Wenn man ein Foto wie dieses von 1937 mit Scholastikern aus Bamberg betrachtet, kommt einem ein wehmütiges Staunen, „wehmütig“, weil so etwas heute unmöglich erscheint. Ähnliche Fotos aus dieser Zeit gibt es von Brixen und Josefstal. Die 20er- und vor allem 30er-Jahre sind geprägt von einem großen Wachstum der Gemeinschaft. Von 1923 bis 1941 stieg die Zahl der Mitglieder mit Gelübde von 54 auf 224. Das ist mehr als das Vierfache in 18 Jahren.

Über hundert Schüler wohnten Mitte der 30er-Jahre im Seminar in Ellwangen, dem Josefinum.

Die meisten Priesterkandidaten kamen über die Seminare, Schülerheime für Buben, die das Gymnasium besuchen. Dies waren Mitte der 30er-Jahre vor allem das Josefinum in Ellwangen mit über 100 und das Seminar in Unterpremstätten bei Graz in Österreich mit fast 150 Schülern. Ein weiteres, kleineres Seminar war in Bad Mergentheim. Ende der 30er-Jahre gingen jedes Jahr zehn bis 15 Abiturienten ins Noviziat in Bamberg und Brixen. Die Aussichten waren also wunderbar.

Viele Leute – wenig Geld: So kann man die Lage damals beschreiben. Viele Kandidaten baten um Aufnahme, aber die finanziellen Mittel waren sehr bescheiden. Es war nicht daran zu denken, sich eine maßgeschneiderte Niederlassung in der Stadt bauen zu lassen. Die erste Niederlassung – siehe Heft 1/2021 – war eine heruntergekommene Mühle in der Nähe von Ellwangen. Zu mehr reichten die Mittel nicht. Das spätere Missionsseminar in Ellwangen war vorher die Absteige der Postkutschen, die mit der motorisierten Post ihren Sinn verloren hatte. Das kleine Seminar in Bad Mergentheim war ein unpraktisches, jahrhundertealtes Haus, das Pater Stang geerbt hatte.
Nicht nur die Schüler der Seminare, auch fast alle Brüder, die Novizen, die Theologiestudenten und manche der jungen Priester schliefen in Schlafsälen.
Und was die Brüder in Südafrika erwartete, war nicht gehobene Bildungsarbeit und Lehrtätigkeit, sondern die Arbeit eines Bauern, Gärtners oder Schneiders zum Unterhalt der eigenen Mitbrüder sowie der Schüler der Missionsschulen, die von weit her kamen. Dass dabei mancher junge Afrikaner neue Anbaumethoden lernte, war eher ein schöner Nebeneffekt.
Umso schöner, in der Rückschau zu sehen, wie trotz alldem viele Mitbrüder im Alter zufrieden auf ein erfülltes Leben zurückgeblickt haben. Aber – und auch das darf gesagt werden – es hat auch andere gegeben.

Schloß Premstätten bei Graz beherbergte als Missionshaus einst über 150 Schüler.

Brudermissionare
Auch für Brudermissionare fehlte es nicht an Kandidaten. Kirche und Ordensgemeinschaften genossen in der Bevölkerung ein großes Ansehen. Dazu kam, dass viele Familien als Folge von Weltkrieg und Inflation sehr arm waren. Voraussetzung für die Aufnahme als Bruderkandidat war außer der festen Absicht, Brudermissionar zu werden, nur der Abschluss der achtklassigen Grundschule. Natürlich gingen viele Jugendliche bald wieder heim, wenn sie erfahren hatten, was das Leben eines Brudermissionars bedeutet und was von ihm erwartet wird. Aber es blieben immer noch viele. So konnte 1928 als erste Niederlassung in Bayern ein Bauernhof in Mellatz bei Lindenberg im Allgäu erworben werden, eigens zur Ausbildung von Brudermissionaren.

