08. Januar 2025

Am 8. März 2021 hatte Papst Franziskus den aus Italien stammenden Comboni-Missionar Christian Carlassare (geb. 1977) zum Bischof der südsudanesischen Diözese Rumbek ernannt. Nördlich davon errichtete nun der Vatikan am 3. Juli 2024 das neue Bistum Bentiu, das an der Grenze zum Sudan liegt. Zeitgleich wurde Carlassare als erster Bischof dieser neuen Diözese eingesetzt. In seinem Artikel beschreibt er die Situation in seinem neuen Wirkungsgebiet und geht auf die Herausforderungen ein, denen sich die katholische Kirche in diesem Grenzgebiet zwischen Sudan und Südsudan stellen muss.

Im Juli 2024 hat mich Papst Franziskus von Rumbek in die neu errichtete Diözese Bentiu versetzt. Sie erstreckt sich über eine Fläche von knapp 38.000 Quadratkilometern, zum Vergleich, etwas mehr als die Fläche von Baden-Württemberg. In dem Gebiet leben etwa 1,13 Millionen Menschen, die den beiden ethnischen Gruppen Nuer und Dinka angehören. Die Beziehung zwischen diesen beiden Bevölkerungsteilen ist nicht einfach. Eine vorrangige Aufgabe der Diözese besteht darin, Brücken der Versöhnung zwischen diesen beiden Gruppen zu bauen.

Laienmitarbeiter als Seele der Gemeinden

Es gibt 450.000 Katholiken und etwa 350.000 Protestanten. Die übrigen sind der traditionellen Religion zugetan. Es gibt auch eine kleine, aber signifikante Präsenz von Muslimen. Die Diözese Bentiu ist in sieben sehr große Pfarreien eingeteilt, zu denen jeweils zahlreiche Kapellen gehören. Derzeit haben wir sieben Diözesanpriester und zwei Diakone. Die Pfarreien sind also auf Katecheten und Laienmitarbeiter angewiesen, welche das Rückgrat der christlichen Gemeinden bilden. In der Stadt Leer, 130 km südlich von Bentiu, gibt es eine Niederlassung der Comboni-Missionare, die in den letzten 30 Jahren viel zur Evangelisierung dieser Region beigetragen haben, vor allem durch ein Katechesezentrum, in dem eine große Zahl von Katecheten ausgebildet worden ist. Wir haben auch eine Gemeinschaft von Kapuzinern, die im Flüchtlingslager von Rubkona tätig ist. Zurzeit haben wir keine Ordensgemeinschaft von Schwestern, doch erwarten wir die Rückkehr der Comboni-Missionsschwestern und hoffen, dass noch weitere Kongregationen zu uns kommen werden.

Flüchtlingselend infolge des Bürgerkriegs

Das Gebiet unserer Diözese gehört zum ärmsten Teil des Landes. Hier leben die am meisten ausgegrenzten Menschen. Durch den Bürgerkrieg in den Jahren 2013 bis 2018 wurde die Stadt Bentiu verwüstet. Erst jetzt beginnt die Rückkehr der Bevölkerung in die Stadt. Doch es fehlt an Baumaterialien für den Wiederaufbau der Häuser. Die Menschen leben in einfachen Unterkünften, für die sie den noch brauchbaren Bauschutt verwendet haben.

In Rubkona, einer Zwillingsstadt von Bentiu, die nördlich des Gazelle-Flusses (einem Nebenfluss des Nils) liegt, befindet sich das größte Vertriebenenlager im Südsudan. Es entstand 2014 infolge des Konflikts und beherbergt 130.000 Flüchtlinge. Obwohl Friedensvereinbarungen getroffen worden sind, können die Menschen noch immer nicht in ihre Heimat zurückkehren. Es sind nun die Überschwemmungen der letzten Jahre, die sie daran hindern. Nach UN-Angaben sind 90 Prozent der Bevölkerung in diesem Gebiet Vertriebene. Außerdem leben in den Lagern von Yida und Jamjang, die sich ebenfalls auf dem Gebiet unserer Diözese befinden, etwa 70.000 sudanesische Flüchtlinge, hauptsächlich ethnische Nuba. Die Armut, in der die Bevölkerung lebt, macht sie äußerst verwundbar.

