Um zwei Themen geht es in der dritten Folge der Geschichte der letzten 100 Jahre: Wie standen die Comboni-Missionare zum Nationalsozialismus, und wie erging es ihnen im Zweiten Weltkrieg?

P. Josef Musar war von 1932 bis 1938 Generaloberer.

Comboni-Missionare und der Nationalsozialismus
Aus einer der Chroniken dieser Zeit sind fein säuberlich, kaum zu entdecken, eine Reihe von Seiten herausgeschnitten worden; vermutlich mit Inhalten, die nicht in die Hände der Gestapo fallen durften. Chroniken oder Rundbriefe des Generaloberen, der offen Kritik am Nationalsozialismus übte, sind deshalb kaum zu finden.

P. Johann Deisenbeck wurde 1938 als Nachfolge P. Musars zum Generaloberen gewählt.

Bald nach der Machtergreifung Hitlers 1933 verlegte der ein Jahr zuvor gewählte Generalobere Pater Josef Musar, ein Slowene, seinen Sitz von Ellwangen nach Graz in Österreich. Er nahm auch das Archiv von Ellwangen mit. Dass der Generalobere Slowene, also ein Slawe war, machte die Kongregation den neuen Machthabern ohnehin verdächtig. Wohl deshalb hat sich Pater Musar beim Generalkapitel 1938 nicht erneut zur Wahl gestellt. Die Mitbrüder wählten an seiner Stelle den ehemaligen Reichswehroffizier Pater Johann Deisenbeck zu seinem Nachfolger. Dieser war zwar auch alles andere als ein Freund der Nationalsozialisten. Er konnte aber anders auftreten. Am Tag nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland am 13. März 1938, umstellte die Gestapo das Missionshaus in Graz, verhörte Pater Musar und durchsuchte das Haus.

Ein Devisenprozess
Ganz große Schwierigkeiten hatte die Kongregation bei der Unterstützung der Mitbrüder in Südafrika. Diese hatten eben mit fast nichts dort angefangen und Missionsstationen gegründet. Freunde und Helfer in Deutschland unterstützten die Mission mit Spenden. Doch wie das Geld nach Südafrika schicken? Pater Alfred Stadtmüller, mit seinem roten Bart ein allerorts bekannter Bettelprediger, war zu dieser Zeit Generalökonom der Kongregation. Er hatte nun die Idee, den Erlös aus dem Verkauf von Immobilien der Kongregation in Kairo aus der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts direkt von Ägypten nach Südafrika zu überweisen. Die deutschen Behörden argumentierten, dass das Geld nach Deutschland hätte überwiesen werden müssen und die Transaktion deshalb Devisenschmuggel gewesen sei.
Pater Stadtmüller und der Generalsekretär Heinrich Wohnhaas saßen ein halbes Jahr im Gefängnis in Ellwangen. Die Konten der Kongregation waren lange Zeit gesperrt.

P. Josef Hornauer verbrachte insgesamt 5 Jahre in den KZs Sachsenhausen und Dachau.

Einige traf es hart
Am schlimmsten traf es Pater Josef Hornauer (siehe Kasten). Pater Hugo Ille war in Bamberg wegen „Verstoßes gegen den Kanzelparagraph“ fünf Monate in Haft.
Es würde zu weit führen, weitere Schikanen aufzuführen. Allerdings scheint es, nach Lektüre vieler Dokumente, dass der Nationalsozialismus und überhaupt die Politik in der Ausbildung der jungen Mitbrüder und im Noviziat kaum thematisiert worden sind. Die Ausbildung konzentrierte sich ganz auf kirchliche und ordensinterne Themen. So waren die jungen Brudermissionare, Theologiestudenten und Priester wenig vorbereitet, als sie zum Militär eingezogen wurden. – Aber vielleicht verkennen wir auch die Realität, wenn wir heute aus sicherer Distanz kritisieren.