Die ersten Jahre in Südafrika
Nicht so harmonisch lief es im damals einzigen Missionsgebiet in Südafrika. Die 14 ersten Missionare waren solche, die nach dem Ersten Weltkrieg ihre Mission im Sudan verlassen mussten. Sie kamen 1924 direkt von dort und schon etwas verbittert in ein Land, das völlig anders war als ihr bisheriges Arbeitsfeld. Vor allem die Priester taten sich sehr schwer, weniger die Brudermissionare. Das ging so weit, dass 1928 der damalige Generalobere Pater Jakob Lehr einen Apostolischen Visitator nach Südafrika schicken musste, Pater Alois Ipfelkofer. Er setzte den dortigen Provinzoberen ab und ernannte als Nachfolger den Slowenen Pater Josef Musar, einen Mann des Ausgleichs.

P. Ipfelkofer (li.) mit P. Riedl und P. Wagner in Pozuzo, Peru, vor dem Denkmal von Pfarrer Egg, der mit den ersten Einwanderern aus Tirol den Ort Pozuzo gründete.

Pater Alois Ipfelkofer hat maßgeblich diese Zeit zwischen den Kriegen geprägt. 1885 in Mirskofen bei Landsberg geboren war er während des Ersten Weltkriegs der Sprecher der deutschsprachigen Missionare im Sudan. Nach deren Ausweisung fuhr er 1923 mit der ersten Gruppe nach Südafrika. Als Delegierter im Generalkapitel 1926 kam er nach Deutschland zurück. In den folgenden Jahren verhandelte er mit Bischöfen in Bayern über die Möglichkeit von Gründungen in ihren Diözesen und bereitete die Niederlassungen in Mellatz und Bamberg vor. 1930 war er in den USA, um dort über die Gründung einer Niederlassung zu verhandeln, wenn auch ohne Erfolg. Schließlich fuhr er 1938 mit der ersten Gruppe von drei Mitbrüdern nach Peru. Dort war er dann zehn Jahre ohne jeden Kontakt mit der Heimat als Pfarrer von Pozuzo im Urwald, wo er 1948 mit 63 Jahren starb.

Ein Versuch in den USA
Wenig später wurde Pater Ipfelkofer von Pater Lehr nach Nordamerika geschickt, um dort die Möglichkeit einer Neugründung zu erkunden. Es wurde zwar nichts daraus, zeigt aber, welch hochfliegende Pläne die Kongregationsleitung hatte. Pater Jakob Lehr war der erste Generalobere der jungen Kongregation, vorher auch Missionar im Sudan. Seine Amtszeit ging 1932 zu Ende. Das Generalkapitel wählte den Slowenen Pater Josef Musar zum Nachfolger, zuletzt Provinzial in Südafrika. Wegen der Zeitumstände, vor allem wegen des heraufziehenden Nationalsozialismus, nahm er seinen Sitz in Unterpremstätten bei Graz in Österreich, in der Nähe seiner Heimat. Dort, in Ljubljana, gründete er ein weiteres Seminar für etwa 30 Schüler, das ebenfalls einen recht verheißungsvollen Beginn nahm.

Neubeginn in Peru
Der wohl wichtigste Schritt von Pater Musar war die Sendung der ersten drei Mitbrüder 1938 nach Peru. Es war die Antwort auf die Anfrage einer Siedlung von Auswanderern vor allem aus Tirol, die um einen deutschsprachigen Priester baten. Da die Zeiten unsicher und die Repressalien des Nationalsozialismus immer drohender wurden, schien Pater Musar ein weiteres Standbein in einem katholischen Land von Vorteil.
Eine weitere Gruppe von Mitbrüdern für Peru war bereits bestimmt, sie konnte aber kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr ausreisen. Die drei Mitbrüder, die Patres Alois Ipfelkofer, Andreas Riedl und Michael Wagner blieben zehn Jahre fast die ganze Zeit ohne jeden Kontakt mit der Heimat.
In Deutschland warf der drohende Krieg seine Schatten voraus. Der so verheißungsvolle Aufschwung der Kongregation wurde jäh gestoppt. Wie vorbereitet, beziehungsweise unvorbereitet und naiv hat dies die Kongregation getroffen? Dies wird Thema im nächsten Heft sein.

P. Reinhold Baumann