Im letzten Artikel unserer Reihe setzt sich Provinzial Pater Hubert Grabmann mit dem Thema Globalisierung und dessen Bedeutung für die Entwicklung der Kongregation der Comboni-Missionare auseinander.

Während die Weltbevölkerung vor 500 Jahren noch etwa 500 Millionen Menschen zählte, waren es im Jahr 1800 schon eine Milliarde und seit den 70er- Jahren wächst die Bevölkerung alle zwölf bis 15 Jahre um eine weitere Milliarde. Derzeit teilen sich mehr als acht Milliarden Menschen Raum und Ressourcen auf unserer Erde. Das bedeutet auch, dass die Interaktionen zwischen den Menschen sich verändern.
Früher fand kultureller Austausch und Kontakt in der Regel nur mit den direkten Nachbarn statt. Inzwischen leben wir in einer globalisierten Welt, in der internationale Verflechtungen allgegenwärtig sind und in fast alle Bereiche unseres Lebens hineinwirken.
Aber die Globalisierung hat zwei Seiten. Sie bietet zweifellos Chancen, doch sind die Gefahren nicht zu unterschätzen, wenn zum Beispiel lokale Märkte mit billigen Produkten aus anderen Ländern geflutet werden. Diese Ambiguität gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für lokale Kulturen und Wertesysteme. Die Comboni-Missionare sehen eine wichtige Aufgabe vor allem in der Förderung von grundlegender Ausbildung in ihren Einsatzländern, um den Menschen dort eine bessere Chance zu geben, mit den zunehmenden Herausforderungen umzugehen.

Globalisierung und Kirche
Auch die Kirche kann sich dieser Wirklichkeit nicht entziehen: Jesus selbst hatte die Apostel mit seinem Missionsauftrag (Mt 28,16-20) in die ganze Welt ausgesandt. Aber weil die ersten Christen aus dem jüdischen Glauben kamen, die das Heil anfangs allein für ihr von Gott auserwähltes Volk sahen, fiel es den ersten Jüngern schwer, die Grenzen Israels zu verlassen. Der Apostel Paulus war dann derjenige, der Grenzen hinter sich ließ und die weltumspannende Mission begann. Damit begann die Kirche „katholisch“, mit anderen Worten, eine umfassende, eine Weltkirche zu sein, so dass sich heute insgesamt mehr als 2,5 Milliarden Menschen in fast 200 Ländern der Erde dem Christentum zurechnen. In einer globalisierten Welt, in der Kulturen und Wertvorstellungen aufeinandertreffen und miteinander konkurrieren, ist die Einheit der Kirche in der Vielfalt der Kulturen eine besondere Herausforderung, der sich auch wir Comboni-Missionare immer wieder stellen müssen.

Heiligsprechung: Comboni-Missionare bei der Heiligsprechung Daniel Combonis am 5. Oktober 2003 in Rom. In der Mitte Pater Hubert Grabmann an der Gitarre. Foto: Comboni-Missionare