Verschärfung der Situation durch die Klimakrise

Auch der Klimawandel wirkt sich negativ auf die Lage im Südsudan aus. Das Land erlebt sowohl langfristige Veränderungen, z. B. höhere Durchschnittstemperaturen als in der Vergangenheit, als auch häufigere extreme Wetterereignisse. Die saisonalen Niederschläge sind ziemlich unberechenbar geworden. Es gibt Perioden extremer Dürre und extremer Regenfälle. All dies hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft, da die Bevölkerung über keine Möglichkeiten der Bewässerung verfügt und vollständig von den Niederschlägen abhängig ist. Der Klimawandel erschwert daher die Erzeugung von Nahrungsmitteln zur Versorgung der Bevölkerung.

In den letzten vier Jahren hat der Anstieg des Nils zu schweren Überschwemmungen geführt, von denen jährlich etwa eine Million Menschen betroffen sind. Große Teile des Ackerlands wurden überflutet. An Krankheiten, die im stagnierenden Wasser entstanden sind, verendeten zahlreiche Tiere. Die Betroffenen mussten aufgrund ihrer bitteren Armut ein neues Zuhause suchen. Die Umsiedlung stieß vielfach auf feindselige Reaktionen der einheimischen Bevölkerung. Gleichzeitig führte der begrenzte Zugang zu Ressourcen zur Verschlechterung der Bodenqualität und zur Abholzung der Wälder, was das Risiko von Konflikten weiter erhöhte.

Zudem droht durch die Überschwemmungen eine gefährliche Umweltverschmutzung. Denn die meisten Ölquellen befinden sich in der Nähe von Flüssen. Im Bundesstaat Unity zum Beispiel wurden 533 der 1352 Ölquellen überflutet und es besteht die Gefahr, dass gefährliche Chemikalien ins Wasser gelangen. Klimawandel und Umweltzerstörung aber rauben der Bevölkerung des Südsudans ihre Widerstandskraft und machen sie umso krisenanfälliger.

Kampf der Eliten um die Öleinnahmen

Seit der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 bilden die Öleinnahmen, die etwa 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, eine gewisse Grundlage für Stabilität, sie sind aber auch der Auslöser von Konflikten. Als der Südsudan unabhängig wurde, hatte er einen so umfassenden Zugang zu den Einnahmen durch die Ölförderung, dass er als Land mit mittlerem Einkommen eingestuft wurde. Man hoffte, dass die Öleinnahmen den Aufbau des neuen Staates unterstützen und die Entwicklung der öffentlichen Infrastruktur finanzieren würden. Leider aber war dies nicht der Fall.

Die „International Crisis Group“, eine unabhängige Organisation für Konfliktprävention und Konfliktlösung mit Sitz in Brüssel, kommt zu dem Ergebnis, dass sich vor allem die herrschende Klasse mit den Öleinnahmen bereichert hat. Dies führte zu Konflikten sowohl innerhalb des Systems als auch zwischen den Begünstigten und den Ausgeschlossenen. Nach den Untersuchungen von Joshua Craze spielte die Frage nach dem Zugang zu den Öleinnahmen die Schlüsselrolle im Bürgerkrieg von 2013 bis 2018. Auch heute bildet sie die Hauptantriebskraft für den Wettbewerb zwischen den Eliten innerhalb des politischen Systems des Landes. Das Öl habe die Gewalt auf lokaler Ebene angeheizt. Dabei hätten die Eliten die ethnischen Gemeinschaften vor Ort mobilisiert, um sich so den Zugang zu den Einnahmen zu sichern. Gleichzeitig habe das Öl aber auch dazu beigetragen, neue Konflikte zu verhindern, da die Machthaber mit den Öleinnahmen die Loyalität potenzieller Herausforderer erkaufen konnten, indem sie ihnen beispielsweise einen Zugang zu Renten verschafften. Bis heute sind die Eliten nicht bereit, die Wirtschaft so umzustellen, dass mit den Öleinnahmen andere produktive Sektoren angekurbelt werden und auf die ökologische Nachhaltigkeit geachtet wird.

