Pater Jérôme Missay Soku, ein Comboni-Missionar aus der Demokratischen Republik Kongo, arbeitete neun Jahre in einer südafrikanischen Gemeinde. Er berichtet über seine Erfahrungen.
1978 wurde ich in Kisangani in der DR Kongo geboren. Meine Eltern waren überzeugte Christen, und ihr Glaube beeinflusste mich stark. Mein Vater war in vielerlei Hinsicht ein geborener Künstler. Er brachte mir bei zu zeichnen, zu malen und zu singen. Comboni-Missionare leiteten unsere Gemeinde, und sie nahmen seine Kunst gerne in Anspruch, um Kirchen, Kapellen und Säle auszuschmücken.
Schon als kleiner Junge trat ich in das Kleine Seminar der Diözese ein. Mein Leben verlief reibungslos, ohne besondere Erschütterungen. Für mich war selbstverständlich, dass ich Diözesanpriester werden würde, und meine Familie war glücklich über diese Entscheidung.
Am 17. März 1996 wurde Bischof Daniel Comboni, der Gründer der Comboni-Missionare, seliggesprochen. Ein ganzes Jahr lang bereiteten die Comboni-Missionare in der DR Kongo dieses große Ereignis vor, indem sie Konferenzen, Symposien und Feiern in allen Gemeinden und Schulen organisierten. Eines Abends kamen sie auch in das Seminar, in dem ich auf mein Studium konzentriert war. Ihre Präsentation über Combonis Leben und Charisma und die Schilderung ihrer Arbeit in Afrika faszinierten mich.
Gefühle, Wünsche und Hoffnungen, die lange in meinem Unterbewusstsein verborgen gewesen waren, kamen plötzlich zum Vorschein und formulierten sich deutlich. Ich brauchte sie nur noch zu akzeptieren, verdauen, mir zu eigen zu machen. Ich beschloss jedoch, mich nicht von dieser belebenden Eingebung mitreißen zu lassen, sondern mich mit geistlicher Begleitung dem Prozess der Entscheidungsfindung zu stellen. Ich brauchte drei Jahre, um mich ganz diesem starken Bedürfnis hinzugeben, in der Überzeugung, dass dies Gottes Wille für mich war. Schließlich trat ich im Oktober 1999 als Postulant bei den Comboni-Missionaren in Kisangani ein. Leider wurde das, was ein Honigmond hätte sein können, für mich schnell zu einem Alptraum. 15.000 ugandische und 19.000 ruandische Soldaten befanden sich auf kongolesischem Boden. Laurent Kabila hatte bei seinem Marsch auf Kinshasa, um Mobutu Sese Seko zu stürzen, Kisangani als Basis für die ausländischen Truppen auserkoren. Diese Allianz ausländischer Streitkräfte zerbrach, als Menschen mit Hutu-Herkunft aus West-Zaire zu tausenden massakriert wurden.
Kisangani wurde zum Schauplatz der ersten offenen Kämpfe zwischen ugandischen und ruandischen Truppen, und fast 3.000 Menschen starben im Kreuzfeuer. Durch die Kämpfe wurde etwa ein Viertel der Stadt zerstört. Weitere Zusammenstöße der beiden Armeen vom 5. bis 11. Juni 2000 forderten weitere Tausende Tote und führten zu weitreichenden Zerstörungen. Viele meiner Verwandten und Freunde wurden in diesem schrecklichen Krieg getötet. Ich selbst wurde bis zum Ende des Krieges in einem ugandischen Lager als Geisel gefangen gehalten, wo ich meine Zeit mit verwaisten Familien und Verletzten verbrachte. Die Erinnerungen an die Gräueltaten, die ich sah, sind mir im Gedächtnis geblieben, aber ich habe nie zugelassen, dass sie mich lähmten. Im Gegenteil, meine Motivation, alle Formen sozialer Ungerechtigkeit zu bekämpfen und auf der Seite meiner schwächsten und am meisten geschundenen Brüder und Schwestern zu stehen, wurde stärker als je zuvor.
