Vor dem Hintergrund des Generalkapitels 2022 der Comboni-Missionare, das alle sechs Jahre stattfindet, möchten wir in den kommenden fünf Ausgaben von kontinente verschiedene Themenkreise, die uns dabei beschäftigen, näher betrachten.

Deutschland hat im September einen neuen Bundestag gewählt und dieser wählt eine neue Regierung. Ähnlich geschieht das auch in anderen Ländern alle paar Jahre. Eine ähnliche Art von Demokratie gibt es auch in den Ordensgemeinschaften. Die Comboni-Missionare wählen alle sechs Jahre ihre Delegierten für das Generalkapitel, das in Rom stattfindet. Es hätte bereits im vergangenen September zusammentreten sollen, wurde aber wegen Corona auf 2022 verschoben. Von der Deutschsprachigen Provinz sind drei Mitbrüder dabei: Pater Roberto Turyamureeba und Bruder Ivan Bernardi als gewählte Delegierte, sowie Pater Hubert Grabmann, der vor zwei Jahren als Provinzoberer gewählt worden ist.

„Palaver“ in Rom: Die Delegierten des Generalkapitels der Comboni-Missionare 2015 bei einer ihrer Sitzungen in Rom.

Demokratie im Orden
Den Wahlen eines Länderparlamentes geht normalerweise ein Wahlkampf voraus. Einen solchen „Kampf“ gibt es bei den Orden nicht, dafür aber eine eingehende Meinungsbildung darüber, welche Themen und Anliegen den Mitbrüdern wichtig erscheinen und behandelt werden sollen. Jede Hausgemeinschaft ist aufgefordert, sich zusammenzusetzen und Vorschläge an ihre Provinzleitung zu schicken.
In einer Provinzversammlung werden diese dann diskutiert, formuliert und anschließend zur Generalleitung nach Rom geschickt. So hofft man, dass in den Beschlüssen und Orientierungen des Generalkapitels die Meinung der Mehrheit der Mitglieder zum Ausdruck kommt. Die Generalleitung, also gewissermaßen die „Regierung“ der nächsten sechs Jahre, zusammengesetzt aus dem Generaloberen und vier Assistenten, wird erst etwa in der Mitte des für einen Monat angesetzten Generalkapitels gewählt. Bis dahin können sich die Delegierten ein Bild von ihren Kandidaten machen. Gewählt werden kann übrigens jeder Mitbruder, ob er am Generalkapitel teilnimmt oder nicht.

Demokratie in einer Ordensgemeinschaft

Kapitelsaal im ehemaligen Zisterzienser-Kloster Eberbach. Foto: Reinhold Baumann

Die Kirche scheint, so meinen viele, mit Demokratie nicht viel am Hut zu haben. Da mag es gegenwärtig in manchen Bereichen schon etwas Nachholbedarf geben, aber demokratische Strukturen und demokratische Meinungsbildung haben vor allem in
Ordensgemeinschaften eine lange Tradition. Selbst in Zeiten, und sie liegen gar nicht so weit zurück, als Könige und andere Fürsten ihre Herrschaft ganz selbstverständlich an ihre Kinder weitervererbten, ohne dass das Volk im Geringsten mitreden konnte, wählten die Klöster ihre Vorsteher durch eine Wahl. Auch Dinge des alltäglichen Lebens wurden besprochen und
beschlossen. Die alten Klöster hatten ihren Kapitelsaal (s. Bild links), es war einer der repräsentativsten Säle, in dem diese
Besprechungen stattfanden.
Demokratisches Handeln kann sehr unterschiedlich sein. In unseren Parlamenten und bis hin-unter auf Vereinsebene gilt normalerweise die absolute Mehrheit. Das heißt, wenn 51 Prozent zustimmen ist eine Sache beschlossen. Die übrigen 49 Prozent müssen sich eben dem Willen der Mehrheit beugen. Ein Benediktinerabt sagte dazu, das dürfe in einer Abtei nicht so sein. Der nächste Konflikt sei sonst schon vorprogrammiert, denn, wer eine Niederlage erlitten hat, sinnt unwillkürlich auf Revanche. In ihrer Tradition solle immer so lange über etwas gesprochen
werden, bis eine Lösung gefunden werde, mit der alle leben können.
Das ist übrigens auch eine uralte Tradition vieler afrikanischer und anderer Völker. Das Wort dafür heißt „Palaver“. Im Deutschen hat dieses Wort einen negativen Beigeschmack, etwa im Sinn von überflüssigem Geschwätz. Aber der ursprüngliche Sinn ist ein anderer, ein durchaus positiver. In der Tradition der Orden und vieler Völker gibt es klare Regeln für solche Gespräche oder Palaver. Wir können also von Afrika durchaus manches lernen in Sachen Demokratie.

Unsere Themen für das Generalkapitel 2022
Die Themen, die der Deutschsprachigen Provinz wichtig sind, wurden also bereits diskutiert und nach Rom geschickt. Grob zusammengefasst umfassen sie fünf Themenkreise:

1. Interkulturalität, konkret: Migration, Rolle der Minderheiten, Flüchtlinge, Asylpolitik, Gründe für die Flucht usw.

2. Globalisierung, konkret: un/gerechter Welthandel, Kluft zwischen Arm und Reich, Tourismus, billige Arbeitskräfte usw.

3. Umweltschutz und Klimawandel, konkret: Abholzung, Regenwälder, erneuerbare Energie usw.

4. Dienstämter in der Kirche, Rolle des Priesters und der Laien in den Gemeinden, Berufungen zu einem Dienst in der Kirche, Rolle der Frau in der Kirche, usw.

5. Als weiteren Punkt, der zwar im Bericht der Provinzleitung nicht angesprochen wird, könnte man nennen: ökumenischer und interreligiöser Dialog, z.B. die völkerversöhnende Kraft des Evangeliums.

Konkret geht es darum, welche Rolle diese Themen in den einzelnen Ländern und Situationen, in denen wir tätig sind, spielen und wo wir gegenwärtig und in Zukunft gefordert sind. Wir sind eine sehr heterogene Gemeinschaft, die Mitglieder kommen aus sehr unterschiedlichen Ländern und sie arbeiten auch in unterschiedlichen Ländern. Nicht immer wird das, was wir in Deutschland als das Richtige oder das Wichtigste ansehen, überall gleich gesehen. Darum werden die Antworten auch sehr unterschiedlich ausfallen. Aber so können dann auch alle voneinander lernen.

Reinhold Baumann