COMBONIANISCHE LEBENSBILDER
Bruder August Cagol, den wir dieses Mal vorstellen, hat eine ziemlich ungewöhnliche Biographie, die aber bei den Missionaren Combonis den passenden Rahmen gefunden hat. Als Migrantenkind, mit einem Vater, der als Spezialist für Tunnelbau mit seiner Familie immer wieder umziehen musste, wurde er nach dem Tod seiner Eltern mit 14 Jahren vollends heimatlos. Als Missionar erlebte er in Afrika hautnah die gegensätzlichsten Kulturen und dann beide Weltkriege. All das beobachtete und dokumentierte er als neugieriger Zeitzeuge auf vielen Blättern. Als Ordensbruder war er loyal, aber doch immer selbstständig und geistig offen bis ins hohe Alter von fast 98 Jahren, für viele junge Mitbrüder ein Vorbild.

BRUDER AUGUST CAGOL
Klein von Gestalt, unauffällig im Hintergrund, aber mit einem wachen Geist und voll hintergründigem Humor hat er fast ein volles Jahrhundert miterlebt und beschrieben.

Als Bruder August Cagol 1977 mit 97 Jahren in Ellwangen starb, war er der letzte Mitbruder, der noch zu Lebzeiten Combonis geboren wurde. Das machte ihn schon damals zu jemand Besonderem, aber nicht nur das. Er war eine Ausnahmepersönlichkeit. Sein Wunsch war, Lehrer zu werden, aber zu einer höheren Ausbildung hatten seine Eltern mit ihren vier Kindern – vier weitere waren gestorben – kein Geld. Dabei waren die Cagol-Kinder immer unter den besten Schülern. Als August neun war, starb der Vater und als er 13 war, auch die Mutter.
Sein Vater war italienisch sprechender Österreicher aus der Nähe von Trient, kam als „Gastarbeiter“ nach Westfalen und lernte hier seine Frau kennen.
Dem 13-jährigen Waisenkind wurden drei Berufsmöglichkeiten angeboten: Maurer, Schornsteinfeger oder Gärtner. Weil er klein, schmächtig und Brillenträger war, entschloss er sich für Letzteres.
Nach seiner Ausbildung zog er drei Jahre als Geselle durch Deutschland und kam über Würzburg, Bamberg und andere Orte nach München. Im Gesellenhaus dort fand er eine Werbeschrift des Missionshauses in Brixen. Am 17. Juli 1900 trat er als Postulant im Herz Jesu Missionshaus in Milland ein.

Bruder Cagol (li) mit Bischof Franz Xaver Geyer (sitzend).

Bei den Missionaren Combonis
Der Leiter des Hauses und Novizenmeister, Pater Franz Xaver Geyer, merkte bald, dass der junge Novize sehr gut schreiben konnte und machte ihn zu seinem Sekretär. Drei Jahre später, 1903, wurde Pater Geyer zum Bischof von Khartum berufen. Er bestand darauf, dass Bruder Cagol mit ihm gehe.
Von da an bis 1915 war Bruder Cagol immer an der Seite von Bischof Geyer und begleitete ihn auf den meisten seiner Reisen und bei der Gründung der Missionsstationen im Südsudan und in Uganda. Immer hatte er Heft und Stift dabei und notierte, was er erlebte. Seine Aufzeichnungen, wie auch vorher schon über die Ausbildungszeit in Brixen, oft mit „spitzer Feder“ und humorvollen Kommentaren, füllen eine ganze Schachtel im Archiv und geben interessante Einblicke in das Leben und Denken der Missionare damals.

Im Ersten Weltkrieg
1915 sollte er nach Europa fahren. In Alexandrien erfuhr er, dass Italien in den Krieg gegen Österreich und Deutschland eingetreten war. Die Fahrt über Italien war ihm nicht mehr möglich. Bruder Cagol schlug sich über Palästina, die Türkei, Griechenland und die Balkanstaaten nach Österreich durch und wurde prompt auch gleich zum Militär eingezogen. Doch dann erhielt er eines Tages ein Schreiben aus dem Kriegsministerium in Wien, das ihn vom Dienst freistellte. Nach dem Krieg erfuhr er, warum: Ein alter Bekannter aus seiner Zeit in Khartum, der berühmte Rudolf Slatin, war inzwischen im Kriegsministerium und hatte sich für ihn eingesetzt. Sein Kommentar, als Bruder Cagol sich bedankte: „Sie hätten das Kraut auch nicht fett gemacht als Soldat“. Mit anderen Worten: „Mit Ihnen hätten wir den Krieg auch nicht mehr gewonnen.“
Nach dem Krieg, 1921, musste auch Bischof Geyer zurücktreten. Die Engländer wollten keine deutschen Bischof in ihren Kolonien. Daraufhin ging Geyer daran, eine neue Kongregation zu gründen, speziell für die Seelsorge unter deutschen Auswanderern in aller Welt. Während der Weltwirtschaftskrise emigrierten viele vor allem nach Nord- und Südamerika. Bruder Cagol begleitete ihn zuächst bei seinen Reisen, entschied sich dann aber, in seiner bisherigen Gemeinschaft zu bleiben.
Nach einer kurzen Zeit in Josefstal erhielt er 1925 Sendung nach Südafrika. Dort arbeitete er in seinem erlernten Beruf als Gärtner, schrieb aber weiterhin viele Blätter mit Beobachtungen und Kommentaren zum Leben dort.

Im Zweiten Weltkrieg
1939 beantragte er und erhielt die Erlaubis zu einem Heimaturlaub. Die Fahrt wurde wieder zu einer Odyssee, denn wenige Tage, nachdem sein Schiff in Durban abgelegt hatte, brach der Zweite Weltkrieg aus. Cagol beschreibt, wie die Besatzung das Schwarz-Rot-Gold an den Schornsteinen grau überstrich, damit das Schiff nicht gleich als deutsches Schiff erkennbar war. Doch in Lobito, Angola, mussten sie Kohlen zu laden. Dabei wurde das Schiff beschlagnahmt. Wieder musste er sich durchschlagen und kam mit einem portugiesischen und einem italienischen Frachter über Portugal nach Neapel und dann nach Deutschland.

Bruder August Cagol verbrachte seine letzten Lebensjahre in Josefstal bei Ellwangen.

Nach dem Krieg, 1948, konnten deutsche Missionare zum ersten Mal wieder nach Südafrika ausreisen. Zehn Mitbrüder warteten darauf. Wieder war es Cagol, der in Belgien die nötigen Kontakte knüpfte und die Schiffsreise organisierte. Er selbst fuhr auch mit. Die Schiffsreise ging von Belgien nach dem ihm wohlbekannten Lobito und von dort mit dem Zug nach Südafrika. Inzwischen war er 70 Jahre alt. Nach einem Heimataufenthalt von 1960 bis 1964 ging er mit inzwischen 85 Jahren noch einmal für sieben Jahre nach Südafrika. Gesund und geistig rege bis fast zum Schluss starb er in Josefstal am 21. Februar 1977 im Alter von fast 98 Jahren.

Die letzten Jahre war er fast wie eine Ikone, auf jeden Fall aber ein Vorbild für junge Mitbrüder. Zu einer Zeit, in der Brüdermissionare eher als Hilfskräfte der Priester gesehen wurden, verkörperte er den selbstständig denkenden und handelnden Brudermissionar, einen, der ohne Bitterkeit und manchmal mit spitzbübischen Humor auf ein langes Leben reich an Erfahrung zurückblicken konnte.

Pater Reinhold Baumann