Comboni dachte global
Daniel Comboni, der aus Limone am Gardasee stammt, ist an seiner missionarischen Berufung gewachsen und im Laufe seines Lebens zu einem wahren „Weltbürger“ geworden. Als er 1831 geboren wurde, gehörte seine Heimatregion zum Österreichisch-Ungarischen Kaiserreich, bei seinem Tod 1881 war sie Teil des neu vereinigten Italien. Er verstand die meisten europäischen Sprachen, dazu Arabisch und verschiedene afrikanische Sprachen und Dialekte. Er bewegte sich wie selbstverständlich zwischen den Ländern Europas und Afrikas hin und her und baute ein zunehmend globales Netzwerk auf, das der Unterstützung seines Planes der Evangelisierung und Erneuerung Afrikas dienen sollte.
Dieser Freundeskreis von Menschen, über die europäischen Landesgrenzen hinweg, existiert bis heute und trägt das Werk Combonis wesentlich mit. Während die Unterstützer sowie auch die Missionare selbst, die mit Comboni noch persönlich arbeiteten, anfangs aus demselben kulturellen und kirchlichen Kontext Europas stammten, hat sich das in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Nach dem ersten Weltkrieg war es Mitbrüdern aus dem deutschsprachigen Raum nicht mehr möglich, in englischen Kolonien zu arbeiten. Deshalb gingen viele nach Südamerika, um dort die Spiritualität Combonis, die Option für die Armen, zu leben. Mit diesem Schritt der Internationalisierung der Wirkungsgebiete wuchs sowohl in Amerika als auch in den afrikanischen Ländern die Zahl der einheimischen Mitbrüder. Sie ebneten den Weg hin zu einer wirklich internationalen Gemeinschaft. Ebenso entstanden Unterstützerkreise auch in Amerika und in einzelnen afrikanischen Ländern, so dass wir langsam auch hier von einem globalen Netzwerk sprechen können.
Diese Multikulturalität war in unserem Missionsinstitut von Anfang an vorgezeichnet. Comboni hat alle Menschen eingeladen, an seinem „Plan zur Rettung Afrikas“ mitzuarbeiten, gleich, woher sie kamen. Angesichts der nationalistischen Tendenzen seiner Zeit hat er selbst klargestellt, dass sein Werk weder deutsch, noch italienisch oder französisch, sondern katholisch sein sollte!

Aus aller Herren Länder: Theologiestudenten der Comboni-Missionare, hier im ehemaligen Scholastikat in Innsbruck. Foto: Gregor Schmidt

Interkulturelle Gemeinschaft
Die Fähigkeit, über die eigene kulturelle Prägung hinauszuschauen, ist auch bei Ordensleuten nicht selbstverständlich. Die Comboni-Missionare legen deshalb in der Ausbildung großen Wert darauf, die unterschiedlichen Kulturen als eine Bereicherung der eigenen Lebenswelt kennenzulernen.
In einer ersten Phase der Ausbildung, dem Postulat, reflektieren die Kandidaten vor allem ihre eigene Kultur und sollen sie dabei besser kennenlernen, um sich dann im Noviziat, wenn sie mit anderen Kollegen desselben Kontinents zusammenleben, mit anderen Kulturen auseinandersetzen zu können. Zum Abschluss der Grundausbildung leben die Comboni-Missionare in international gemischten Häusern zusammen, in denen die Ausbildung der Brüder abgeschlossen bzw. Theologie studiert wird. Hier stellt man sich der Herausforderung, aus dem Nebeneinander von Kulturen eine wahre interkulturelle Gemeinschaft zu formen. Letztlich aber geht es darum, diese Lebenshaltung gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme ein Leben lang weiterzuentwickeln.
In vielen Gesellschaften gilt das Swahili-Sprichwort: „damu mzitu kuliku maji“ (Blut ist dicker als Wasser). Es will sagen, dass Blutsverwandtschaft immer Vorrang hat. Als Folge dessen wird Korruption zugunsten von Verwandten gerechtfertigt. In Kenia habe ich das oft selbst erlebt, dass Mitglieder des gleichen Volkes bevorzugt werden gegenüber Angehörigen anderer Gruppen. Die Comboni-Missionare wollen mit ihren international zusammengesetzten Lebensgemeinschaften ein Zeichen setzen, dass Freundschaft und geschwisterliche Gemeinschaft über kulturelle Gegensätze hinweg möglich sind. Wie Paulus es sagt: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Männer und Frauen; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28)
Heute arbeiten die Comboni-Missionare in 40 Ländern der Welt und fast überall in international gemischten Gemeinschaften. Das Generalkapitel im Juni dieses Jahres betonte die Bedeutung von interkulturellen Gemeinschaften als Zeichen einer Welt, die den Individualismus überwindet und an einer geschwisterlichen Welt mitbaut. Wir hoffen auch in unserer Provinz auf noch mehr Mitbrüder mit anderem kulturellen Hintergrund, um den Herausforderungen unserer globalisierten Welt noch besser begegnen zu können.

Hubert Grabmann