Das Weltfriedenstreffen von Sant’Egidio in Osnabrück ist am Dienstag, 12. September 2017, mit einem Friedensappell zu Ende gegangen. Christen, Juden, Muslime, Buddhisten und Vertreter weiterer Religionen haben zusammen mit 5000 Teilnehmern gemeinsam um den Frieden gebetet. Mit dem Frieden von Münster und Osnabrück endete 1648 der Dreißigjährige Krieg, der vor 400 Jahren, 1618, begonnen hatte. Sant’Egidio ist eine weltweite katholische Geistliche Gemeinschaft mit Sitz in Rom, die sich vor allem der Arbeit für den Frieden verpflichtet hat. Der Friedensappell im Wortlaut …
Wir sind Frauen und Männer verschiedener Religionen und haben uns nach intensiven Tagen der Begegnung und Freundschaft hier versammelt, um alle auf das Bedürfnis hinzuweisen, neue „Wege des Friedens“ einzuschlagen. Die Welt braucht sie wie das Brot, damit sie nicht in der Vergangenheit und in Angst gefangen bleibt. Ganze Völker sehnen sich nach Frieden, Völker, die durch endlose Konflikte verarmt und geknechtet sind. Den Frieden erbitten die Opfer der Gewalt und eines erbarmungslosen Terrorismus. Um ihn flehen Flüchtlinge und Vertriebene, die aufgrund von Konflikten und Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen haben.
Wir, die wir hier sind, verkünden den Frieden vor aller Augen, in einer Region, die es in der Vergangenheit verstand, Religionen zu versöhnen und Frieden zu stiften – im Herzen Europas, das es nötig hat, einiger, offener und solidarischer zu sein. Ängste und Vorurteile müssen überwunden werden, die zur Ausgrenzung des Anderen führen, nur weil er anders ist oder weil man ihn nicht kennt, oft ohne die Gründe dafür zu verstehen.
Deshalb sind heute alle Gläubigen gefordert, mit mehr Kühnheit zu handeln.
Der Globalisierung ist es gelungen, Wirtschaft und Handel zu einigen, doch nicht die Herzen: Im Respekt vor der Verschiedenheit muss durch einen dauerhaften Dialog eine spirituelle Einigung verwirklicht und aufgebaut werden, und dabei darf niemand ausgegrenzt werden. Diese „spirituelle Einigung“ kann der Welt viel geben. Es ist die Seele, die fehlt und die den so sehr ersehnten Frieden bringen kann.
Als Vertreter der Weltreligionen wollen wir den Blick über unsere Horizonte hinaus richten und eine neue Bewegung des Dialogs ins Leben rufen. Die Begegnung und der Dialog entwaffnen und halten die Gewalttäter auf. Denn wir wissen, dass der Krieg niemals heilig ist und dass jene, die im Namen Gottes töten, weder im Namen einer Religion noch im Namen der Menschen handeln.
Voller Überzeugung sagen wir Nein zum Terrorismus, der in den vergangenen Monaten zu viele Länder heimgesucht und zu viele Unschuldige im Norden und Süden der Welt getötet hat.
Wir verpflichten uns, dafür zu arbeiten, dass die Ursachen vieler Konflikte beseitigt werden: die Gier nach Macht und Geld, der Waffenhandel, der Fanatismus und der Nationalismus. Nach dem Ende des Kalten Krieges erscheint zum ersten Mal wieder die Gefahr eines Atomkrieges vom Fernen Osten her. Was können die Gläubigen tun? Vielleicht mehr als sie selbst hoffen und sich vorstellen.
Vor allem können sie beten! Wie heute Abend an verschiedenen Orten dieser Stadt und auf diesem Platz: mit einem großen Friedensgebet. Doch auch unser Zusammensein unter verschiedenen Religionen, das in diesen Jahren gewachsen ist, ist ein Zeichen des Friedens und hat bereits ein Netz zur Vorbeugung von Konflikten geschaffen.
Es gibt große Erwartungen uns gegenüber. Sie kommen von den Demütigen und Armen der Erde. Wir haben eine große Verantwortung: Wir dürfen nicht zulassen, dass die Resignation überwiegt, oder, was noch schlimmer ist, die Gleichgültigkeit. Das haben wir im letzten Jahr in Assisi zum Ausdruck gebracht, am dreißigsten Jahrestag des ersten Friedensgebets. Zu diesem Ereignis hatte Papst Johannes Paul II. eingeladen, und die Gemeinschaft Sant’Egidio wollte es jedes Jahr fortsetzen. Im Appell von 2016 heißt es: „Friede ist der Name Gottes. Wer den Namen Gottes anruft, um Terrorismus, Gewalt oder Krieg zu rechtfertigen, befindet sich nicht auf Seinem Weg“. Daher wollen wir uns heute mit der Hilfe Gottes und mit der Unterstützung vieler feierlich dazu verpflichten, in unserer Welt neue „Wege des Friedens“ zu eröffnen.