Der Name „Pozuzo“ ist jedem deutschsprachigen Comboni-Missionar geläufig: Die ersten drei Mitbrüder in Peru und danach viele andere Comboni-Missionare arbeiteten in Pozuzo.
Im Jahr 1855 war die peruanische Regierung an Kuno Damian von Schütz-Holzhausen, einen deutschen Forscher und Weltreisenden, herangetreten: Er sollte dafür sorgen, dass in den folgenden Jahren 10000 Siedler aus Mitteleuropa nach Pozuzo geleitet und am Ost-Hang der Anden angesiedelt würden. Die peruanische Regierung hatte vor, eine Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik zu schaffen.

Schwieriger Anfang
Die ersten Siedler mussten praktisch mit nichts beginnen. Der Weg durch den Regenwald war weit, und die versprochene Straße gab es auch nicht. Der Regenwald musste gerodet werden, um das zugewiesene Land zu bewirtschaften und ordentliche Häuser zu bauen. Diese ersten Schritte verlangten, dass sich alle bei der anfallenden Arbeit einbringen mussten, um das Überleben zu sichern. Vielleicht stammt aus dieser Gründerzeit, dass heute in Pozuzo auffallend viele Frauen ganz selbstverständlich Motorrad fahren. Und eine Reihe der größeren Schüler auch.

Unterwegs in Pozuzo

Gelungene Integration
Sie lebten Seite an Seite mit den spanischsprachigen Nachbarn, halfen einander und lernten sich wertschätzen. Auf diese Art und Weise integrierten sich die Pozuziner und vermischten sich mit den spanischsprachigen Peruanern. Sehr viele, vor allem junge Menschen, sprechen heute die Sprache der alten Heimat gar nicht mehr. In der Schule gibt es aber einen Sprachkurs in Deutsch. Außerdem tragen in der Grundschule die Mädchen Dirndl und die Jungen Lederhosen. Die Integration wird auch darin augenscheinlich, wenn Mädchen ein Dirndl tragen – aber eine olivfarbene Haut mit europäischen Gesichtszügen haben.

Pater Alois Weiß in der Schule von Pozuzo.

Mit den 180 Tirolern und 120 Rheinländern ging damals der junge Tiroler und katholische Priester Joseph Egg (1820-1905). Als Seelsorger stand er fast 50 Jahre lang den Menschen in Pozuzo unter den schwierigsten Verhältnissen mit Rat und Tat zur Seite. Auch die späteren Priester in Pozuzo haben bis heute eine ganz spezielle, wichtige Rolle gespielt: Sie boten Orientierung, ermutigten und trösteten die Menschen.
Nach dem Tod von Pfarrer Egg im Jahr 1905 nahmen sich zwei in Peru tätige Tiroler Priester der Pozuziner an, konnten jedoch aufgrund ihrer ursprünglichen Aufgabe nicht auf Dauer bei den Menschen in Pozuzo bleiben.

Comboni-Missionare
Deshalb kam die Bitte aus Peru, ob nicht Comboni-Missionare nach Pozuzo in der Diözese Huánuco kommen könnten. Außerdem gäbe es dort Indios, unter denen die Missionare wirken könnten, hieß es. Rom stimmte zu. Und die Comboni-Missionare ebenfalls. So wurde eine Gruppe von Patres zusammengestellt, die nach Peru aufbrechen sollten. Diese Patres sind längst tot, aber in Pozuzo nicht vergessen.
Die drei Mitbrüder fuhren im August 1938 mit dem Schiff von Genua ab nach Lima. Von dort aus ging die Reise über Land nach Huánuco und weiter bis Pozuzo. Sie wurden von den Pozuzinern unter Glockengeläut herzlich willkommen geheißen.
Später kamen weitere Comboni-Missionare nach Peru. Dadurch wurde gewährleistet, dass die Siedler in Pozuzo und Umgebung von Ende der 1930er- Jahre bis 2009 einen Seelsorger aus den Reihen der Comboni-Missionare hatten. Der letzte in der Reihe, Pater Hans Wörner, drängte dann darauf, die Pfarrei dem Bischof zu überantworten, und dass dieser einheimische Priester nach Pozuzo sende.
Johann Koehel war 20 Jahre lang Zweiter Vorsitzender des Kirchengemeinderats. Den Abzug der Missionare hat er sehr bedauert. Er sagte mir, die Übergabe sei zu schnell für die Christen gekommen. Als Reaktion auf den Rückzug der Comboni-Missionare sei die Zahl der Gottesdienst-Besucher drastisch zurückgegangen. „Erst jetzt kann man feststellen“, meinte einer der beiden Diözesanpriester im Gespräch mit uns, „dass die Menschen beginnen, wieder zum Gottesdienst kommen“.
Derzeit arbeiten zwei einheimische Priester in Pozuzo. Einer unterrichtet Religion in der Schule, während der andere sich um die mehr als 120 im weiten Umkreis verstreuten Kapellen kümmert. Die pastorale Betreuung und Begleitung von so vielen kleinen Gemeinden ist eine Riesenaufgabe.

Zeiten des Terrors
Es ist noch nicht zu lange her, dass die Aktivitäten der Guerilla des „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) ihre Schrecken verbreiteten. Wenn deren Kämpfer auftauchten, waren vor allem die führenden Personen im Dorf, Bürgermeister, Ortsvorsteher, Lehrer etc. gefährdet. Der Terror dauerte über zehn Jahre und endete im Jahr 1992 mit der Verhaftung des Anführers des Sendero, Abimael Guzman. Es war eine große Belastung für die friedliebenden Menschen in Pozuzo und Umgebung. Der Terror des Sendero ist auch heute noch stark in der Erinnerung der Menschen präsent. Johann Koehel erzählte als unmittelbar Betroffener, wie gnadenlos diese Rebellen damals waren.

Schnitzel und Kartoffelsalat
Die Verbindung mit der alten Heimat ist in Pozuzo aber nicht abgebrochen. Es gibt ein „Museum Schafferer“, in dem Dokumente, Bildmaterial und Gegenstän von damals aufbewahrt werden. Andrés Egg Gstir ist der Kontakt mit Tirol und dem Rheinland ein Anliegen. Er setzte unter anderem auch durch, dass im lokalen Radio regelmäßig auch Tiroler Lieder gespielt werden. Er selber betreibt in Pozuzo das Restaurant „Tirol“, wo es auch Schnitzel und Kartoffelsalat gibt. Auch der Umweltschutz ist ihm ein Anliegen. Konkret hat er ein Fischzucht-Programm begonnen, da eine beliebte Fischart in der Gegend fast verschwunden war.
Trotz aller Schwierigkeiten sind die Nachkommen der ersten Siedler durchaus in Peru zuhause. Wer einmal die alte Heimat besucht, für den sei es schön, einige Tage oder Wochen beispielsweise in Tirol zu sein. Aber danach setzten sie sich wieder gern in den Flieger und freuten sich, nach Hause zurückzukehren, wurde mir erzählt. Trotz aller ursprünglichen Mühen ist den Pozuzinern zweifelsohne ihre Heimat – weit weg von Europa – inzwischen recht lieb und teuer geworden.
Eine alte Frau, der man eine Reise nach Europa angeboten hatte, war noch entschiedener: „Hier ist es schön, hier bin ich wer. Woanders kennt mich doch niemand.“ Sie lehnte die Reise ab. Viele andere Pozuziner dürften ähnlich denken.

P. Anton Schneider