Der Konflikt im Sudan seit 2023

Der Konflikt im Sudan, der im April 2023 ausgebrochen ist, steht im Zusammenhang mit Machtgleichgewichten oder vielmehr Ungleichgewichten, bei denen bestimmte Eliten und militärische Gruppen um den Zugang zu den Ressourcen konkurrieren. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Südsudan, denn die beiden Länder sind stark voneinander abhängig.

Viele Südsudanesen lebten früher im Sudan, weil es dort gute Möglichkeiten für Arbeit, Studium und medizinische Versorgung gab. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Die meisten von ihnen sind in den Südsudan zurückgekehrt, haben jedoch alles verloren und stehen jetzt ohne Möglichkeit da, in ihrer Heimat neu zu beginnen. Insgesamt hat der Südsudan seit Beginn des Konflikts mehr als 800.000 Flüchtlinge aufgenommen. Marie-Helene Verney, UNHCR-Vertreterin im Südsudan, erklärte: „Wir gehen davon aus, dass das Schlimmste noch bevorsteht. Der Konflikt im Sudan hat schwerwiegendere Auswirkungen auf den Südsudan als auf jedes andere Land in der Region, was die immensen Herausforderungen, mit denen das Land bereits konfrontiert ist, noch vergrößert.“

Die anhaltende Krise im Sudan hat die Ölförderung verlangsamt, da der Transport über die Pipeline nach Port Sudan unsicherer geworden ist. Die Wirtschaft wurde weiter geschwächt, die Landeswährung verlor noch mehr an Wert und die Inflation stieg sprunghaft an. Die Preise für lebenswichtige Güter, einschließlich Lebensmittel, sind in die Höhe geschnellt, was die Kaufkraft und die verfügbaren Ressourcen einschränkt.

Neben dem Sudan ist eine besorgniserregende Destabilisierung in allen Ländern am Horn von Afrika zu beobachten. Die Spannungen machen diese Länder zu hervorragenden Kunden für den Waffenmarkt, auch für den illegalen. Wenn Waffen in einem Land ankommen, gehen sie leicht von Hand zu Hand über die Grenzen hinweg und destabilisieren weite Regionen. Im Sudan sind auch ausländische Rekruten und Söldner anzutreffen, weil der Konflikt eine Gelegenheit für Plünderungen und Waffenbeschaffung bietet.

Verantwortung für das Gemeinwohl aller Bürger

Am 6. September kündigte Präsident Salva Kiir Mayardit die Verlängerung der Regierungszeit um weitere 24 Monate an und verschob die für dieses Jahr geplanten Wahlen auf Dezember 2026. Tatsächlich ist der Südsudan fast völlig unvorbereitet. Zudem handelt es sich nicht nur um Routinewahlen, wie sie in anderen Ländern regelmäßig abgehalten werden.

Es gab in der Bevölkerung die Meinung: „Eine schlechte Wahl ist besser als keine Wahl“. Auch religiöse Führer brachten nach der Ankündigung des Präsidenten ihre Enttäuschung über die Verlängerung der Regierung der nationalen Einheit zum Ausdruck und bezeichneten dies als eine Verlängerung des Leidens des Volkes.

Doch müssen die Wahlkonsultationen zugunsten eines wahren demokratischen Prozesses so gut wie möglich vorbereitet und durchgeführt werden. Daher halte ich es für wichtiger, sich jetzt auf den Prozess bis zu den Wahlen als auf das Ergebnis zu konzentrieren. Wir werden uns um die politische Bildung der Wahlberechtigten bemühen, zusammen mit der allgemeinen Bildung in den Schulen. Der Prozess muss zur Bildung eines nationalen Bewusstseins und zum Aufbau der Nation auf der Grundlage des Gemeinwohls aller Bürger führen. Im Licht des Evangeliums und aus der Kraft unseres christlichen Glaubens werden wir diesen Prozess begleiten.

Bischof Christian Carlassare mccj, in: Kirche Heute