Über seine Zeit im Konzentrationslager Dachau schrieb Pater Josef Hornauer in seinen Erinnerungen „Fünf Jahre hinter Stacheldraht“:
„Die meisten der deutschen Häftlinge waren in Dachau, weil sie gemeckert hatten, wie die SS sagte, sei es in wirtschaftlicher, kultureller oder weltanschaulicher Richtung. Aus letzterem Grunde waren 400 deutsche Geistliche in Dachau. Ein Geistlicher, weil er geduldet hatte, dass polnische Kriegsgefangene am Pfarrgottesdienst teilgenommen hatten. Ein zweiter, weil er versucht hatte, eine nur staatlich geschlossene Ehe kirchlich einzusegnen. Ein Dritter, weil er am Christkönigsfest von der Vergänglichkeit alles Irdischen, auch von der Vergänglichkeit aller irdischen Größen, gesprochen hatte.
Ich selber war in Dachau, weil ich in der Schule bei der Abhandlung über die christliche Nächstenliebe auf die Frage eines Buben, ob man auch Chamberlain [Anm.d.R.: Premierminister GB 1938-40] lieben müsse, geantwortet hatte, dass es jedenfalls unchristlich wäre, wenn einer sagen würde, für Chamberlain dürfe man nicht beten.“

Solche Sterbebildchen finden sich noch heute im Gebetbuch mancher älterer Mitbrüder.

Im Zweiten Weltkrieg

Sterbebild Hugo Kappes

Seit 1940 waren alle Schülerseminare geschlossen, fast alle jungen Brudermissionare, Theologiestudenten und Novizen, auch die Schüler der oberen Klassen der Gymnasien waren zum Kriegsdienst eingezogen. 32 Mitbrüder und Novizen sind im Krieg gefallen. Zahlreiche andere haben sich während und nach der Militärzeit anders orientiert und sind nicht in die Kongregation zurückgekehrt. Die Zahl der Mitglieder sank von 224 im Jahr 1940 auf 160 im Jahr 1947.
Das Josefinum in Ellwangen war während des Krieges von der SS besetzt und wurde von ihr 1945 zerstört. Das andere große Seminnar in Graz wurde von den Besatzungsmächten erst 1948 in einem desolaten Zustand zurückgegeben. Beide Seminare konnten erst Ende der 40er-/Anfang der 50er-Jahre wieder regulär Schüler aufnehmen.

Die Missionare in Südafrika…
Mitbrüder, die noch vor 1939 ausreisten, konnten sich glücklich preisen. Allerdings war ihre Situation auch nicht einfach. Südafrika sah sich als Verbündeter Englands und sah auch die deutschen Missionare als Feinde. Es fehlte nicht an Schikanen und eine Reihe von ihnen war über Monate interniert. Doch das war natürlich nicht zu vergleichen mit KZ und Haft in Deutschland. Allerdings konnten sie keinerlei Hilfe aus der Heimat erwarten und das noch für manche weitere Jahre, denn die Mitbrüder in der Heimat brauchten das Geld für den Wiederaufbau. Es waren vor allem die Brudermissionare, die auf den Farmen und in den Werkstätten das Überleben und die Weiterarbeit möglich machten.

Die drei Pioniere 1938 auf dem Schiff nach Peru. V.l. P. Alois
Ipfelkofer, P. Michael Wagner und
P. Andreas Riedl.

… und in Peru
Auch für Peru war Deutschland offiziell Feindesland, aber nur formal. Die drei Mitbrüder, die 1938 noch ausreisen konnten, waren außerdem weit weg in der deutschsprachigen Urwaldsiedlung Pozuzo und dort nicht schlecht versorgt von der Bevölkerung. Das wusste vor allem der Österreicher Pater Andreas Riedl zu schätzen. Er war bereits im Visier der Gestapo und konnte das Schiff durch einen geistreichen Trick des peruanischen Kapitäns im letzten Augenblick besteigen.
Eine weitere Folge des Krieges: Als 1948 eine erste Gruppe von zehn jungen Missionaren nach Südafrika ausreiste, fast alle Kriegsteilnehmer, war dies eine ganz andere Generation. Die Jahre in Krieg und Gefangenschaft hatten sie nachhaltig geprägt. Die meisten von ihnen hatten größte Probleme, mit den Mitbrüdern klarzukommen, die schon vor dem Krieg ausgereist waren. Die Welt hatte sich weiterentwickelt, es war nicht mehr ihre Welt.

P. Reinhold Baumann