NEUE REIHE – LEBENSBILDER
Mit dem neuen Jahr wollen wir eine Themenreihe beginnen und in jedem Heft einen besonders interessanten Comboni-Missionar vorstellen. Es werden vor allem Mitbrüder sein, die eine eher ungewöhnliche Biographie haben, eine Biographie mit Höhen und Tiefen, Mitbrüder, über die ihre Zeitgenossen unterschiedlicher Meinung waren, vielleicht auch heute noch sind. Vielleicht erkennen wir uns in ihnen eher als in solchen, die ohne Brüche und innere Widersprüche ihren Weg gegangen sind. Jeder von uns spürt wahrscheinlich solche Widersprüche in sich. Nicht selten sind es Leute, die Großes und Wegweisendes geleistet, die Türen und neue Wege geöffnet haben. Wir beginnen mit Pater Adalbert Maria Mohn, so sein vollständiger Name. Manche Leser werden ihn von der Cursillo-Bewegung her kennen.

PATER ADALBERT MOHN
Mit Pater Mohn, geboren am 24. Januar 1924 in Bernau bei Berlin, aufgewachsen im ostpreußischen Ermland, eröffnen wir unsere Reihe herausragender Comboni-Missionare.

Fahrt im Einbaum: Stundenlange Fahrten brachten Pater Mohn mit seinem Katechisten Santos Valencia zu den Dörfern im Urwald in Ecuador.

Es war ein glückliches Zusammentreffen, gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Uni in Bonn. Zwei heimatvertriebene Theologiestudenten, Adalbert Mohn aus Ostpreußen und Günther Brosig aus Oberschlesien freundeten sich an und entdeckten eine Gemeinsamkeit. Ein Onkel von Adalbert Mohn war der inzwischen in Südafrika verstorbene apostolische Vikar Alois Mohn. Und die Familie von Günther Brosig hatte es nach Ellwangen verschlagen. Sie wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft des Josefinums. Beide traten dann bei den Comboni-Missionaren ein.
Günther Brosig wurde 1952 zum Priester geweiht, feierte in Ellwangen Primiz und ging gleich darauf nach Südafrika. Dort wurde er 1961 Provinzoberer und von 1967 bis 1973 war er Generaloberer. Nach seiner Amtszeit war er wieder in Südafrika bis zu seinem Tod im Jahr 2006 mit 81 Jahren. Während sein Leben zielgerade in vergleichsweise ruhigen Bahnen verlief, war das seines Mitbruders Adalbert ein unruhiges, ja abenteuerliches Auf und Ab.

Rom
Der begabte und redegewandte Adalbert Mohn wurde von den Ordensoberen zum Weiterstudium nach Rom geschickt. Unvergessen sind dem Schreiber dieser Zeilen, wie Pater Mohn uns Schülern des Josefinums Lichtbilder über Rom zeigte und seinen begeisterten Kommentar dazu gab. Doch bald wuchsen dem umtriebigen Studenten, der damals schon keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht kannte, das Studium und die geplante Dissertation (Doktorarbeit) über den Kopf. Er ließ alles stehen und liegen, verließ die Gemeinschaft und arbeitete in der Redaktion einer Zeitung in Hamburg.
Doch auch das war es nicht, was er suchte. Der Kontakt zur Kongregation und vor allem zu seinem Freund Günter Brosig, der später sein Generaloberer werden sollte, war nicht ganz abgebrochen. Mit etwas Misstrauen und zögernd geöffneten Armen nahm die Gemeinschaft ihn wieder auf.

