In der vierten Folge der Reihe „100 Jahre Comboni-Missionare in Deutschland“ geht es um die Zeit von 1945 bis 1979. Es war eine Zeit großer Erwartungen, doch bald folgte die Ernüchterung.

In der Nacht zum 22. April 1945, der Nacht bevor amerikanische Truppen kampflos – Gott sei Dank – die Stadt besetzten, hatte die SS das Missionsseminar in Ellwangen angezündet und zerstört. Das andere große Seminar in Unterpremstätten bei Graz in Österreich war von russischen Truppen besetzt. Noviziate und Ausbildungsstätten für Priester waren leer. Gewissermaßen die Stunde null.
Trotzdem, auch angesichts der vielen Einschränkungen in den ersten Wochen und Monaten nach Kriegsende, ist in den Chroniken dieser Zeit ein großes Aufatmen zu vernehmen. „Der Krieg ist zu Ende! Deo gratias! Wir atmen auf!“ So steht es dick unterstrichen unter dem Datum vom 29. April 1945 in der Chronik von Mellatz. Es folgen freudige und traurige Nachrichten: Pater Hornauer kehrte vom KZ Dachau zurück. Als erster Novize kam Karl Wetzel aus der Gefangenschaft zurück, fest entschlossen, das Noviziat und das Studium fortzusetzen. Aber auch Todesnachrichten kamen, und von manchen jungen Mitbrüdern und Novizen kam die Mitteilung, dass sie sich beruflich anders entschieden hatten. Die Zahl der Mitglieder der Kongregation war von 224 im Jahr 1940 auf 160 gesunken.

Das Josefinum im Bau.

Wiederaufbau
Aber dann ging es los. In Josefstal, das eigentlich Ausbildungsstätte der Brudermissionare war, wurden auch Schüler fürs Gymnasium aufgenommen, während das Seminar in Ellwangen mit den abgeklopften Ziegeln des zerstörten Seminars auf dessen Grundmauern wiederaufgebaut wurde. 1950/51 waren in Josefstal neben den Brüdern und den Bruderkandidaten fast 120 Schüler untergebracht, die jeden Tag drei Kilometer nach Ellwangen ins Gymnasium gingen. Die räumliche Enge kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen.

Feierliche Einweihung des Neubaus des Josefinums am 19. März 1952.

1952 wurde das wieder aufgebaute Josefinum eingeweiht mit mehr als 120 Schülern. Auch das große Seminar in Unterpremstätten war wieder zurückgegeben worden, wenn auch ziemlich ramponiert. Auch das füllte sich mit Schülern. 1953 erhielt die Kongregation vom Bischof von Eichstätt die Erlaubnis, in Neumarkt ein Seminar zu errichten. Es wurde 1956 eröffnet und füllte sich mit über hundert Schülern.
Verloren ging das Seminar in Ljubljana, Slowenien, das bis Anfang 1945 Bestand hatte. Im April 1945 flohen die Mitbrüder von dort mit einigen Schülern nach Brixen in Südtirol. Mit diesen Schülern wurde das 1925 geschlossene Seminar Xaverianum wieder eröffnet. 1956 wurde dafür ein Neubau für etwa 80 Schüler erstellt.

Das Missionshaus in Mellatz kurz nach seiner Fertigstellung 1959

Mit den Seminaren und ihren Schülern wuchs auch die Zahl der Novizen und der Theologiestudenten und die der Priesterweihen. In Mellatz wurde das Noviziat neu gebaut und 1959 eingeweiht. Trotzdem: Überall ging es eng zu. Das beeinträchtigte aber nicht die Stimmung. Im Gegenteil, es beflügelte sie.
1948 wurden in der großen Martinskirche in Bamberg 13 Brüder und Priester feierlich für den Einsatz nach Südafrika und Peru ausgesandt, die erste große Aussendung nach dem Krieg. In Südafrika wurde 1949 Pater Johannes Riegler aus Österreich zum Bischof geweiht. Sein Besuch ein Jahr später in Deutschland und Österreich war ein großes Ereignis. Auch in Peru wurde, neun Jahr später, mit Pater Anton Kühner der erste Comboni-Missionar aus Deutschland zum Bischof geweiht.

