15. Oktober 2017 ist in den Ortskirchen des Amazonasgebietes, das sich auf neun verschiedene Länder erstreckt, ein Vorbereitungsprozess in die Wege geleitet worden, der in jeder Hinsicht Beachtung verdient: 85.000 Menschen wurden gehört. Trotz der riesigen Entfernungen und der vielerorts äußerst schwierigen Transportbedingungen haben sich die Vertreterinnen und Vertreter der vielen kleinen Gemeinden und der vielen verschiedenen Gruppen der indigenen Völker und die Repräsentanten der Diözesen auf vielen Versammlungen getroffen. Es war ein Prozess des Zuhörens und der Wahrnehmung der dramatischen und vielfach lebensbedrohenden Situation, in der sich die Menschen in diesen Regionen befinden.

Was sich dort als Folge eines rücksichtslosen „Raubtierkapitalismus“ ereignet, muss ohne Übertreibung als „Todsünde“ bezeichnet werden, weil es vielen Menschen und indigenen Gruppen schon jetzt das Leben gekostet hat und Prozesse der Zerstörung in Gang setzt, die nicht für Amazonien, sondern – wissenschaftlich bewiesen – für unseren gesamten Planeten verheerende Folgen haben.

Die Erwartungen, die hierzulande, vor allem in der Kirche im deutschsprachigen Raum, in die Amazonassynode gesetzt werden, sind in der breiten Öffentlichkeit oft vorrangig innerkirchlicher Natur. Das kann deshalb nicht verwundern, weil diese Fragen, die vielen Katholikinnen und Katholiken hierzulande seit Jahren und Jahrzehnten unter den Nägeln brennen, vonseiten der Kirchenleitungen kaum oder gar nicht die ihnen gebührende Beachtung geschweige denn eine glaubwürdige Antwort bekommen haben. Es überrascht, dass diese Fragen nun in den Vorbereitungsdokumenten zur Amazonassynode in großer Offenheit und mit der Forderung nach raschen Veränderungen zur Sprache gebracht werden.

Man sollte es deshalb allen Frauen und Männern in der katholischen Kirche, deren Blick sich nun hoffnungs- und erwartungsvoll auf die Amazonassynode richtet, nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich von dort einen Anstoß für längst dringend geworden Veränderung und Reformen in der Kirche in Österreich und Deutschland erwarten, und man sollte ihnen deshalb nicht gleich ein neokoloniales Denken unterstellen.

Trotzdem darf und muss von uns, die wir in Europa – bei allen sozialen Herausforderungen und Verarmungs- und Marginalisierungsprozessen, die es auch bei uns gibt, – zunächst vor allem eine Haltung der Solidarität gegenüber den Menschen und Völkern im Amazonasgebiet eingefordert werden. Ihr Land, ihre „Mutter Erde“, ihre Lebensgrundlagen sind massiv bedroht. Wenn diesem Raubbau nicht Einhalt geboten wird, haben die Menschen im Amazonasgebiet keine Zukunft. Was dort geschieht, hat aber auch schwerwiegende Auswirkungen, auf unsere Umwelt und auf unser Klima. „Wenn Amazonien die Lunge des Planeten Erde ist, dann leiden dieser Planet und seine Bewohner heute an einer akuten Lungenentzündung. In absehbarer Zeit könnte uns allen die Luft ausgehen.“ (Pirmin Siegel).

Die Vorbereitungsdokumente der Synode benennen schonungslos das Ausmaß der Ausbeutung und verschweigen nicht, wer dafür politisch und wirtschaftlich die Verantwortung trägt. – Die Synode wird aber zweifellos auch die Kirche selbst zur Verantwortung ziehen und von ihr eine ökologische Umkehr einfordern.

Die Vorbereitungsdokumente sprechen aber auch in einer selbstkritischen und ehrlichen Bestandsaufnahme von einer prekären pastoralen Situation der vielen kleinen Gemeinden des Amazonasgebietes. Als einen der Hauptgründe für diesen Zustand der Schwäche nennen die Dokumente ohne Wenn und Aber – und hier sollten wir uns in der Kirche hierzulande etwas sagen lassen – die fehlenden Ämter und Dienste in den Gemeinden.

Wer selbst in Gemeinden des Amazonasgebietes oder z. B. in anderen Gebieten Brasiliens gearbeitet hat, weiß, wie sehr ein Großteil der kleinen Gemeinden darunter zu leiden hat, dass in ihnen nur sehr selten die Eucharistie gefeiert und die übrigen Sakramente gespendet werden können, weil der Pfarrer – vielerorts – nur einmal im Jahr in der Gemeinde vorbeikommt.

Den Vorbereitungsdokumenten muss bescheinigt werden, dass in ihnen diese entscheidenden Lebensfragen christlicher Gemeinde (endlich) offiziell zur Sprache gebracht und Forderungen nach anderen und neuen Ämtern erhoben werden.

