Originale sind wie das Salz in der Suppe. Sie geben einer Gemeinschaft Würze und Farbe. So einer war Pater Bernhard Zorn (1878 – 1942) aus dem kleinen Dorf Kesseling in der Eifel.
Pater Bernhard Zorn hat keine Karriere gemacht, hat nie große Ämter bekleidet. Für manche war er ein Eigenbrötler, den man eben machen ließ. Sein Gesichtsausdruck war meist ernst, ein „Arbeitstier“, aber von den Afrikanern wurde er geliebt wie wenig andere. Er starb von wilden Bienen zerstochen, mitten im Krieg, deswegen in Europa kaum wahrgenommen. Doch seine Heimatgemeinde in der Eifel widmete ihm eine einfühlsame Denkschrift. Es lohnt sich, an ihn zu erinnern, denn sein Leben zeugt auch von den Mühen des Anfangs in schwierigen und turbulenten Zeiten.
Beginnen wir mit dem Ende: Am Vormittag des Karfreitags 1942 in seiner Missionsstation in Südafrika, nicht weit vom Krüger-Nationalpark entfernt, hörte Pater Zorn den Ruf eines wilden Tieres. Es gab damals noch viele freilaufende Raubtiere. Sie waren eine Gefahr für die Bevölkerung. Pater Zorn nahm das Gewehr. Aber nicht das Raubtier wurde ihm zum Verhängnis, sondern ein Schwarm wilder Bienen. Sie zerstachen ihm das Gesicht so, dass er die Orientierung verlor und erst nach zweieinhalb Stunden zurückfand. Drei Tage später starb er mit 64 Jahren.
Mit Pater Zorn starb einer der markantesten Comboni-Missionare der ersten Generation. Wie andere seiner Zeitgenossen geriet auch er in die Mühlen des damaligen Kolonialismus und des Ersten Weltkriegs. Doch von vorne:
Kindheit und Heimat
Geboren ist er 1872 in Kesseling, einem Dorf mit etwa 600 Einwohnern in der Eifel südwestlich von Bonn. Die erste Frau seines Vaters starb nach der Geburt des fünften Kindes. Aus der zweiten Ehe gingen nochmals sieben Kinder hervor. Das dritte war Bernhard. Seine Heimatgemeinde brachte 1972, zum hundertsten Geburtstag, eine kleine Schrift über ihn heraus mit dem Titel „Baba Zulu“, wie ihn die Schwarzen in Südafrika liebevoll genannt hatten. Es wird darin einfühlsam beschrieben, wie der begabte Bub, der seit seiner Erstkommunion Priester werden wollte, sich mit Lohnarbeit bei umliegenden Bauern und in Gasthäusern Geld für die Schulbildung verdiente.
Comboni-Missionar
Er hatte von Missionaren in Verona gehört, die Missionare für Afrika ausbildeten und unter denen auch Deutsche waren. In Deutschland gab es damals aufgrund der Kulturkampfgesetze keine Missionsinstitute. 1895, mit 23 Jahren, machte er sich auf nach Verona und trat dort ein. 1902 empfing er die Priesterweihe.
Nach Afrika
Ein Jahr später, 1903, ging es nach Afrika. Bis 1915 war er mit anderen deutschen und italienischen Mitbrüdern in Lul, Tonga und Kayango, den allerersten Missionsstationen unter dem Nomadenvolk der Schilluk in der Nähe des heutigen Malakal im Südsudan. Über sein erstes Weihnachten schreibt er: „Also heuer nichts mehr von feierlichen Zeremonien in der Kirche? – was – Kirche? – Eine kleine elende Strohhütte stand vor mir! Nicht einige hundert andächtige Kirchenbesucher? – Noch waren es nackte Heiden! – ‚Stille Nacht! Heilige Nacht‘ … Tränen rannen mir über die Wangen. Wie komme ich hierher? Wozu? Als ob ich mich vor mir schämte, fuhr ich schnell mit dem linken Ärmel über die Augen – ging in meine Hütte, nahm die Klarinette und versuchte zu spielen: ‚Großer Gott, wir loben dich!‘ Es gelang! Dann ging ich hinaus in den Wald und probierte alle deutschen Lieder, deren ich mich noch erinnerte, und kehrte – neugestärkt und ermutigt – zurück. Das war mein erstes Weihnachtsfest in Afrika.“ Man kann sich das Leben dort damals nicht einfach und entbehrungsreich genug vorstellen. Es war absoluter Neubeginn bei einem von jedem Kontakt mit der europäischen Zivilisation fast unberührten Nomadenvolk.