Neue Herausforderungen
Die neue Zeit brachte aber auch neue Herausforderungen. In Deutschland war während der 60er-Jahre eine neue Generation herangewachsen, auch bekannt als die „68er“. Manche Obere, unter ihnen verdiente Afrika-Missionare wie Pater Anton Baumgart oder der damalige Generalobere (1955-1967) Pater Richard Lechner taten sich schwer, diese jungen Leute zu verstehen.
Aber nicht nur diese Umstände, sondern überhaupt das ganz neue Lebensgefühl in den 60er- und 70er-Jahren stellte die Kongregation und überhaupt die Kirche vor ganz neue Herausforderungen. Es war eine bewegte Zeit: Die Kirche versuchte im Zweiten Vatikanischen Konzil eine Antwort darauf zu finden. Weltpolitisch war es die Zeit, in der fast alle Kolonien unabhängig wurden. Die Missionare in diesen Ländern mussten sich auf ganz neue Verhältnisse einstellen. In Lateinamerika und auch in Afrika artikulierte sich eine „Theologie der Befreiung“. Für die Missionare in Südafrika wurde die dortige Politik der Apartheid, der Rassentrennung, ein immer brennenderes Problem. In Mitteleuropa brachte die Umbruchzeit unter anderem mit sich, dass die Zahl der Berufungen für Priester und Ordensleute sehr stark zurückging. Auch die Schülerseminare waren nicht mehr Orte, um Priesterberufe heranzubilden und wurden nacheinander geschlossen.

KIM-Treffen mit Bruder Bruno Haspinger.

Es öffneten sich aber auch zwei vielversprechende Perspektiven. Zum einen die KIM-Bewegung (KIM = Kreis junger Missionare). Sie ging von Pater Hubert Leeb von Ingolstadt aus, Bruder Bruno Haspinger griff die Idee auf. Im weiten Umkreis von Ellwangen formten sich zahlreiche Gruppen von Jugendlichen, die sich regelmäßig zu einem Bibelgespräch trafen und zu großen Jugendtreffen nach Josefstal kamen. Dort war durch den Neubau das alte Missionshaus frei und zu einem attraktiven Jugendhaus umgestaltet worden. KIM schien zu einer vielversprechenden neuen Form der Berufungspastoral zu werden. Es kam tatsächlich eine stattliche Zahl von Kandidaten vor allem für Brudermissionare, die im neugebauten Josefstal ihre Ausbildung erhielten.

Das große Seminar in Saldaña in Spanien.

Nach Spanien
Eine weitere hoffnungsvolle Perspektive tat sich in Spanien auf. An Spanien schienen die oben genannten Umbrüche vorübergegangen zu sein. Die Seminare und die Klöster waren voll von Kandidatinnen und Kandidaten. Der Peru-Missionar Pater Andreas Riedl brachte darum im Generalkapitel 1957 den Vorschlag einer Neugründung in Spanien ein. Der Bischof von Palencia in Zentralspanien stimmte freudig zu und erlaubte zwei Niederlassungen, eine in Palencia für Bruder- und eine in Saldaña für Priestermissionare. Doch kaum, dass die notwendigen Strukturen dafür geschaffen waren, änderten sich auch in Spanien die Verhältnisse.

Wiedervereinigung
Eine Sache aber hat die Öffnung nach Spanien gebracht, an die damals zunächst gar nicht gedacht worden war: Die Zusammenarbeit mit dem seit 1925 getrennten italienischen Zweig der Missionare Combonis. Wenige Jahre vor den Deutschen hatten auch diese in Spanien begonnen. Auf beiden Seiten waren die Hauptakteure junge dynamische Leute, die unbelastet waren von den Auseinandersetzungen von damals, die zur Trennung geführt hatten. Immer deutlicher konkretisierte sich der Gedanke: Warum machen wir nicht gemeinsame Sache? Nach langer geduldiger Vorarbeit befasste sich das Generalkapitel 1969 ausführlich damit. Im nächsten Generalkapitel 1975 wurde sie beschlossen und 1979 endgültig vollzogen: die Wiedervereinigung. Die Einzelheiten dazu und vor allem, was sie bewirkt hat, wird Thema in der nächsten Ausgabe von kontinente sein.

P. Reinhold Baumann