Spanien
Inzwischen war in Spanien, in Saldaña, ein großes Seminar gebaut worden. Man brauchte Lehrer, eine ideale Aufgabe für den sprachgewandten Adalbert Mohn. Heute noch kursieren zahlreiche Anekdoten über seinen Unterricht. Sie hätten genau gewusst, wie man eine Panzerfaust und ein Flakgeschütz bedient – Adalbert war gegen Ende des Krieges noch Flakhelfer – erzählen ehemalige Schüler.
Die Neugründung in Spanien erforderte viel Geld, eine große Sorge der Kongregation. Adalbert organisierte in den späten 60er-Jahren über die Medien Werbekampagnen mit so viel Erfolg, dass die altgedienten Missionsprediger aus dem Staunen nicht heraus kamen.
In Spanien hatte Pater Mohn auch die Cursillo-Bewegung kennengelernt, eine Bewegung der christlichen Erneuerung. In zahlreichen begeisternden Vorträgen verbreitete er sie mit einigen Gefährten auch in Deutschland.

Ecuador
Doch diese hektische Umtriebigkeit, die vielen Fahrten bei Tag und Nacht zwischen Deutschland und Spanien zehrten an seiner Kraft. Anfang der 70er-Jahre legte er alle Ämter nieder und bat um eine Versetzung nach Lateinamerika, konkret nach Ecuador, eine für Comboni-Missionare noch junge Ordensprovinz, in der bislang kein deutscher Mitbruder war. Dort kam er in eine Mission im tropischen Urwald, wo es keinen Kilometer Straße gab, keinen elektrischen Strom. Die Bewohner waren fast ausschließlich Nachkommen afrikanischer Sklaven. Welch ein Gegensatz zu allem Vorherigen!
Es war vielleicht seine glücklichste Zeit, zumindest am Anfang. 1972 kam er dort an. In der weit ausgedehnten Pfarrei ließ er sich im zweitgrößten Ort, Borbon, nieder, richtete sich die Holzkirche zurecht, baute aus Holz Zimmer neben Zimmer an ohne rechten Plan und Architekt. Kreativität und Improvisation pur. Dann, man stelle sich vor, sechs Jahre ohne Auto, dafür viele Stunden mit dem Einbaum auf dem Fluss. Da war er zum Nichtstun gezwungen, was ihm aber auch gut tat.
Doch rastlos war er auch dort und einer, der keine halben Sachen machte. Mehrmals legte er sich mit korrupten ecuadorianischen Militärs und Polizisten an, was ihn manchmal in brenzlige Situationen brachte. Am meisten setzte ihm aber eine Hilfsaktion nach einem verheerenden Hochwasser an einem der Flüsse seiner Pfarrei zu. Er startete eine große Hilfsaktion. Geduldiges Abwägen und Delegieren von Verantwortung waren nicht seine Sache. So kam es, dass viele sich benachteiligt sahen. Statt Dankbarkeit erntete er viele Feindschaften. Das tat ihm so weh, dass er ernsthaft krank wurde und froh war, dass ihn die Ordensoberen nach fünf Jahren zurückholten.

Peru

Das von Pater Mohn erbaute und nach ihm benannte Kulturzentrum in Borbon.

Er erholte sich bald und nahm eine neue Herausforderung an. Ein knappes Jahr später, 1978, ging er nach Arequipa, der zweitgrößten Stadt in Peru. In Peru waren seit 1938 deutschsprachige Comboni-Missionare tätig, fast alle in entlegenen armen Pfarreien in den Bergen oder in den Slums von Lima und Arequipa. Pater Mohn ging neue Wege. Er gründete eine Zeitschrift, um so ganz andere Bevölkerungsschichten zu erreichen. Die Zeitschrift besteht heute noch. Es war wieder Pionierarbeit, diesmal in der Großstadt.

Mitten aus der Arbeit heraus, am Ende eines Heimaturlaubs, wenige Stunden bevor er ein Flugzeug nach Peru besteigen wollte, starb er an einem Herzinfarkt im Alter von 63 Jahren. Ein sichtbares Zeichen seines Wirkens ist geblieben: In Borbon, seinem Wirkungsort in Ecuador steht auf dem „Centro Cultural“ (Kulturzentrum) in großen Buchstaben der Name seines Erbauers.

Pater Reinhold Baumann