Der italienische Comboni-Missionar P. Christian Carlassare (44) wurde 2004 zum Priester geweiht. Nach einem Jahr in Großbritannien kam er 2005 in den Südsudan und arbeitete bis 2016 in der Mission von Old Fangak in der Evangelisierung der Nuer. Drei Jahre lang war er in Juba in der Jugendpastoral tätig. 2020 wurde er zum Generalvikar der Diözese Malakal ernannt. Am 8. März 2021 erhielt er die Ernennung zum Bischof der Diözese Rumbek. Am 26. April 2021 wurde er Opfer eines lebensbedrohlichen Anschlags. Noch vom Krankenbett aus rief er zu Versöhnung und Vergebung auf (Foto). Vor seiner Bischofsweihe am 25. März veröffentlicht er eine Botschaft.
Als Papst Franziskus 2015 das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ankündigte, ließ er wissen, dass er oft darüber nachgedacht habe, wie die Kirche ihren Auftrag, ein Zeugnis der Barmherzigkeit zu sein, erfüllen könne. Und er sagte auch, dass „Barmherzigkeit die eigentliche Substanz des Evangeliums ist“.
Ein Jahr nach meiner Ernennung zum Bischof und dem Angriff, den ich erlitten habe, kehre ich nach Rumbek zurück, um zum Bischof geweiht zu werden und Ostern zu feiern. Ich gehe mit einem erneuerten Vertrauen in Gott, der uns nie verlässt, und in die örtliche Kirche und die christliche Gemeinschaft, die Hand in Hand unterwegs sind.
Die südsudanesische Kirche ist eine arme Kirche mit nur wenigen Mitteln, aber reich an einer lebendigen Gemeinschaft von Menschen, die widerstandsfähig und großzügig sind. Es ist eine verwundete und leidende Kirche, aber es fehlt ihr nicht an Glauben und Hoffnung auf Heilung. Es ist eine junge Kirche, die noch einen langen Weg vor sich hat. Es ist eine zerbrechliche und unvollkommene Kirche, die die barmherzige Liebe Gottes erfährt und dazu berufen ist, Zeugnis der Barmherzigkeit zu sein.
Das Gebet Jesu ist ein großer Trost: „Ich bitte für sie, denn sie sind dein. Bewahre sie in deiner Liebe, damit sie eins sind. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.“ (Joh 17). Und die Wahrheit ist, dass wir alle Barmherzigkeit brauchen. Wir müssen sie annehmen, um die Wahrheit in unser Leben zu bringen, um zu bereuen und zu entdecken, dass das Leben ein Geschenk ist. Wir sind also aufgerufen, uns gegenseitig in den Dienst des anderen zu stellen, um das Leben aller zu erhalten. Die Kirche von Rumbek braucht Wahrheit und Vergebung. Das Land, in dem Elend und Gewalt leider weitergehen, verlangt nach Wahrheit und Barmherzigkeit. Nur wenn wir diese Gaben annehmen, wird es Raum für Frieden geben.
Ich habe über die etymologische Bedeutung des Wortes Barmherzigkeit, lateinisch misericordia, nachgedacht. Miserere bedeutet Mitgefühl haben, während miseria schlicht Elend bedeutet. Cor oder cordis bedeutet Herz. Barmherzigkeit bedeutet also, im Herzen ein Gefühl des Mitleids für die moralische oder materielle Not anderer zu wecken. Unser Herz ist barmherzig, wenn das Elend anderer uns an unser eigenes Elend, unsere Unzulänglichkeit und Leere erinnert, die nur durch die barmherzige Liebe Gottes erfüllt werden.
Die Juden haben dieses Konzept eines offenen Herzens, das fähig ist, Brüder und Schwestern aufzunehmen, mit dem Begriff Rahamim ausgedrückt. Dieses Wort bezeichnet den mütterlichen Schoß, der das neugeborene Leben aufnimmt. Barmherzigkeit bezeichnet also den Raum, den man in sich selbst für das Leben der anderen schafft: Es ist ein Raum der tiefen Gemeinschaft, des Mitfühlens mit den anderen, der Freude mit den anderen und des Leidens mit den anderen. Die Barmherzigkeit ist also nichts anderes als der Appell Gottes gegen Egoismus, Gleichgültigkeit und Ablehnung der anderen. Stattdessen bedeutet sie Annahme, Mitgefühl, die anderen umfassen. Und sie wird zur Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen und jene wiederherzustellen, die aus irgendwelchen Gründen zerbrochen sind.
Am 25. März, dem Fest Mariä Verkündigung, werde ich zum Bischof von Rumbek geweiht. Ich habe mir diesen besonderen Anlass nicht ausgesucht, vielmehr wurde er mir als Geschenk zuteil. Das Ja Marias ist eine wunderbare Antwort auf das erste Ja Gottes, als er die Menschen ins Leben rief. Auch ich bin aufgerufen, mein Ja zur Kirche und zu den Menschen im Südsudan zu wiederholen, und zwar auf eine Weise, die vielleicht etwas radikaler ist, als es mir bisher gelungen ist, zu leben. Ich bete, dass auch die Menschen in Rumbek ihr Ja zu einem gemeinsamen kirchlichen Weg sagen können. Dafür vertraue ich mich dem Herrn und Ihren Gebeten an. Das Gebet, das die Menschen in Rumbek jeden Tag in meinem Namen gesprochen haben, war eine Quelle großer Kraft. Ich danke Ihnen.
Ich greife auf, was der heilige Augustinus über seinen bischöflichen Dienst schrieb: „Betet für mich, damit ich die Last tragen kann. Und schließt euch mir an, um alle Lasten gemeinsam zu tragen. Wenn Christus unsere Last nicht trüge, würden wir von ihr erdrückt werden; wenn er uns nicht trüge, würden wir davon erdrückt. Wo mich das, was ich für euch bin, ängstigt, tröstet mich das, was ich mit euch bin. Für euch bin ich ein Bischof, mit euch bin ich letzten Endes Christ. Das erste ist der Name eines Amtes, das ich übernommen habe, das zweite ein Name der Gnade; das eine bedeutet Gefahr, das andere Rettung„.
Das ist also mein Weg der diesjährigen Fastenzeit in der Vorbereitung auf das Osterfest: eine tiefe Erfahrung der Barmherzigkeit und der Vergebung, die den Weg für einen Neubeginn öffnet und ein neues Leben in Christus willkommen heißt. Frohe Ostern der Auferstehung.
Pater Christian Carlassare, mccj
Designierter Bischof von Rumbek (Südsudan)