„Entschuldigt bitte – schreibt der Comboni-Missionar P. Alex Zanotelli – wenn ich mich in diesem glühend heißen Sommer an Euch wende. Es ist das wachsende Leiden der Ärmsten und Ausgegrenzten, das mich dazu drängt. Deswegen greife ich als Missionar zur Feder, um ihrem Schrei Gehör zu verschaffen, dem immer weniger Raum in den Medien gegeben wird. Der Großteil unserer Veröffentlichungen, sowohl in den Zeitungen als auch im Fernsehen, wird immer oberflächlicher, kleinkarierter und dem globalen Markt angepasst. Ich weiß, dass die Medien von den mächtigen Finanzgruppen abhängen, so dass wir kaum die Möglichkeit haben zu schreiben, was uns am Herzen liegt. Ich erwarte von euch keinen Heroismus, wohl aber den Versuch, jeden Tag einige Neuigkeiten zu verbreiten, um die Leser und Hörer auf die dramatische Lage von so vielen Völkern aufmerksam zu machen. Ich appelliere an euch, Journalisten, mutig das mediale Schweigen zu brechen, das Afrika belastet“.
Das Schweigen über die dramatische Situation im Südsudan, dem jüngsten Staat Afrikas, ist für mich nicht akzeptabel. Es wird von einem erschreckenden Bürgerkrieg heimgesucht, dem bereits dreihunderttausend Menschen zum Opfer gefallen sind und der Millionen aus ihren Dörfern vertrieben hat.
Inakzeptabel ist:
Das Schweigen über den Sudan, dessen tyrannisches Regime gegen das Volk auf den Bergen Kordofans, gegen die Nuba, das gemarterte Volk Afrikas, und gegen die Völker von Darfur Krieg führt;
Das Schweigen über Somalia, das schon über dreißig Jahre in einen Bürgerkrieg verwickelt ist, so dass Millionen seiner Bürger als Flüchtlinge im Inn- oder Ausland leben;
Das Schweigen über Eritrea, das von einer der schlimmsten Regierungen der Welt geknechtet wird, so dass Tausende von Jugendlichen nach Europa fliehen;
Das Schweigen über die zentralafrikanische Republik, die von einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg zerfleischt wird;
Das Schweigen über die schwierige Situation der Sahelzone von Tschad bis Mali, wo die mächtigen Dschihad-Gruppen versuchen könnten, ein neues Kalifat in Schwarzafrika zu errichten; Das Schweigen über die chaotische Lage in Libyen, wo alle gegen alle sind, seit jenem unglückseligen Krieg gegen Gaddafi; Das Schweigen über das Geschehen im Herzen Afrikas, besonders im Kongo, von wo unsere kostbarsten Minerale kommen; Das Schweigen über dreißig Millionen Menschen, die in Äthiopien, Somalia, Südsudan, im Norden von Kenia und um den Tschad See Hunger und laut UNO unter der größten Nahrungskrise der letzten 50 Jahre leiden; Das Schweigen über den Klimawandel in Afrika, das gegen Ende des Jahrhunderts drei Viertel seiner Wohn- und Anbaufläche verlieren wird; Das Schweigen über den Verkauf von schweren und leichten Waffen, der zur Folge hat, dass die Kriege immer grausamer werden und Millionen von Menschen in die Flucht treiben. Wenn man diese Hintergründe nicht kennt, versteht man auch nicht, warum so viele Menschen auf der Flucht sind und ihr Leben aufs Spiel setzen, um zu uns zu kommen. Das erzeugt den Horror der „Invasion“, der von fremdenfeindlichen Parteien ausgenützt wird. Das zwingt die europäischen Regierungen, die Einwanderer aus Afrika zu stoppen. Aber die Verzweifelten der Geschichte wird niemand aufhalten können. Das ist kein Notstand sondern die Folge des Wirtschafts- und Finanzsystems. Die UNO erwartet bis 2050 an die 50 Millionen Klimaflüchtlinge allein aus Afrika. Nun schreien unsere Politiker: „Wir wollen ihnen in ihrer Heimat helfen“, nachdem wir sie jahrhundertelang ausgeplündert haben und es weiterhin tun mit einer wirtschaftlichen Politik, an der unsere Banken und unsere Industrie verdienen. Auf diese Weise ist unser Mittelmeer zu einem Friedhof geworden, wo zehntausende von Flüchtlingen ertrunken sind. Mit ihnen ertrinkt auch Europa, die Heimat der Menschenrechte. Angesichts solcher Tragödien dürfen wir nicht schweigen. Werden unsere Enkel nicht einmal über uns sagen, was wir heute über die Nationalsozialisten sagen? Deshalb bitte ich euch, das Schweigen über Afrika zu brechen und eure Medien zu zwingen, darüber zu schreiben.
P. Alex Zanotelli. Neapel, 17. Juli 2017.