Pater Louis Tony Okot ist Provinzial der Ordensprovinz Südsudan. Bei einem Besuch in Deutschland berichtete er von den besonderen Herausforderungen, denen er bei der Ausübung seines Amtes gegenübersteht.

Die Zeit bei den Comboni-Missionaren begann für Pater Louis Tony im Postulat in Juba, wo die Kandidaten für den gesamten Sudan vorbereitet wurden. Zur weiteren Ausbildung mit Noviziat und Studium war er in Uganda und Kenia. Nach der Priesterweihe 1997 wurde er nach Peru versetzt, wo er anfangs in Lima-Chorillos im Einsatz war. Ab 2004 bildete er die Postulanten in Lima aus. Daran schloss sich das Comboni-Jahr an, in dem die Missionare neue Impulse erhalten und sich auf ihre weiteren Aufgaben vorbereiten, bevor er 2009 er in den Sudan zurückkehrte. Er arbeitete als Erziehungskoordinator für Schulen in Lomin, von 2011 bis 2016 in der Berufungspastoral und ab 2016 noch zusätzlich im Prä-Postulat. Seit Anfang 2017 ist er Provinzial der Südsudanesischen Ordensprovinz der Comboni-Missionare.

Die Geschichte von Pater Louis Tony ist eng verwoben mit der politischen Situation im Sudan und im Südsudan. Seine Geburt im Jahr 1967 fiel in die Zeit der Friedensverhandlungen nach dem Bürgerkrieg. Die Familie lebte damals als Vertriebene in Uganda und kehrte 1973 in den Sudan zurück. Bis 1983 herrschte relativer Frieden, doch dann flammte der Krieg wieder auf, grausamer als zuvor. Erst 2005 gab es wieder einen Friedensvertrag. Es folgte eine Übergangszeit, bis sich 2010 bei einem Referendum 99% der Bevölkerung für eine Trennung aussprachen. Am 9. Juli 2011 wurde der Südsudan unabhängig. Was folgte, war eine Zeit des Enthusiasmus, die Menschen hofften auf ein Leben voll Freude, in Würde und Sicherheit, sie erwarteten, dass es gute Schulen und Krankenhäusern geben würde und dass durch die fortschreitende Entwicklung sichere Arbeitsplätze entstehen würden. Mit den Unruhen, die 2013 ausbrachen, wurden alle diese Hoffnungen zerstört. Unmittelbar betroffen war der Comboni-Missionar, als sein Vater 2016 wegen Blutdruckproblemen nach Juba gekommen war, doch wegen der Kampfhandlungenkeine Behandlung bekam und starb. Seine Mutter, die Brüder und die Schwester leben in einer einigermaßen sicheren Gegend. Das bedeutet aber, dass er sie nur mit dem Flugzeug besuchen kann – und ein Flugticket kostet 300$, das entspricht 20 Gehältern.

Der Provinzial stellt fest, dass die politischen Führer nicht im Interesse der Bevölkerung handeln, vielmehr dienen alle Friedensabkommen nur der Machtaufteilung. Die gegnerischen Parteien liefern Vorschläge, die nicht umsetzbar sind. Selbst der Besuch von Präsident Salva Kiir und seinem Stellvertreter und Widersacher Riek Machar im Vatikan, bei dem sie publikumswirksam die Füße von Papst Franziskus küssten, zeigte keine nachhaltige Wirkung. Währenddessen herrschen Feindseligkeit und Aggressivität, Elend und Leid. Menschen werden willkürlich getötet. Eltern kämpfen Tag für Tag für ihre Kinder und bringen große Opfer. Zivilangestellte bekommen manchmal sechs Monate keinen Lohn. Um zu überleben arbeiten sie im Garten oder verkaufen Kleinigkeiten. Viele sind in die umliegenden Länder geflohen, wo sie in den Flüchtlingslagern sicher sind. Doch die Zahl der Vertriebenen steigt immer mehr, so dass das World Food Programme der Vereinten Nationen zeitweise schon die Rationen reduzieren musste.

Um Abhilfe zu schaffen, sieht Pater Louis Tony auch die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht. Uganda, das seit 2013 und bereits davor als Mittler aufgetreten ist und viel Land für die Flüchtlingslager zur Verfügung stellt, könnte Einfluss auf die Verhandlungen ausüben, da es die Problematik kennt. Doch auch Italien, Frankreich, Deutschland oder die USA sollten eine Vermittlerrolle übernehmen. China und Russland haben immer Waffen geliefert und somit von den Auseinandersetzungen profitiert.

Pater Louis Tony betont, es sollte nicht die Zeit zu kämpfen und töten sein, sondern zu planen. Die Kirche will Brücken bauen, Misstrauen und Vorurteile abbauen. Sie hat die Regierung mehrmals darauf hingewiesen, wo Nöte sind, ist dabei aber unabhängig geblieben und hat nicht Partei ergriffen. Die Pastoralbriefe werden immer deutlicher. Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass in der gemeinsamen Bischofskonferenz von Sudan und Südsudan einige Sitze vakant sind. Der Bischof sollte aus der jeweiligen Diözese kommen, doch vor allem in Rumbek und Malakal gibt es sehr wenige Priester.

Die Comboni-Missionare sind Zeichen der Hoffnung – wo sie sind, fühlen die Menschen sich sicher, ihre Gegenwart wirkt tröstend. Sie bieten eine Gesundheitsversorgung und Bildung. In Schulen werden aber nicht nur Unterrichtsfächer vermittelt, sondern auch Versöhnung. Dabei müssen immer wieder ethnische Grenzen überwunden werden. Um zu unterstreichen, wie Kinder frühzeitig geprägt werden, berichtet der Pater von einer Begebenheit, als bei der Messe mit Missionsschwestern die Fähigkeit zum friedlichen Zusammenleben vermittelt werden sollte. Als ein Kind, an dessen Namen man die ethnische Herkunft erkannte, die Fürbitten las, wurde es ausgebuht. Daran zeigt sich, welch langer Prozess bevorsteht.

Pater Louis Tony räumt ein, dass er immer wieder zwischen Enttäuschung und Hoffnung schwankt. Was ihn zuversichtlich stimmt, ist, dass manche Menschen die radikale Wahl getroffen, trotz aller Widrigkeiten gerecht, respektvoll, friedlich zu sein. Dazu gehört eine Gruppe junger Journalisten unterschiedlicher ethnischer Herkunft, die sich unter dem Motto „Defy hate now“ (dem Hass jetzt trotzen) zum Ziel gesetzt hat, bei der Berichterstattung die Wortwahl zu beachten und so deeskalierend zu wirken. Sie haben verstanden: „Wenn wir uns hassen, zerstört es uns.“