An Franz Xaver Geyer schieden sich schon zu seinen Lebzeiten die Geister. Die einen verehrten ihn als „zweiten Comboni“, andere sahen in ihm einen Verräter. Er war der Erste, der eine Biographie Combonis schrieb, wenige Wochen nach dessen Tod und auf Deutsch, doch am Ende kehrte er der Kongregation den Rücken und gründete eine neue Gemeinschaft. Begeistert für die Mission, mit hochfliegenden Plänen, wurde er ein Opfer von Krieg und Nationalismus. Ohne ihn würde es keine deutschsprachigen Comboni-Missionare geben. Er konnte die härtesten Strapazen ertragen und kam mit den widrigsten Bedingungen zurecht und war doch ein selbstbewusster Bischof, seinem Vorbild Comboni sehr ähnlich.
Das Wirken von Franz Xaver Geyer fällt in eine Zeit voller Umbrüche und Kriege: Zuerst der Mahdi-Aufstand in Afrika, dann der Erste Weltkrieg und schließlich der Zweite Weltkrieg. Sein Leben entbehrt nicht einer gewissen Tragik.
Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Das kann man am Leben von Franz Xaver Geyer feststellen. Geboren ist er am 3. Dezember 1859 in Regen im Bayerischen Wald. Seine Eltern gaben ihm den Namen des Tagesheiligen Franz Xaver, und dieser große Missionar wurde auch sein Vorbild.
Ein Start mit Hindernissen
Geyer kam ins Priesterseminar nach Passau. Dort gab es einen Zwischenfall: Zusammen mit Mitschülern organisierte Geyer nachts ein „Lätizel“, ein Fest, und besorgte dazu ein Fässchen Bier. Der Direktor des Seminars war außer Haus, kam aber früher als erwartet zurück. Das hatte Konsequenzen: Geyer musste das Seminar verlassen. Er ging nach München und begann ein Studium der Rechtswissenschaft. Dort erfuhr er von Comboni und seinem Institut und der Mission in Afrika und trat in Verona ein. Fast hätte er Comboni noch getroffen. Gerade eine Woche vorher war dieser nach Afrika ausgereist.
Als ein Jahr später die Nachricht vom Tod Combonis kam, machte sich der begabte und von Comboni begeisterte Student sofort daran, seine Biographie zu schreiben. Sie erschien im „Tiroler Sonntagsblatt“.
In ein unruhiges Afrika
Nach Studium und Priesterweihe 1882 ging es nach Afrika. Dort herrschte unter den Missionaren Chaos und Angst. Ein Jahr zuvor hatte der islamistische Aufstand des Mahdi, vergleichbar dem IS im Irak, einige Missionen besetzt und eine Reihe von Schwestern und Missionaren verschleppt. Khartum selber war zunächst noch nicht betroffen, folgte aber drei Jahre später.
Aufgabe Geyers war unter anderem, Mittel und Wege zu finden, um den verschleppten Schwestern und Mitbrüdern die Flucht zu ermöglichen. Das gelang ihm auch zum Teil. Außerdem bereitete er die Evakuierung der Missionare und der etwa 100 Christen aus dem bedrohten Khartum vor, noch rechtzeitig, bevor die Stadt 1885 in die Hände des Mahdi fiel.
Auch in Europa, in Verona, herrschte große Verunsicherung. Nach dem frühen Tod Combonis fehlte die integrierende Person. Sein Nachfolger Francesco Sogaro war der Meinung, dass das Institut mit Priestern und Laien aus allen möglichen Ländern eine feste Struktur brauche, und betrieb die Umwandlung des Instituts in eine Ordensgemeinschaft. 1890 begann das Noviziat mit zehn Kandidaten.
Die Werbetrommel gerührt
Geyer wurde nach Europa zurückgerufen und rührte die Werbetrommel in allen Regionen des Deutschen Reiches und der österreichischen Donaumonarchie. Der Erfolg war so durchschlagend, dass 1895 eine Niederlassung im deutschen Sprachraum geschaffen wurde, in Brixen im damals österreichischen Südtirol. Geyer wurde ihr Leiter. Das Seminar blühte auf, ein großer Neubau entstand, das erste Drittel eines großen Komplexes. Geyer hatte gigantische Pläne.