Im Juni 2005 legte ich meine zeitlichen Gelübde ab und zog in das Internationale Comboni-Scholastikat in Kinshasa, wo ich endlich die Schönheit des Gemeinschaftslebens genießen konnte. Ich konzentrierte mich voll auf mein Theologiestudium und hatte dabei die Gelegenheit, mich meinen Leidenschaften zu widmen: Malerei und Gesang. Am Ende des Scholastikats konnten wir unsere erste CD mit einigen missionarischen Liedern veröffentlichen. Damit unterstützten wir die missionarische Bewusstseinsbildung von Afriquespoir, einer Comboni-Zeitschrift, die in Kinshasa für das ganze französischsprachige Afrika herausgegeben wird. Bis zu diesem Zeitpunkt waren mein Zugehörigkeitsgefühl zur Comboni-Familie und meine missionarische Begeisterung ständig gewachsen, und ich brannte darauf, alles in die Praxis umzusetzen, was ich in meiner Ausbildungszeit gelernt hatte. Deshalb begrüßte ich die Gelegenheit, zur Vorbereitung auf meine Priesterweihe für zwei Jahre ins Ausland zu gehen, um seelsorgerische Arbeit zu leisten.
Im August 2009 wurde ich nach Pretoria (Südafrika) geschickt. Mein Verlangen, mich gleich an die Arbeit zu machen, wurde durch das Sprachproblem geschmälert. Erstaunlicherweise stellte ich fest, dass Sprachen mir leichtfallen. Nach einem viermonatigen Englisch-Intensivkurs kam ich nach Acornhoek in eine Missionsgemeinde, die 1954 von den Comboni-Missionaren gegründet worden war, aber noch immer mit großen Bereichen, wo Erstevangelisierung geschieht. Es gab 38 Außenstationen, die regelmäßig von den Patres besucht wurden. Trotz ihrer Armut unterstützten die Menschen ihre Gemeinde großzügig: heute sind die meisten von ihnen Kleinbauern und Hirten. Von Anfang an tauchte ich in die neue Umgebung ein. Ich war begeistert von allem, was ich sah, und machte mich mit Feuereifer an die Arbeit.
Ein Jahr später, am 14. November 2010, legte ich in Pretoria die Ewigen Gelübde ab, und am 5. Dezember wurde ich in Acornhoek zum Diakon geweiht. Am 29. Dezemberwurde ich in meiner Heimatgemeinde in Kisangani zum Priester geweiht. Ein paar Wochen später kehrte ich nach Acornhoek zurück, um als erster afrikanischer Priester in der Pfarrei zu arbeiten. Neun Jahre lang legte ich den Akzent auf Eigenständigkeit in jeder Hinsicht. Ich besuchte Gemeinden vor Ort, verbrachte Zeit mit Kranken und Familien, betreute die verschiedenen Gruppen, vor allem für junge Leute, bildete Laienmitarbeiter aus und spendete die Sakramente. Ich machte die bisherige Gesangsgruppe der Gemeinde zu einem erstklassigen Chor, der sechs großartige CDs mit alten und neuen liturgischen Liedern produzierte.
Im August 2019 verließ ich Acornhoek mit einem neuen Bestimmungsort: Die Loyola Universität (Chicago), wo ich ein Spezialisierungsstudium in Pastoralberatung absolviere. Werde ich jemals nach Acornhoek zurückkehren? Ich weiß es nicht. Ich werde dahin gehen, wohin Gott mich schickt. Heute ist mein Herz voll Dankbarkeit. Und „gratitude“, „Dankbarkeit“, ist der Titel der letzten CD, die ich veröffentlicht und meinen südafrikanischen Freunden zum Abschieds hinterlassen habe.
Pater Jérôme Missay Soku