Pater Gregor Schmidt wäre 2020 auf Heimaturlaub nach Deutschland gekommen, hat diesen aber wegen der Pandemie auf 2021 verschoben. In seinem letzten Brief schreibt er über die Kernaufgabe des Missionars – das “Mitgehen” mit den Menschen.
Nicht die Pandemie, sondern das Hochwasser des Nil ist dieses Jahr die größte Belastung für die Menschen in unserer Region. Es ist fast eine Jahrhundertflut, wie es seit den 1960er-Jahren nicht mehr gewesen ist.
Das hat nichts mit dem Klimawandel zu tun, sondern mit der Vereinbarung, die Schleusen des Viktoriasees in Uganda zu öffnen, um Ägypten mit Wasser zu versorgen. Auf dem Weg nach Ägypten kommt das Wasser bei uns vorbei und überflutet das flache Land komplett. Die Ernte ist dahin, viele Tiere sind verendet und die Menschen müssen ihre Höfe mit hohen Deichen schützen. In vielen Dörfern ist der Fluss in die Häuser eingedrungen und die Leute mussten umsiedeln.
Unser zweites Problem sind lokale Kämpfe zwischen Nuer-Familien. Die Situation war zwischenzeitlich so kritisch, dass alle humanitären Organisationen ihr Personal aus Old Fangak evakuierten. Auch das Krankenhaus war geschlossen. Wir Comboni-Missionare waren die einzigen Ausländer, die blieben. Was die Regierung in sechs Jahren Bürgerkrieg nicht geschafft hat, das schaffen die Nuer unter sich.
Zeugnis des Missionars
Über das Zeugnis der Missionare habe ich letztes Jahr im Artikel für die Ordenskorrespondenz folgendes geschrieben: „Wir leben mit den Menschen und leiden mit ihnen. Jesus Christus hat Menschen verändert und bekehrt, indem er konkret geliebt hat und sich zum Diener aller gemacht hat.
Wir Missionare bemühen uns, Sprache und Kultur zu lernen und wandeln im wörtlichen wie im übertragenen Sinn auf ihren Pfaden. Das wird von den Menschen honoriert, und sie werden bereit, sich der Perspektive des Evangeliums zu öffnen, weil wir uns ihrer Perspektive geöffnet haben.“
Ich möchte das „Wandeln im wörtlichen Sinn“ an einem Beispiel erläutern: Auf den langen Fußmärschen zu den verstreuten Kapellen kommt oft ein Moment, wo ich nicht mehr weiter gehen kann, weil alle Kraft von mir gewichen ist. Es ist die totale körperliche Erschöpfung. Weil die Landschaft überall gleich aussieht, ist es schwer abzuschätzen, wie weit es noch bis zum nächsten Ort ist. Aber ich weiß, dass ich ankommen muss, bevor es dunkel wird und die Mücken herauskommen. Es gibt keine Sitzbank, keinen trockenen Flecken Erde weit und breit. So setze ich mich einfach auf dem Weg ins Wasser, um etwas auszuruhen, und muss dann die Wanderung notgedrungen fortsetzen.
Jemand hat mich gefragt, ob unsere Besuche in den Kapellen wirklich nötig sind. Die Leute könnten doch auch nach Old Fangak ins Pfarrzentrum kommen. Es ist jedoch dieses „Mitgehen“, das Gemeinschaft stiftet und der Präsenz der Missionare Authentizität verleiht, weil wir wirklich sehen und suchen zu verstehen und das echte Leben teilen wollen.
Noch bevor ich ein Wort gesprochen habe, ist meine Entschlossenheit, auch die entferntesten Kapellen zu erreichen, ein Zeichen der Gegenwart Jesu für die Nuer – ein Zeichen, dass das Evangelium so wichtig ist, dass es auch unter schwersten Bedingungen geteilt werden muss. Deshalb nehmen die Leute uns Comboni-Missionare auch bei anderen Themen ernst, zum Beispiel wenn wir über die Würde der Frau sprechen. Das Gender-Programm der von UNICEF finanzierten Organisationen können sie nicht ernst nehmen, weil jene Leute sich einfliegen lassen und, ohne zu verstehen (im wörtlichen wie im übertragenen Sinn), bald wieder wegfliegen.
Ich erwähne dies, weil ich überzeugt bin, dass Gott auch jeden von euch Leserinnen und Lesern ruft, sich in Seinen Dienst zu stellen und die eigenen Grenzen zum Segen für anderen Menschen zu überschreiten. Das muss keine körperliche Erschöpfung sein. Es gibt viele Weisen, zum Zeichen von Gottes Liebe in dieser Welt zu werden. Entscheidend ist, dass das Zeugnis des Glaubens nicht nur ein Wort ist, sondern sich durch eine Tat zeigt.
P. Gregor Schmidt