Krieg und Vertreibung
1909 fuhr Pater Zorn das erste und einzige Mal zu einem kurzen Besuch in die Heimat. Dann kam der Erste Weltkrieg. Die Kolonialmacht England war Kriegsgegner Deutschlands. Mit elf weiteren deutschen und österreichischen Mitbrüdern und auch protestantischen Missionaren wurde Pater Zorn 1916 in Sidi Bishr bei Alexandrien interniert. Nach dem Krieg konnte er zwar im Sudan bleiben, durfte aber Khartum nicht verlassen.
Schlimm war auch, dass die Mitbrüder zwei gegeneinander Krieg führenden Ländern angehörten. Waren vor dem Krieg die Deutschen und Österreicher gewissermaßen im Vorteil, weil weitaus die meiste finanzielle Unterstützung aus ihren Ländern kam, so waren sie jetzt die „Geschlagenen“. Nicht alle, auf beiden Seiten, hatten ihre Emotionen unter Kontrolle.
Aus diesem Grund, aber vor allem, weil nicht abzusehen war, wann wieder Missionare aus Deutschland und Österreich in die englische Kolonie durften, suchte die römische Missionsbehörde ein neues Wirkungsfeld für sie und fand es in Südafrika. Gleichzeitig teilte sie die Kongregation in zwei selbstständige Kongregationen (siehe dazu den Beitrag „40 Jahre Wiedervereinigung“).
Neue Heimat Südafrika
14 Mitbrüder, neun Patres und fünf Brüder, schifften sich am 2. Dezember 1923 in Suez nach Durban ein, unter ihnen auch Pater Bernhard Zorn. Die Fahrt ging mit einem Frachter, der immer wieder be- und entladen wurde, und dauerte mehr als drei Monate. Ungeduldig ob des langen Wartens gingen die meisten Mitbrüder gleich in ihr neues Missionsgebiet und nahmen dort Kontakt auf zu den weißen, meist irischen Katholiken – und blieben auch bei ihnen. Diese waren dankbar für die seelsorgliche Begleitung und verwöhnten sie. Der Österreicher Pater Josef Angerer und Pater Zorn dagegen blieben zunächst in Marianhill in der Nähe von Durban und lernten die Sprache der schwarzen Bevölkerung, das Zulu. Sie bekamen dort auch ein objektiveres Bild von der Situation der schwarzen Bevölkerung als ihre Mitbrüder aus dem Kontakt mit fast ausschließlich weißen Siedlern. Von einigen wurden die beiden als „Kaffernprädikanten“ abgetan. Später legte man Wert darauf, dass fast alle Mitbrüder zuerst Zulu oder eine andere einheimische Sprache lernten und nicht nur Englisch. Aber zunächst hatte es Pater Zorn nicht ganz leicht.
Egal, ob es allen recht war
Er setzte auch eigene Akzente, ob sie nun allen recht waren oder nicht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war der Bau von kleinen Schulen und Kirchen auf dem Land. Überhaupt war er ein guter Baumeister, aber nicht von Großbauten, sondern von vielen kleinen Schulen und Kirchlein, eben ganz nach dem Bedarf der damaligen schwarzen Bevölkerung.
Während ihm manche Mitbrüder den oben genannten nicht gerade schönen Spitznamen gaben, nannten ihn die Afrikaner liebevoll „Baba Zulu“. Pater Konrad Nefzger erzählte, dass während seiner Zeit in Maria Trost eine Frau aus der Nachbarschaft jeden Abend einen Keramikkrug mit Maisbier vor seine Tür stellte. Eine kleine, aber vielsagende Geste.
P. Reinhold Baumann
Fotos: Comboni-Archiv.