Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch (AG 2). So fasst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) in seinem Dekret Ad Gentes das Grundanliegen kirchlichen Handelns zusammen. Mission ist keine Aufgabe neben anderen, sondern gehört als Auftrag Jesu Christi zu ihrem Wesenskern.
Der interreligiöse Dialog wird als Bestandteil der Missionstätigkeit der Kirche betrachtet. In einer religiös „bunten“ Welt ist es fast unvermeidbar, mit Angehörigen anderer Religionen in Beziehung zu stehen. Deshalb kann man sagen: Heute religiös zu sein, bedeutet inter-religiös zu sein. Das letzte Konzil lehrt: Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet (Nostra Aetate 2).
Dialogfähigkeit ist in der Welt von heute von großer Bedeutung. Dazu gehören sowohl die Bereitschaft, den anderen anzunehmen, als auch das Bemühen, sich in einer Haltung gegenseitigen Respekts zu begegnen. Man muss die Überzeugungen des Gegenübers nicht akzeptieren, aber man kann sie respektieren. In Schulen, in Vereinen, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz gehört dies für viele Menschen zum Alltag.
Erfahrungen aus dem Leben der Comboni-Missionare
Im Jahre 1964 wurde der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog als Sekretariat für die Nichtchristen gegründet. Das Gremium widmet sich dem Kontakt, Austausch und Dialog mit anderen Religionen mit Ausnahme des Judentums. Diese Aufgabe wird von einer eigenen Abteilung des Rates für die Einheit der Christen wahrgenommen. Als Comboni-Missionare fühlen wir uns geehrt, dass unser spanischer Mitbruder, Kardinal Miguel Ayuso Guixot, dem Päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog seit 2019 als dessen Präsident vorsteht. Er hat viel Erfahrung im Dialog mit dem Islam.
Ein bedeutender Beitrag zum interreligiösen Dialog spielt sich auf intellektueller Ebene ab. Er hilft zu verstehen, was andere glauben und was sie zu ihrer Lebensweise motiviert. Das ist eine wesentliche Grundlage dafür, das Gute im Menschen zu fördern.
Barmherzigkeit und Nächstenliebe für alle
Die Comboni-Missionare arbeiten vor allem im pädagogischen, karitativen und sozialen Bereich mit Angehörigen anderer Religionen zusammen. Es ist eine der besten Gelegenheiten, Barmherzigkeit und Nächstenliebe für alle zu praktizieren. Ein Beispiel ist das Comboni College in Khartum. Von Anfang an stand es Jungen und Mädchen offen, unabhängig von Herkunft oder Religionszugehörigkeit, und es gilt als Zentrum des interreligiösen Dialogs und der Begegnung. Heute ist es die einzige Universität sowohl mit Kapellen als auch mit Räumen für muslimische Gebete. Sie bietet vier Hochschulabschlüsse an, zwei dreijährige Spezialisierungskurse, Weiterbildungskurse in Italienisch, Spanisch und Englisch, Pädagogik, Informatik und, als Pionierkurs im Sudan, Palliativmedizin für Gesundheitspersonal.
Papst als Motor für interreligiösen Dialog
Für Papst Franziskus ist die Begegnung mit Vertretern anderer Religionen sehr wichtig. In Evangelii Gaudium 250 spricht er vom interreligiösen Dialog als eine notwendige Bedingung für den Frieden in der Welt. Er bietet die Möglichkeit, einander auf der Suche nach einem tieferen Verständnis der geoffenbarten Wahrheit Gottes zu begleiten. In seinen beiden Enzykliken Laudato Si‚ und Fratelli Tutti richtet der Papst den Fokus auf die interreligiöse Gebetsgemeinschaft. Beide Dokumente enden mit jeweils zwei Gebeten, wobei eines davon immer einen interreligiösen und das andere einen ökumenischen Horizont hat. Bei seinem Besuch im Irak im März 2021 wurde bei einer interreligiösen Begegnung ein von ihm selbst verfasster Text mit dem Titel Gebet der Kinder Abrahams vorgetragen.
Aus meiner Missionserfahrung in Talì im mehrheitlich christlichen Südsudan habe ich vor allem bei Beerdigungen erlebt, dass muslimische Geistliche und Vertreter der einheimischen Religion die Möglichkeit wahrgenommen haben, sich beim gemeinsamen Gebet aktiv zu beteiligen. Beeindruckend war für mich außerdem die Tatsache, dass vor dem Fällen von Bäumen, die unserer Mission zum Bau einer Schule und einer Kirche bereitgestellt wurden, von den meist ungetauften Ältesten des Ortes ein Gebet gesprochen wurde. Sie brachten so ihren tiefen Respekt vor Gottes Schöpfung zum Ausdruck.
Weihe der Kathedrale „Unsere Liebe Frau von Arabien“
Ein ermutigendes Beispiel für die Förderung der multiethnischen und religiösen Vielfalt ist das Königreich Bahrain. In der Region leben etwa 80000 Katholiken, meist Arbeiter aus Asien (v.a. Filipinos und Inder). Am 10. Dezember 2021 ist dort die neue katholische Kathedrale „Unsere Liebe Frau von Arabien“ feierlich eröffnet worden. Sie bietet Platz für bis zu 2300 Personen. An der Zeremonie nahmen König Hamad und Kurienkardinal Tagle, der Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker, teil. Die Kathedrale gehört zum Dienstsitz des Apostolischen Vikariats Nordarabien, das neben Bahrain auch Kuwait, Katar und Saudi-Arabien umfasst.
Bis zu seinem Tod im April 2020 hatte der italienische Comboni-Missionar Mons. Camillo Ballin dort das Amt des Apostolischen Vikars inne. Als Initiator des Projekts war er unermüdlich im Einsatz. Der König von Bahrain hatte 2013 der Kirche ein etwa 9000 Quadratmeter großes Grundstück zum Bau der neuen Kirche geschenkt. Der erste Spatenstich erfolgte im Mai 2014. Bischof Ballin hatte viele Herausforderungen zu bewältigen. Wir sind überzeugt, dass er die Freude der Christen auf der Arabischen Halbinsel vom Himmel aus mit den Menschen teilt.
Katholische Missionsarbeit ist in Bahrain nicht gestattet. Die freie Religionsausübung von Nicht-Muslimen ist nur in Privaträumen und anerkannten Kultorten erlaubt. Insbesondere an großen Feiertagen reisen viele Christen aus Saudi-Arabien zum Kirchgang ins benachbarte Bahrain. Bischof Ballin war es ein Anliegen, dass neben der Feier der Gottesdienste vor allem auch der interreligiöse Dialog angestoßen wird. Er wollte einen Ort der Begegnung schaffen, an dem Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich zusammenkommen. Der derzeitige Apostolische Administrator von Nordarabien, Bischof Paul Hinder, ein aus der Schweiz stammender Kapuziner, dankte allen, die spirituell und materiell dazu beigetragen haben, dass dieses Werk verwirklicht werden konnte. Ein „Traum“ ist endlich wahr geworden.
P. Markus Körber