Dritter Nachfolger Combonis
Doch es kam anders: Im Mai 1902 starb in Afrika der zweite Nachfolger Combonis als Bischof von Khartum. Ein Nachfolger wurde gesucht. Die Wahl fiel auf Geyer, nicht ganz unumstritten wegen seines forschen und oft auch polarisierenden Wesens. So war also der Ordensobere in Verona ein Italiener, Pater Federico Vianello, und der Missionsobere in Khartum ein Deutscher.
In Afrika war der Mahdi 1898 besiegt worden. Aus Europa kamen junge Mitbrüder, je zur Hälfte etwa aus Italien sowie Österreich und Deutschland. Geyer gründete eine Reihe von Missionen. Die Grundmauern für eine große Kathedrale, die nicht kleiner sein sollte als die große Moschee, waren bereits gelegt.
Der Erste Weltkrieg
Da brach der Erste Weltkrieg aus. Der Sudan war englische Kolonie. Geyer und seine Missionare im Feindesland! Ganz schlimm wurde es für Deutsche und Österreicher, als auch Italien in den Krieg gegen Deutschland und Österreich eintrat. Zwar konnte Geyer durch seine guten Beziehungen mit dem englischen Gouverneur Reginald Wingate manches verhindern, doch es folgten Reiseverbote, Ausweisungen, Internierungen usw. für Deutsche und Österreicher, nicht dagegen für Italiener.
Als 1921, drei Jahre nach Kriegsende, immer noch keine Aussicht bestand, dass deutsche und österreichische Missionare wieder im Sudan arbeiten durften, zog Bischof Geyer die Konsequenzen und trat zurück.
Ganz neue Wege
Inzwischen hatte die römische Missionsbehörde für die in der englischen Kolonie unerwünschten Deutschen und Österreicher ein neues Missionsgebiet gefunden, in Südafrika. Geyer wurde vorgeschlagen, die Leitung dort zu übernehmen. Doch in ihm war ein anderer Plan gereift: Er gründete eine neue Gemeinschaft, die Priester für deutschsprachige Gemeinden im Ausland ausbilden sollte, die „Kongregation von den heiligen Engeln“. Auf einer Reise in die USA sammelte er Geld und erwarb ein Haus in Bad Godesberg. Auch diese Gemeinschaft blühte auf. Als das Haus in Bad Godesberg zu klein wurde, erwarb er 1933 das Kloster Banz bei Lichtenfels. Doch dann kam wieder der Krieg und mit ihm das endgültige Aus. 1943 starb Geyer im Alter von 83 Jahren. 1998 löste sich auch seine neue Gemeinschaft auf. Deutsche im Ausland legten nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Wert mehr auf deutsche Seelsorger. Sie verdrängten eher ihre Herkunft. Die letzten Mitbrüder verkauften das Kloster Banz an die Hanns-Seidel-Stiftung und übergaben das Archiv den Comboni-Missionaren. Eine ganze Archivschachtel füllen allein die Predigten Geyers in deutscher, englischer, italienischer und arabischer Sprache.
Als der Autor dieser Zeilen einmal nach Banz kam und die Kirchenführerin nach dem Grab von Bischof Geyer fragte, führte sie ihn, etwas verlegen, in eine Seitenkapelle der schönen Kirche. Hier lag Geyer unter Staubsaugern, Besen und eingerollten Teppichen begraben.
Inzwischen ist die Kapelle keine Abstellkammer mehr und ist schön hergerichtet. Und vor drei Jahren war Bischof Sabino Odoki von Arua in Uganda dort, in dessen Bistum Bischof Geyer 1913 seine erste Missionsstation in Uganda gegründet hatte. Er bemüht sich um die Seligsprechung von Bischof Geyer. Gottes Wege sind in der Tat oft verschlungen und voller unerwarteter Wendungen.
P. Reinhold Baumann