In diesem Zusammenhang wird wiederholt die entscheidende Rolle der Frauen in der Leitung und Begleitung der kleinen Gemeinden hervorgehoben, was nicht als Kompliment zölibatärer Kirchenmänner aufgefasst werden darf: Nein, hier wird einfach anerkannt und beim Namen genannt, was Faktum ist. In vielen Gebieten werden zumindest zwei Drittel der Gemeinden von Frauen geleitet. Wörtlich heißt es im Arbeitsdokument:

„Im Wissen um die tragende Rolle, die Frauen heute in der Kirche Amazoniens wahrnehmen, müsste man ein offizielles Dienstamt bestimmen, das Frauen anvertraut werden kann. (129, 3).“

Leider wird hier nicht konkret gesagt, an welche Ämter hier in Zukunft zu denken ist. Denn auch die Weihe von Frauen zu Diakoninnen würde dem Wunsch der Gemeinden nach der Feier der Eucharistie nicht entgegenkommen. Die nach katholischer Lehre so zentrale Bedeutung der Eucharistie ist zweifellos das stärkste Argument für die drängende Notwendigkeit der Öffnung des Priesteramtes. Dazu heißt es wörtlich im Text:

„Die Gemeinden können nur selten die Eucharistie feiern, weil es an Priestern fehlt. ‚Die Kirche lebt von der Eucharistie‘, und die Eucharistie baut die Kirche auf. Aus diesem Grunde wird darum gebeten, die Kriterien für die Auswahl und Vorbereitung der zur Zelebration autorisierten Amtsträger zu ändern, statt die Gemeinden ohne Eucharistie zu lassen. (126 c)

Deshalb wird auch die Forderung erhoben, „im Blick auf die entlegensten Gebiete der Region die Möglichkeit zu prüfen, ältere Menschen zu Priestern zu weihen. Diese Menschen sollten vorzugsweisem Indigene sein, die von ihrer Gemeinde respektiert und akzeptiert werden“ (129, a.2)

Es bleibt zu betonen, dass diese Forderungen im Blick auf die Gemeinden und im Amazonasgebiet erhoben werden und nicht für die Kirche in Europa. Der Vorschlag, das Priesteramt für verheiratete Männer und Frauen zu öffnen, kommt dort nicht nur von den Gemeinden, von Priestern und Ordensleuten und von Theologinnen und Theologen, sondern auch von vielen Bischöfen, die als Hirten „den Geruch der Schafe kennen“ und auch um die um „Wölfe“ wissen, die die Herde nicht schonen.

Die Amazonassynode steht in der Frage nach neuen Ämtern und Diensten für Männer und Frauen zweifellos bereits mit einem „Fuß in der Türspalte“, die Papst Franziskus geöffnet hat. Wir Missionare, die wir die prekäre pastorale Situation vieler Gemeinden in Lateinamerika vielfach aus eigener Anschauung kennen, nehmen auch mit großer Sorge wahr, welche Sterbeprozesse in den Pfarrgemeinden des deutschsprachigen Raumes in Gang sind, fordern mit Entschiedenheit neue Formen eines ordinierten Hirtendienstes, der auch von verheirateten Männern und Frauen wahrgenommen werden kann.

Werden die Bischofskonferenzen in Europa aus pastoraler Verantwortung dasselbe tun oder die Tür wieder zufallen lassen? Viele Frauen und Männer, denen das Leben der Kirche und ihrer Gemeinden ein Herzensanliegen ist, blicken dankbar und hoffnungsvoll auf die bevorstehende Amazonassynode und auf einen frischen Wind aus dem Süden, der auch bei uns die eine oder andere Tür aufstößt und damit einen Zugang öffnet, der bisher nur unverheirateten Männern offen stand.

Pater Franz Weber

 

Das vollständige Arbeitsdokument zur
Amazonassynode lesen Sie hier.

 

Gebet zur Amazonassynode

Herr,
hilf deiner Kirche
auf die Menschen Amazoniens zu hören
und gemeinsam mit ihnen
auf die Vernichtung der Völker
und die Zerstörung der Umwelt zu reagieren.

Der Amazonas mit all seiner Biodiversität
und seinem kulturellen Reichtum
ist „ein Spiegel der ganzen Menschheit“.
Um ihn zu schützen, müssen wir alle etwas ändern –
bei uns, in unseren Ländern, innerhalb der Kirche.

Wenn wir den Weg beschreiten,
den Laudato Sí uns aufzeigt,
lass uns der ökologischen und kulturellen Krise
des Amazonas-Beckens bewusster werden
und erkennen, wie wir die Schöpfung besser hegen und pflegen.

Lass uns mutig gegen Ungerechtigkeit einstehen,
einschließlich Gebietsverlust, Ausbeutung
und Bedrohung der Biodiversität,
einschließlich der Auferlegung kultureller und ökonomischer Modelle,
die für das Leben aller indigenen Völker fremd sind.

Lehre uns,
aufmerksam zuzuhören,
gerecht zu handeln,
zärtlich zu lieben
und demütig unterwegs zu sein auf dieser Erde.
Amen.